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Die Predigt |
Das Gebet und Gott
Der Predigttext - sie haben ihn auf dem Gottesdienstverteilblatt -
heute als Erzählung. So könnte es mit ein wenig Phantasie
damals gewesen sein:
Eines hatte die Jünger schon immer an Jesus begeistert: Nach
jedem Getümmel, vor jeder schwierigen Aufgabe, bei Tag oder bei
Nacht zog er sich zurück, um mit Gott zu reden. Aber wie Jesus
mit Gott redete! So hatten es
die Jünger als Juden nicht gelernt. Man hatte ihnen Gott als
den Allmächtigen beigebracht; als den strafenden und richtenden
Gott, dem man mit Ehrfurcht begegnen muss, vor dem man die Augen senken
muss. So waren sie als Juden gewohnt zu beten:
"Gepriesen seist du, höchster Gott, Gründer von Himmel
und Erde, du bist ein starker Held.
Gepriesen seist du, der lebendig macht die Toten. Heilig bist du und
furchtbar dein Name. Und es ist kein Gott außer dir.
Gepriesen seist du, heiliger Gott. Vergib uns, unser Vater, denn wir
sündigen
an dir, wische weg unsere Verfehlungen vor deinen Augen.
Gepriesen seist du, Gott, denn wir wollen dir dienen in Furcht. Leg
deinen Frieden auf Israel, dein Volk.
Gepriesen seist du, Gott, der da Frieden macht."
Vertrauensvoll beten
So hatten die Jünger im sog. Achtzehnbittengebet zu beten gelernt.
Gut, da
war auch von Gott als dem Vater die Rede, aber vor allem war er doch
der große und majestätische Gott, vor dem man sehr klein
war. Ganz anders Jesus: "Abba" sagte er, wenn er mit Gott
redete. "Abba", Papa, so redeten die kleinen Kinder damals
ihren Vater an. Das war etwas ganz Neues für die Jünger.
Ganz vertrauensvoll redete Jesus mit Gott, so wie ein kleines Kind
mit seinem Vater redet, dem es voll und ganz vertraut.
Das gefiel den Jüngern. So ein Vertrauen zu Gott wollten sie
auch haben. Und nachdem Jesus wieder einmal vom Gebet zurückkam,
fassten sie sich ein Herz und redeten ihn an: "Meister, bring
uns das Beten bei, so wie du
betest. Auch Johannes der Täufer hat seinen Jüngern ein
Gebet beigebracht."
Was heute heute nötig ist
Und sie setzten sich miteinander hin in einen Kreis und Jesus fing
an zu reden: "Wenn ihr betet, dann macht nicht viele Worte in
der Öffentlichkeit, wie es viele unter eueren jüdischen
Brüdern tun. Gott weiß schon,was ihr braucht. Betet nur
für das Entscheidende. Betet z.B. so:
'Unser Vater. Sorge dafür, dass überall dein Name heilig
gehalten wird. Sorge dafür, dass deine Herrschaft bald überall
anbricht. Gib uns das Brot, das wir für den heutigen Tag brauchen.
Vergib uns, wo wir an dir oder an Menschen
schuldig geworden sind. Wir vergeben auch allen, die an uns schuldig
geworden sind. Bewahre uns vor der Versuchung, von dir abzufallen.
Bewahre
uns vor der Macht des Bösen.`
Reden mit Gott wie mit einem guten Freund
Und entscheidend ist: Redet mit Gott wie mit einem guten Freund. Stellt
euch Folgendes vor: Ein Mensch bekommt mitten in der Nacht noch Besuch.
Ein alter Bekannter kommt ganz plötzlich vorbei. Er ist auf der
Reise und braucht eine Bleibe für die Nacht. Doch der Mann kann
ihm nichts anbieten. Er hat kein Brot mehr im Haus. Da geht er mitten
in der Nacht zu seinem Freund in der Nachbarschaft. Er klopft und
bittet um drei Fladenbrote für den überraschenden Gast.
Was meint ihr? Wird der Freund drinnen sagen: 'Mach nicht so einen
Krach. Du weckst mir noch die Kinder auf. Komm morgen früh wieder!`
Oder wird er aufstehen und ihm mit dem Brot für den überraschenden
Gast aushelfen?"
"Selbstverständlich wird er aufstehn", sagen die Jünger
ganz spontan. "Die Gastfreundschaft ist heilig. Als guter Freund
und Nachbar wird er ihn nicht wegschicken, auch mitten in der Nacht
nicht. Das ist doch klar."
"Genau", sagt Jesus. "Ein guter Freund hilft auch,
wenn es gerade ganz ungelegen kommt. Und wenn er ihm schon nicht aus
Freundschaft hilft,
dann steht er allein deswegen auf, weil der andere ihn so drängt
und ganz selbstverständlich mit seiner Hilfe rechnet."
Und Jesus fährt fort: "Genauso wie dieser gute Freund verhält
sich auch Gott. Zu ihm könnt ihr kommen zu den unverschämtesten
Zeiten und mit den unverschämtesten Bitten. Wie ein guter Freund
wird er euch nicht abschlagen, was ihr wirklich braucht.
Merkt euch: Bittet nur immer wieder, dann bekommt ihr auch, was ihr
nötig habt. Sucht Gott geduldig und er wird sich von euch finden
lassen. Klopft an bei ihm. Er wird euch nicht abweisen."
Werden alle Wünsche erfüllt?
Die Jünger haben die ganze Zeit wie gebannt zugehört. So
hat ihnen noch nie jemand von Gott erzählt. Gott als guter Freund.
Das macht ihnen Mut. Mit dem Gott, der weit weg von ihnen allmächtig
über allem thront, hatten sie schon immer Schwierigkeiten. Doch
sie haben sich nicht getraut, das zu sagen.
Aber ein Problem war da noch: "Meinst du wirklich", fragten
sie Jesus, "dass Gott alle Wünsche erfüllt, die man
ihm vorträgt. Meinst du wirklich, dass man nur lange und unverschämt
genug schreien muss wie ein trotziges Kind, dann bekommt man schon,
was man will?"
"Ihr habt nicht genau hingehört", sagt Jesus. "Ihr
sollt um das bitten, was ihr wirklich nötig habt. Was ihr zum
Leben braucht, wird euch Gott geben. Bittet in eurem Gebet um das
Auskommen für den heutigen Tag, um das tägliche Brot, das
ist genug. Bittet nicht schon für die nächste Woche und
den nächsten Monat. Beten hat etwas mit Vertrauen zu tun. Gott
weiß schon, was ihr braucht; was Ihr heute braucht und was euch
gut tut. Das wird er euch geben. Es ist bei ihm nicht anders als im
Alltag:
Bekommen, was man braucht, nicht, was man haben will
Stellt euch vor, euer Sohn käme zu euch und würde euch um
einen Fisch bitten, weil er Hunger hat. Würde dann einer von
euch ihm eine Schlange
in die Hand drücken?" "Unmöglich", sagen
die Jünger gleich. "Wo denkst du hin? Natürlich würden
wir unserm Kind geben, was es braucht, wenn es Hunger hat. Ein hinterlistiger
Vater - völlig undenkbar!"
"Oder weiter", sagt Jesus, "stellt euch vor, eure Tochter
hätte Hunger und käme zu euch und würde euch um ein
Ei zum Essen bitten. Würdet Ihr ihr einen Skorpion in die Hand
drücken?" "Bist du verrückt?", schimpfen
die Jünger. "Kein richtiger Vater würde das tun."
"Seht ihr, nicht anders ist es mit Gott", sagt Jesus. Wenn
ihr als menschliche Väter euren Kindern gebt, was sie brauchen,
wird Gott als
der himmlische Vater erst recht seinen Kindern geben, was sie nötig
haben. Verlasst euch darauf.
Aber ihr wisst auch: Wenn ein Kind verwöhnt ist, wenn es ausgefallene
Bitten hat, und es dauernd nach seinem Kopf gehen muss, dann erfüllt
man ihm nicht jeden Wunsch. Als Väter wisst Ihr, wo die Grenzen
sind und was ihm für die Zukunft gut tut. Und dann werdet Ihr
ihm auch manchen Wunsch versagen, auch wenn es Euer Kind in dem Moment
nicht versteht.
Aber für heute soll es genug sein. Wir reden ein andermal weiter.
Da vorne kommen Menschen, die unsere Hilfe brauchen. Und das ist wichtiger
als unsere eigenen Bedürfnisse."
Und Jesus stand auf und ging. Die Jünger blieben noch eine Weile
sitzen. Das mussten sie erst einmal alles verdauen, was sie da von
Jesus gehört hatten. Den ganzen Abend diskutierten sie noch miteinander.
Zu neu und überraschend war es, was sie da gehört hatten:
Gott als guter Freund und Vater. Manchen kam es immer noch sehr ketzerisch
vor. Und: "Papa" sagen, das war doch sehr ungewohnt. Aber:
Beten als Sache des Vertrauens. Das hat ihnen doch sehr geholfen.
Amen |
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