Wie
kann ein Abschied etwas Gutes sein?
„Es ist gut für euch, dass ich weggehe.“ So
sagte Jesus damals zu seinen Jüngern. Sie haben die Worte vorhin
als Lesung gehört. Sie haben den Text auch auf dem Gottesdienstverteilblatt.
„Es ist gut für euch, dass ich weggehe.“
Damit meint Jesus nicht, dass er einmal für kurze Zeit fortgehen
muss, sondern, dass er sie endgültig verlässt.
Wenn einer erst vor kurzem von einem lieben Menschen Abschied nehmen
musste, dann kann er ähnlich wie die Jünger damals, gar
nicht oder nur schwer begreifen, was das bedeuten soll: Wie kann
ein endgültiger Abschied gut sein? Wie kann es gut sein, wenn
einem jemand genommen wird, und dass man nun ohne ihn weiterleben
soll?
„Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat;
und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin? Doch weil ich
das zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer.“
Dass die Jünger das mit dem Weggehen zu Gott so recht begriffen
haben, bezweifle ich, aber dass sie traurig sind ist wohl das Normalste
von der Welt:
Gut drei Jahre sind sie nun mit ihm durchs Land gezogen. Sie haben
nicht alles verstanden, was er sagte, aber allein seine Gegenwart
hatte ihnen Kraft gegeben. An seiner Seite und zusammen mit ihm
sind ihnen die Entbehrungen leichter gefallen. Keine Heimat haben,
kein Geld besitzen, die Familie verlassen, ausgelacht werden, das
war alles nicht so schlimm, weil er da war. An seiner Seite konnte
man glauben. Seine Wundertaten, seine mitreißende Art, die
machten Mut. Einen Glauben ohne seine Gegenwart
konnten sie sich nicht vorstellen.
Auch heute wünscht sich mancher, Jesus wäre persönlich
da. Dann könnte man vielleicht leichter glauben. Doch genau
wie die Jünger damals müssen wir damit zurechtkommen,
dass man Jesus nicht mehr leibhaftig neben sich haben kann.
Hinterher geht einem manches auf
„Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für
euch, dass ich weggehe.“
Ähnlich berichten es Menschen auch von ihrer Trauerzeit: Man
kann einen Sinn erst entdecken, wenn man zurückblickt und die
Dinge sozusagen von höherer Warte sehen kann: Wir heute, weil
wir die Bibel kennen, können besser verstehen als die Jünger
damals, was Jesus gemeint hat: Sein Weggang zu Gott, sein Sterben
war deswegen gut, weil er nur dadurch endgültig und für
immer bei den Jüngern bleiben konnte. Die Aufgabe Jesu für
diese Welt war nicht erfüllt, wenn er nur hier und da einmal
einen Menschen gesund machte, hier und da einmal durch ein Wunder
die Nähe Gottes zu den Menschen brachte. Wenn er in Bethsaida
war, konnte er nicht Kapernaum sein. Und während er in Jerusalem
einen Gelähmten heilte, hofften hundert andere im ganzen Land
vergeblich auf ihn. Was Jesus damals tat, konnten immer nur Zeichen
sein, kleine Einblicke in die eigentliche Macht Gottes. Jesus hätte
wohl Jahrzehnte durch Israel von einem Ort zum
anderen hecheln müssen, um alle gesund zu machen und allen
Gottes Nähe zu bringen. Wäre die Welt dadurch eine andere
geworden? Wie es mit allen
großen Männern dieser Welt so war: Irgendwann einmal
wäre auch er alt geworden und gestorben. Man hätte ihm
ein großes Denkmal gesetzt, zu dem die Menschen Jahr für
Jahr hinpilgern. Und dann?
Jesus
geht, um da zu bleiben
„Ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch,
dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster,
der Hl. Geist, nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu
euch senden.“
Nur dadurch, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, nur dadurch,
dass er in eine andere Dimension hineinging, kann er heute auch
unter uns hier in diesem Gottesdienst lebendig sein. Es ist ein
großes Erlebnis, einmal nach
Israel zu reisen und an den Orten des Wirkens Jesu zu stehen. Aber:
Wir müssen nicht nach Israel reisen, um Jesus zu finden. Er
ist uns dort nicht näher als hier. Nach seiner Auferstehung
ist er überall da, wo Menschen ihn
anrufen. Das ist das unlogische Geheimnis dieser Worte: Jesus geht,
um da zu bleiben.
Der ganze Jesus ist da, so wie er damals bei seinen Jüngern
gewesen ist. Nichts anderes bedeutet es, wenn er sagt, er sendet
den Hl. Geist. Der Hl. Geist, das ist Jesus persönlich, er
selber in einer anderen Art, in einer anderen Dimension. Oder in
der typischen Sprache des Johannes:
„Er selber, der Hl. Geist wird mich verherrlichen; denn
von dem Meinen wird er's nehmen und euch verkündigen. Alles,
was der Vater hat, das ist mein.“
Der Hl. Geist ist Jesu Gegenwart bei uns. Ja, wenn wir ernst nehmen,
was hier steht: "Alles, was der Vater hat, das ist mein",
dann ist der Hl. Geist nicht mehr und nicht weniger als die Gegenwart
Gottes selbst.
Doch im Hl. Geist ist Jesus auf eine andere Art und Weise da als
damals bei den Jüngern, wo man ihn greifen, anpacken und festhalten
konnte. Der Hl. Geist ist da, wo Menschen direkt von Gott Kraft
bekommen und ermutigt werden. Der Hl. Geist ist da, wo Menschen
ein Licht aufgeht bei einer Predigt oder beim Lesen der Bibel. Der
Hl. Geist ist Bewegung, Kraft und Energie. Man kann ihn nicht greifen,
aber man kann spüren, was er bei Menschen bewirkt. So ähnlich
ist es wie mit dem elektrischen Strom, den man selbst nicht sehen,
sondern nur an seinen Auswirkungen erkennen kann.
Wie und wo könnte man in seinem Leben den Hl. Geist spüren?
Wie und wo wirkt er? Ein paar Andeutungen aus dem Predigttext:
Der Heilige Geist als Tröster
Als "Tröster" wird der Hl. Geist zuallererst beschrieben.
Zumindest hat Martin Luther in seiner Bibelübersetzung so übersetzt.
Natürlich kann der Hl. Geist auch einmal Tröster sein
für einen traurigen Menschen. Doch eigentlich ist
hier gemeint: Fürsprecher, Beistand, Anwalt. Durch den Hl.
Geist tritt Gott einem Menschen helfend an die Seite, so wie ein
Anwalt seinem vor Gericht überforderten Mandanten Hilfe leistet
und für ihn redet.
Der Heilige Geist kann verunsichern
Oder:
„Wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über
die Sünde und über das Gericht; über die Sünde:
dass sie nicht an mich glauben; und über das Gericht, dass
der Fürst dieser Welt gerichtet ist.“
Der Hl. Geist ist nicht bequem. Wer sich auf ihn einlässt,
muss gewärtig sein, dass er einen auch einmal wachrüttelt,
verunsichert, den Finger in eine Wunde legt oder neue Wege gehen
lässt: beim Hören der Predigt, beim Lesen der Bibel, im
Gebet oder durch ein persönliches Erlebnis. Wohl denen, die
sich von Gott, dem Hl. Geist, auch verunsichern lassen, denn nur
die
machen Fortschritte! Zweifel und Nachgrübeln über den
eigenen Glauben sind kein schlechtes, sondern eher ein gutes Zeichen,
ein Zeichen, dass sich etwas bewegt. Sie sind besser als ein falscher
Friede.
Der
Heilige Geist führt einen weiter
Und Jesus weiter:
„Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt
es jetzt nicht alles ertragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit,
kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten.“
Der Hl. Geist lehrt verstehen, was man bis jetzt oder bis heute
noch nicht verstanden hat. Vieles in dieser Welt kann man aus der
Sicht des Glaubens nicht begreifen, z.B. was Leid, Ungerechtigkeit
und Not angeht. Manches im
Glaubensbekenntnis bleibt einem lange fremd. Der Hl. Geist kann
in die Wahrheit leiten. Gott kann Menschen behutsam an die Hand
nehmen und sie
Schritt für Schritt im Glauben weiterbringen. Wohl dem, der
sich von Gott an die Hand nehmen und führen lässt!
Um den Heiligen Geist bitten
Zum Schluss: Was heißt das praktisch? Sehen Sie sich die Pfingstlieder
in unserem Gesangbuch an. Es gibt fast keines, das nicht ein Bittlied
um sein Kommen ist. Der Hl. Geist in weniger ein Thema zum Diskutieren
und Philosophieren. Man muss ihn einladen. Man muss ihn bitten.
Man muss ihn ungeduldig herbeirufen.
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