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predigt[e].de

Die Predigt vom 15. Mai 2005 (Pfingsten):
»Jesus geht, um da zu bleiben«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
50 Tage nach Ostern begeht die Kirche beging das Pfingstfest. Sein Thema ist die Sendung des Heiligen Geistes. Evangelium (1. Lesung) war die Ankündigung des „Trösters“ nach Johannes und Epistel (2. Lesung) das Pfingstgeschehen nach der Apostelgeschichte. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war ein Abschnitt aus Johannes 16:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
5 Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin? 6 Doch weil ich das zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer. 7 Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, daß ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden. 8 Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht; 9 über die Sünde: daß sie nicht an mich glauben; 10 über die Gerechtigkeit: daß ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht; 11 über das Gericht: daß der Fürst dieser Welt gerichtet ist. 12 Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen. 13 Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen. 14 Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er's nehmen und euch verkündigen. 15 Alles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich gesagt: Er wird's von dem Meinen nehmen und euch
verkündigen.
Predigt
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Die Predigt

Wie kann ein Abschied etwas Gutes sein?

„Es ist gut für euch, dass ich weggehe.“ So sagte Jesus damals zu seinen Jüngern. Sie haben die Worte vorhin als Lesung gehört. Sie haben den Text auch auf dem Gottesdienstverteilblatt.
„Es ist gut für euch, dass ich weggehe.“ Damit meint Jesus nicht, dass er einmal für kurze Zeit fortgehen muss, sondern, dass er sie endgültig verlässt.
Wenn einer erst vor kurzem von einem lieben Menschen Abschied nehmen musste, dann kann er ähnlich wie die Jünger damals, gar nicht oder nur schwer begreifen, was das bedeuten soll: Wie kann ein endgültiger Abschied gut sein? Wie kann es gut sein, wenn einem jemand genommen wird, und dass man nun ohne ihn weiterleben soll?

„Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin? Doch weil ich das zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer.“
Dass die Jünger das mit dem Weggehen zu Gott so recht begriffen haben, bezweifle ich, aber dass sie traurig sind ist wohl das Normalste von der Welt:
Gut drei Jahre sind sie nun mit ihm durchs Land gezogen. Sie haben nicht alles verstanden, was er sagte, aber allein seine Gegenwart hatte ihnen Kraft gegeben. An seiner Seite und zusammen mit ihm sind ihnen die Entbehrungen leichter gefallen. Keine Heimat haben, kein Geld besitzen, die Familie verlassen, ausgelacht werden, das war alles nicht so schlimm, weil er da war. An seiner Seite konnte man glauben. Seine Wundertaten, seine mitreißende Art, die machten Mut. Einen Glauben ohne seine Gegenwart
konnten sie sich nicht vorstellen.
Auch heute wünscht sich mancher, Jesus wäre persönlich da. Dann könnte man vielleicht leichter glauben. Doch genau wie die Jünger damals müssen wir damit zurechtkommen, dass man Jesus nicht mehr leibhaftig neben sich haben kann.

Hinterher geht einem manches auf

„Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe.“
Ähnlich berichten es Menschen auch von ihrer Trauerzeit: Man kann einen Sinn erst entdecken, wenn man zurückblickt und die Dinge sozusagen von höherer Warte sehen kann: Wir heute, weil wir die Bibel kennen, können besser verstehen als die Jünger damals, was Jesus gemeint hat: Sein Weggang zu Gott, sein Sterben war deswegen gut, weil er nur dadurch endgültig und für immer bei den Jüngern bleiben konnte. Die Aufgabe Jesu für diese Welt war nicht erfüllt, wenn er nur hier und da einmal einen Menschen gesund machte, hier und da einmal durch ein Wunder die Nähe Gottes zu den Menschen brachte. Wenn er in Bethsaida war, konnte er nicht Kapernaum sein. Und während er in Jerusalem einen Gelähmten heilte, hofften hundert andere im ganzen Land vergeblich auf ihn. Was Jesus damals tat, konnten immer nur Zeichen sein, kleine Einblicke in die eigentliche Macht Gottes. Jesus hätte wohl Jahrzehnte durch Israel von einem Ort zum
anderen hecheln müssen, um alle gesund zu machen und allen Gottes Nähe zu bringen. Wäre die Welt dadurch eine andere geworden? Wie es mit allen
großen Männern dieser Welt so war: Irgendwann einmal wäre auch er alt geworden und gestorben. Man hätte ihm ein großes Denkmal gesetzt, zu dem die Menschen Jahr für Jahr hinpilgern. Und dann?

Jesus geht, um da zu bleiben

„Ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster, der Hl. Geist, nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden.“
Nur dadurch, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, nur dadurch, dass er in eine andere Dimension hineinging, kann er heute auch unter uns hier in diesem Gottesdienst lebendig sein. Es ist ein großes Erlebnis, einmal nach
Israel zu reisen und an den Orten des Wirkens Jesu zu stehen. Aber: Wir müssen nicht nach Israel reisen, um Jesus zu finden. Er ist uns dort nicht näher als hier. Nach seiner Auferstehung ist er überall da, wo Menschen ihn
anrufen. Das ist das unlogische Geheimnis dieser Worte: Jesus geht, um da zu bleiben.
Der ganze Jesus ist da, so wie er damals bei seinen Jüngern gewesen ist. Nichts anderes bedeutet es, wenn er sagt, er sendet den Hl. Geist. Der Hl. Geist, das ist Jesus persönlich, er selber in einer anderen Art, in einer anderen Dimension. Oder in der typischen Sprache des Johannes:
„Er selber, der Hl. Geist wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er's nehmen und euch verkündigen. Alles, was der Vater hat, das ist mein.“
Der Hl. Geist ist Jesu Gegenwart bei uns. Ja, wenn wir ernst nehmen, was hier steht: "Alles, was der Vater hat, das ist mein", dann ist der Hl. Geist nicht mehr und nicht weniger als die Gegenwart Gottes selbst.

Doch im Hl. Geist ist Jesus auf eine andere Art und Weise da als damals bei den Jüngern, wo man ihn greifen, anpacken und festhalten konnte. Der Hl. Geist ist da, wo Menschen direkt von Gott Kraft bekommen und ermutigt werden. Der Hl. Geist ist da, wo Menschen ein Licht aufgeht bei einer Predigt oder beim Lesen der Bibel. Der Hl. Geist ist Bewegung, Kraft und Energie. Man kann ihn nicht greifen, aber man kann spüren, was er bei Menschen bewirkt. So ähnlich ist es wie mit dem elektrischen Strom, den man selbst nicht sehen, sondern nur an seinen Auswirkungen erkennen kann.
Wie und wo könnte man in seinem Leben den Hl. Geist spüren? Wie und wo wirkt er? Ein paar Andeutungen aus dem Predigttext:

Der Heilige Geist als Tröster

Als "Tröster" wird der Hl. Geist zuallererst beschrieben. Zumindest hat Martin Luther in seiner Bibelübersetzung so übersetzt. Natürlich kann der Hl. Geist auch einmal Tröster sein für einen traurigen Menschen. Doch eigentlich ist
hier gemeint: Fürsprecher, Beistand, Anwalt. Durch den Hl. Geist tritt Gott einem Menschen helfend an die Seite, so wie ein Anwalt seinem vor Gericht überforderten Mandanten Hilfe leistet und für ihn redet.

Der Heilige Geist kann verunsichern

Oder:
„Wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über das Gericht; über die Sünde: dass sie nicht an mich glauben; und über das Gericht, dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist.“
Der Hl. Geist ist nicht bequem. Wer sich auf ihn einlässt, muss gewärtig sein, dass er einen auch einmal wachrüttelt, verunsichert, den Finger in eine Wunde legt oder neue Wege gehen lässt: beim Hören der Predigt, beim Lesen der Bibel, im Gebet oder durch ein persönliches Erlebnis. Wohl denen, die sich von Gott, dem Hl. Geist, auch verunsichern lassen, denn nur die
machen Fortschritte! Zweifel und Nachgrübeln über den eigenen Glauben sind kein schlechtes, sondern eher ein gutes Zeichen, ein Zeichen, dass sich etwas bewegt. Sie sind besser als ein falscher Friede.

Der Heilige Geist führt einen weiter


Und Jesus weiter:

„Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht alles ertragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten.“
Der Hl. Geist lehrt verstehen, was man bis jetzt oder bis heute noch nicht verstanden hat. Vieles in dieser Welt kann man aus der Sicht des Glaubens nicht begreifen, z.B. was Leid, Ungerechtigkeit und Not angeht. Manches im
Glaubensbekenntnis bleibt einem lange fremd. Der Hl. Geist kann in die Wahrheit leiten. Gott kann Menschen behutsam an die Hand nehmen und sie
Schritt für Schritt im Glauben weiterbringen. Wohl dem, der sich von Gott an die Hand nehmen und führen lässt!

Um den Heiligen Geist bitten

Zum Schluss: Was heißt das praktisch? Sehen Sie sich die Pfingstlieder in unserem Gesangbuch an. Es gibt fast keines, das nicht ein Bittlied um sein Kommen ist. Der Hl. Geist in weniger ein Thema zum Diskutieren und Philosophieren. Man muss ihn einladen. Man muss ihn bitten. Man muss ihn ungeduldig herbeirufen.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de