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Die Predigt vom 25. Mai 2006 (Christi Himmelfahrt):
»Ich glaube an die Sonne, auch wenn ich sie nicht sehe ...«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Feiertag Christi Himmelfahrt. Sein Thema ist die „Machtergreifung“ Jesu Christi, die Macht Gottes. Evangelium (1. Lesung) war die Darstellung des Lukas von der sog. Himmelfahrt und Epistel (2. Lesung) die Darstellung in der Apostelgeschichte. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) waren Worte aus Offenbarung 1:
Predigttext
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Der Predigttext
4 Johannes an die sieben Gemeinden in der Provinz Asien: Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind, 5 und von Jesus Christus, welcher ist der treue Zeuge, der Erstgeborene von den Toten und Herr über die Könige auf Erden! Ihm, der uns liebt und uns erlöst hat von unsern Sünden mit seinem Blut 6 und uns zu Königen und Priestern gemacht hat vor Gott, seinem Vater, ihm sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. 7 Siehe, er kommt mit den Wolken, und es werden ihn sehen alle Augen und alle, die ihn durchbohrt haben, und es werden wehklagen um seinetwillen alle Geschlechter der Erde. Ja, Amen. 8 Ich bin das und das O, spricht Gott der Herr, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige.
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Die Predigt
Hinter den Kulissen ist Gott der Herr

Die Offenbarung des Johannes, das letzte Buch unserer Bibel, ist eine Trost- und Ermutigungsschrift an Christen in der Verfolgung. Alle mussten damals am Ende des 1. Jhd. nach Christus dem Kaiser, der das große römische Reich zusammenhalten wollte, wie einem Gott huldigen. Die Christen, die das nicht wollten und öffentlich an ihrem Gott festhielten, wurden deswegen als Staatsfeinde verfolgt.
Das Buch der Offenbarung beginnt so, dass Johannes sozusagen hinter die Kulissen der Weltgeschichte blicken darf. Nicht das, was die Christen im Moment erleben, ist die eigentliche Wirklichkeit. Gott hat anderes vor. Bald wird es sich zeigen. Bis dorthin aber müssen die Christen glaubend durchhalten. Vordergründig mögen die Römer, die Christenverfolger, die Herrschaft innehaben, aber hinter den Kulissen und in Wahrheit ist Gott der Herr der Geschichte. Direkt von ihm hat Johannes seine Botschaft.

Trost und Ermutigung für Verfolgte

In einen Brief nach damaliger Art fasst er seine Worte. Ein Brief begann mit dem Absender, dem Empfänger und einem Friedenswunsch.
4 Johannes an die sieben Gemeinden in der Provinz Asien: Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind.
Die Namen der sieben Gemeinden folgen ein paar Kapitel weiter. Es sind Gemeinden in der römischen Provinz Asien, d.h. dem Westen der heutigen Türkei, um die damalige Stadt Ephesus herum. Mit der heiligen Zahl 7 wurde damals das Ganze, die Fülle umschrieben. So kann man die Worte des Johannes durchaus auf alle Christen damals wie heute beziehen.
Die Gnade und den Frieden Gottes wünscht Johannes den Gemeinden. Gnade und Friede gelten ihnen, auch wenn sie es vielleicht gerade nicht sehen können. Doch der Schöpfer redet, der Allumfassende und Unendliche. Der vor der Zeit war. Der auch jetzt zu erfahren ist. Und der bald sichtbar kommen wird.
Nach alter jüdischer Vorstellung sind sieben Engel um seinen Thron, die seine Befehle ausführen.

Jesus hat die gleiche Macht wie Gott

5 und von Jesus Christus (grüßt Johannes), welcher ist der treue Zeuge, / der Erstgeborene von den Toten / und Herr über die Könige auf Erden!
Mit dem Wort „und“ stellt Johannes Jesus Christus an die gleiche Stelle wie Gott selbst. Auch ihn sieht er in seiner Himmelsschau. Auch in seinem Namen grüßt er die Gemeinden. Nach seiner Himmelfahrt ist Jesus nicht mehr und nicht weniger als Gott. Er „sitzt zur Rechten Gottes“, so sagt es das Glaubensbekenntnis bildlich. „Gleicher Macht und gleicher Ehren sitzt er unter lichten Chören über allen Cherubim“, so heißt es bildlich im Lied, das wir vorhin gesungen haben.
Da man sich in biblischer, in vorwissenschaftlicher Zeit Gott nur hoch oben über der Erde thronend vorstellen konnte, sprach man von einer Fahrt nach oben in den Himmel, meinte aber letztlich, dass Jesus die Erde verlässt und in den Bereich Gottes hinüber geht. Mit seiner Himmelfahrt, mit seiner Thronbesteigung, mit seiner Machtergreifung ist kein Unterschied mehr, ob wir zu Gott oder zu Jesus Christus beten. Er und der Vater, so heißt es im Johannesevangelium auf Schritt und Tritt, sind eins.

Jesus als Vorbild

Drei Würdenamen gibt ihm Johannes als Zeichen seiner Majestät und begründet dadurch, warum Jesus diese Ehre gleich wie Gott zusteht: der treue Zeuge, der Erstgeborene von den Toten, der Herr über die Könige auf Erden.
Zeuge für Gott war er auf dieser Erde, und treu, weil er seine Sendung bis zum bitteren Ende durchgehalten hat. Damit werden die Leser des Johannes eingeladen, selbst bis zum Ende treu zu bleiben. „Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.“ So heißt es dann im Brief an eine der sieben Gemeinden.
Der erste war er, den der Tod nicht endgültig festhalten konnte. Und damit werden wiederum die Leser des Johannes ermutigt: Auch sie wird, sollten sie für ihren Glauben sterben müssen, der Tod nicht halten.
Und Herr über alle Könige auf Erden ist Jesus Christus, Herr über alle, die sich jetzt noch als mächtig aufspielen. Und auch das soll die Leser ermutigen: Die, die jetzt Macht haben und euch verfolgen, die haben nicht das letzte Wort.

Jesus schenkt Freiheit

Drei Würdenamen also zuerst, die Jesus in seiner Göttlichkeit und Macht beschreiben. Und nun noch drei weitere Würdebezeichnungen für Jesus Christus, die in einem Lobpreis zum Ausdruck bringen, was er denen bedeutet und schenkt, die an ihn glauben:
Ihm, der uns liebt / und uns erlöst hat von unsern Sünden mit seinem Blut / 6 und uns zu Königen und Priestern gemacht hat vor Gott, seinem Vater, ihm sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Er liebt die, die an ihn glauben, auch wenn sie vielleicht in der momentanen Verfolgung diese Liebe nicht spüren und nicht glauben können.
Er hat sie er-löst, er hat sie los-gekauft aus der Sklaverei der Sünde. Und als Erlöste kann es nun niemand mehr geben, der sie wieder unter seine Herrschaft bringen könnte. Sie sind frei, ein für allemal, auch wenn sie diese Freiheit im Moment nicht erleben und erfahren können.
Und dadurch, dass sie nun in Wirklichkeit frei sind, sind sie letztlich selbst Könige und Priester: Es gibt keine weltliche und auch keine geistliche Macht mehr, die über ihnen stünde, und der sie gehorchen müssten, als Gott allein. Ihm allein gebührt die Ehre und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Jesus wird richten

„Aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters. Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“ So sprechen wir im Glaubensbekenntnis: Jesus, der dieselbe Macht hat wie Gott, wird dereinst kommen und Gerechtigkeit schaffen. Es ist fast wie eine Auslegung und Zusammenfassung dieser Worte aus der Offenbarung:
7 Siehe, er kommt mit den Wolken, und es werden ihn sehen alle Augen und alle, die ihn durchbohrt haben, und es werden wehklagen um seinetwillen alle Geschlechter der Erde.
So wie ihn bildlich die Wolken aufgenommen und den Blicken der Jünger entzogen haben, als er in Gottes Herrschaftsbereich ging, so wird er wieder mit den Wolken kommen, wird also seinen göttlichen Bereich verlassen und wieder für irdische Augen sichtbar werden:
Dann werden ihn alle sehen können, nicht nur die, die an ihn glaubten und die ihm treu geblieben sind. Auch die werden ihm dann Auge in Auge gegenüber stehen, die ihn abgelehnt und verfolgt haben.

Gott bleibt sich treu

Mit einer weiteren dreifachen Majestätsbezeugung schließt die Gottesrede aus dem Mund des Johannes. Gott selbst hat durch ihn geredet. Was er gesagt hat, stimmt und wird wahr werden, auch wenn die Leser und Hörer es vielleicht mitten in ihrer Verfolgung noch nicht glauben können.
8 Ich bin das A und das O, spricht Gott der Herr, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige.
Das A und O, das Alpha und Omega ist Gott, der erste und der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets. Er ist der Anfang und das Ende. Er umgreift und umfasst alle Zeit und alle Welt.
Und noch einmal wie zu Beginn der Rede: Er ist der, der jetzt seine Macht erweist, so sie es früher schon war und wie es bald öffentlich sichtbar werden. Gott bleibt sich treu.

„Ich glaube an die Sonne, auch wenn ich sie nicht sehe“

Ein majestätischer, ein ermutigender Text, aber kein leichter, für die damaligen Hörer nicht und auch für viele heutige: Der eigentliche Herrscher dieser Welt ist und bleibt Gott, auch wenn im Moment vieles dagegen spricht.
Gott schenkt Frieden, auch wenn im Moment kein Friede in Sicht ist.
Jesus hat den Tod besiegt, auch wenn er sich noch als Herr über die Menschen aufspielt.
Gott ist der Herr über alle Mächtigen auf Erden, auch wenn ihn mancher Tyrann heute noch Lügen straft.
Er liebt uns, auch wenn wir diese Liebe manchmal nicht glauben können.
Er wird kommen und Gerechtigkeit schaffen. Und es werden auch die seine Herrschaft anerkennen müssen, die jetzt noch gegen ihn sind.

Hartnäckig an Gott festhalten, auch wenn manchmal andere Mächte stärker zu sein scheinen. Diese Herausforderung, diese Anfechtung wird im Glauben wohl nie ganz aufhören. Ich schließe mit Worten, die ein unbekannter Jude damals im Warschauer Ghetto an eine Wand geschrieben hat:
„Ich glaube an die Sonne, auch wenn ich sie nicht sehe! Ich glaube an die Liebe, auch wenn ich sie nicht spüre! Ich glaube an Gerechtigkeit, auch wenn ich nur Ungerechtigkeit sehe! Ich vertraue auf Gott, auch wenn ich ihn nicht begreife!“

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de