|
Die Predigt |
Besuch kommt!
Stellt euch vor, Kinder, jemand hat angekündigt, dass er euch
besuchen will. Ein Onkel, eine Tante, eine Patin, eine Oma, ein Opa,
eine Freundin, ein Freund ...
Ich habe mich als Kind immer gefreut, wenn Besuch gekommen ist. Ich
will ehrlich sein: Meistens habe ich mich gefreut, denn manchen Besuch
habe ich nicht so gerne gehabt.
Und: Kinder, die nicht gerne ihr Zimmer aufräumen, freuen sich
manchmal auch nicht so sehr über Besuch. Denn wenn Besuch kommt,
muss in den meisten Familien alles aufgeräumt und in Ordnung
sein. Das meinen zumindest die Eltern. Ihr vielleicht nicht unbedingt.
Aber normalerweise ist es so: Wir freuen uns, wenn Besuch kommt. Kinder
freuen sich und Erwachsene eigentlich auch. Wir sind gespannt. Wir
können es nicht erwarten.
Und warum freuen wir uns? Was ist das Schöne daran, wenn Besuch
kommt? Wir freuen uns über den Menschen, der kommt, weil wir
ihn mögen. Wir freuen uns, dass er da ist, dass er Zeit für
uns hat, dass er erzählt und wir erzählen können.
Und – seien wir ehrlich: Wir freuen uns auch über das,
was der Besuch uns mitbringt. Stellt euch vor: Besuch ist da. Ihr
könnt gar nicht erwarten, bis er endlich Jacke oder Mantel ausgezogen
hat, bis er alle begrüßt hat, bis er sich hingesetzt hat.
Und wenn ihr ganz ungeduldig seid, dann fragt ihr mit ganz großen
Augen: „Hast du mir auch etwas mitgebracht?“ Und –
stellt euch vor – der Besuch sagt: „Nein, ich hab dir
heute nichts mitgebracht. ...“
Wir freuen uns, wenn jemand an uns denkt. Wir freuen uns, wenn wir
nicht vergessen werden.
Vergessen werden, ist nicht schön
Besuch bekommen ist etwas Schönes. Vor allem für Kinder.
Was meint ihr: Wer könnte sich über Besuch noch viel mehr
freuen als ihr?
Ich glaube, kranke Menschen freuen sich sehr über einen Besuch.
Alte Menschen freuen sich sehr. Einsame Menschen freuen sich sehr.
Vor allem sie wollen hören und erleben: Ich bin nicht vergessen.
Jemand denkt an mich.
Vergessen werden ist nicht schön: Erwachsene schauen in den Briefkasten.
Keine Post da? Denkt niemand an mich?
Andere schauen in ihren E-Mail-Briefkasten: Niemand hat mit geschrieben?
Will niemand etwas von mir?
Jugendliche schauen auf ihr Handy: Kein Anruf in Abwesenheit. Keine
SMS. Interessiert sich niemand für mich?
Gott schaut bei uns zu Hause vorbei
Wir feiern heute den 1. Advent. Advent, das heißt auch deutsch:
Ankunft, Ankommen. Also: Da kommt jemand. Besuch kommt.
Wer kommt? Gott kommt zu Besuch. Gott hat uns nicht vergessen. Gott
schaut bei uns zu Hause vorbei.
So steht es in der Geschichte von Zacharias. Zacharias war ein Priester
am Tempel in Jerusalem. Er und seine Frau Elisabeth sind alt. Und
ihre größte Sorge ist: Sie haben kein Kind.
Da begegnet dem Zacharias im Tempel ein Engel und bringt ihm die Botschaft
von Gott, dass er und seine Frau Elisabeth doch noch ein Kind bekommen
sollen: Obwohl sie schon alt sind. In einem Alter, wo Frauen normalerweise
keine Kinder mehr bekommen.
Also kann es der Zacharias nicht glauben. Der Engel sagt: Bei Gott
ist nichts unmöglich. Und damit du weißt, dass es stimmt,
und was Gott alles kann, wirst du nicht sprechen können, bis
das Kind geboren ist.
Und so geschieht es: Der kleine Johannes wird geboren. Der, der später
Johannes der Täufer heißen wird. Und da findet Zacharias
seine Sprache wieder. Und als erstes sprudelt ein Lobgesang aus ihm
heraus: Ja, Gott hat sie beide, ihn und seine Frau nicht vergessen.
Ja, Gott hat alle seine Menschen nicht vergessen. Und so heißt
das dann in der Sprache von Martin Luthers Bibelübersetzung:
(siehe Text oben)
Gott weiß die Adresse und das Stockwerk
Ein langer Text. Man kann sich nicht viel merken, wenn man ihn nicht
öfter liest. Zwei kleine Teile davon sind mir ganz wichtig geworden:
Die, wo steht: Gott hat uns nicht vergessen. Er kommt uns besuchen:
67 Und Zacharias wurde vom heiligen Geist erfüllt, weissagte
und sprach: 68 Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat
besucht und erlöst sein Volk.
78 Durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, wird uns besuchen
das aufgehende Licht aus der Höhe, 79 damit es erscheine denen,
die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere
Füße auf den Weg des Friedens.
Beides steht da: Gott hat uns besucht und er wird uns besuchen. Advent
heißt also: Damals, als die Menschen in Israel Gott sehr gebraucht
haben, damals, als sie nach einem Retter gerufen haben, hat Gott Jesus
geschickt. Als kleines Kind, als Mensch ist Gott zu ihnen gekommen.
Und Advent heißt: Besuch kommt. Gott kommt auch zu uns. Gott
hat uns nicht vergessen. Gott besucht uns zu Hause.
So steht es für die Erwachsenen im Gesangbuch. Es ist ein Wort
von Friedrich Walz, der mein Studentenpfarrer in Erlangen war:
„Heimsuchung heißt heute: ein Schicksalsschlag oder
eine Krankheit, ein Trauerfall. Gemeint war ursprünglich: Gott
sucht uns daheim. Er sucht uns zu Hause auf. Er weiß unsere
Adresse und das Stockwerk, in dem wir wohnen.“ (Evangelisches
Gesangbuch S. 987)
Gott kennt unsere Dunkelheit
68 Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht
und erlöst sein Volk.
Advent heißt: Gott besucht und erlöst uns. Was ist mit
Erlösung gemeint? Wovon müssen wir erlöst werden?
Erlöst werden, losgemacht, befreit werden muss jemand, der wie
gefangen ist, der eingesperrt ist: Gefangen in seiner Einsamkeit.
Gefangen in seiner Krankheit. Gefangen in seiner Angst. Gefangen in
seiner Trauer. Gefangen in seinen Sorgen.
Gerade zu den Menschen will Gott zu Besuch kommen. Er will persönlich
vorbei kommen. Er kennt die Straße und die Hausnummer. Er sagt:
Ich habe dich nicht vergessen.
78 Durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, wird uns
besuchen das aufgehende Licht aus der Höhe, 79 damit es erscheine
denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes.
Advent heißt: Gott will als Licht zu denen kommen, die im Finstern
und im Todesschatten sitzen.
Wer sitzt im Finstern? Wer einsam ist. Wer nicht geliebt wird. Wer
allein gelassen ist. Wer vergessen ist. Wer von den anderen auf die
Seite geschoben wird.
Mehr Besuche machen
78 Durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, wird uns
besuchen das aufgehende Licht aus der Höhe, 79 damit es erscheine
denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte
unsere Füße auf den Weg des Friedens.
Und das ist zum Schluss wichtig: Wenn Gott zu uns kommt, dann will
er unsere Füße richten. Das heißt: Er will unsere
Füße ausrichten. Er will unseren Füßen den Weg
zeigen. Er will uns zeigen, wo wir hingehen sollen. Er will uns in
Bewegung setzen in Richtung Frieden.
Wie könnten wir im Advent ein wenig mehr Frieden bringen? Vielleicht
genauso, wie Gott Frieden in die Welt gebracht hat:
Wenn Gott zu Besuch kommt, wenn Besuchen, seine Eigenart, seine Spezialität
ist, müssten wir dann nicht mehr Besuche machen?
Wer weiß, wer alles auf uns wartet in diesen Tagen? Ja, braucht
Gott sogar Helfer, damit er alle besuchen kann, die auf ihn warten? |
|