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Die Predigt |
Manche Worte rühren
einen an
Das haben vermutlich einige von Ihnen schon erlebt: Es gibt Verse
der Bibel, die rühren einen an. Es ist fast so, als wären
sie für einen selbst geschrieben oder gesprochen: Ein Konfirmationsspruch
vielleicht oder eine bekannte biblische Geschichte. Oder wenn jemand
regelmäßig oder öfter die Losungen für den jeweiligen
Tag liest. Es ist, als hätte man genau dieses Wort heute gebraucht.
Ein Wort, das tröstet. Ein Wort, das Mut macht. Oder auch ein
Wort, das einem den gerade wieder nötigen Dämpfer gibt,
wenn man in der Gefahr ist, abzuheben.
Aber auch das andere gibt es: Man liest ein Wort, man hört eine
biblische Geschichte, man sitzt in einem Gottesdienst, aber an diesem
Tag spricht einen nichts an. Irgendwie geht es nicht um das eigene
Leben. Worte, einfach nur so dahin gesagt.
Befreiende Botschaft damals
Wie steht es mit der Macht, mit der Wirksamkeit der Worte der Bibel?
Wieder einmal ein Ausflug in die biblische Geschichte: Zurück
in die Zeit, als ein Großteil der Israeliten in Babylonien im
unfreiwilligen Exil, in der Verbannung in Babylonien saß. Als
die erste Generation der Verbannten schon gestorben war, trat dort
ein Prophet auf, dessen Namen wir nicht kennen, aber dessen Worte
uns am Ende des Buches Jesaja erhalten sind. Und der verspricht auf
einmal im Namen Gottes Unglaubliches: Es wird nicht lange dauern,
da werden sie aus ihrer Verbannung frei kommen. Wir können nur
indirekt erschließen, wie diese Botschaft bei seinen Hörern
angekommen ist. Nur wenige haben offenbar neuen Auftrieb bekommen.
Viele haben ihn ausgelacht, vielleicht so ähnlich, wie man einmal
die Menschen ausgelacht hat, die vom baldigen Ende der ehemaligen
DDR geredet haben. Und dann diese Worte für heute. Jesaja Kapitel
55:
10 Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und
nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und
macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen, zu
säen, und Brot, zu essen, 11 so soll das Wort, das aus meinem
Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen,
sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu
ich es sende.
12 Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden.
Berge und Hügel sollen vor euch her frohlocken mit Jauchzen und
alle Bäume auf dem Felde in die Hände klatschen.
Jubelnd sollen sie in die alte Heimat zurückkehren. Voller Freude
werden sie losziehen. Der Frieden Gottes wird sie geleiten. Die ganze
Natur wird sich freuen.
Manche hat es neuen Mut gemacht. Manche haben abgewinkt, weil sie
schon lange resigniert hatten. Manche wollten solche Worte aber auch
gar nicht hören: In der zweiten Generation hatten sich viele
dort in der Fremde häuslich eingerichtet und sich mit den neuen
Umständen arrangiert. Sie wollten eigentlich gar nicht mehr zurück,
zurück in ein zerstörtes Land, in das unbekannte Land ihrer
Väter.
Auf Gottes Wort ist Verlass
Nein, auf Gottes Wort ist Verlass, betont der Prophet. Gott steht
zu seinem Wort. Es ist nicht einfach nur so dahingesagt. Einmal ausgesprochen,
wirkt es. Das wird in einem Bild, in einem Gleichnis aus dem Alltag
verdeutlicht:
Ihr wisst doch aus eigener Anschauung, so sagt er, dass der Regen
und der Schnee, die vom Himmel fallen, nicht wieder unverrichteter
Dinge dorthin zurückkehren? Sicher, durch den ewigen Wasserkreislauf
von Regnen und Verdunsten steigt das Wasser wieder nach oben. Aber
Regen und Schnee fallen nicht umsonst. Sie bleiben nicht ohne Wirkung.
Sie machen die Erde fruchtbar und ermöglichen das Wachstum, von
dem die Menschen leben.
In der dortigen Umgebung haben die Menschen dieses Wort noch viel
besser verstanden als wir: Wir haben genügend Wasser. Wir haben
genügend Regen über das Jahr verteilt. Aber in den Wüsten-
und Steppengebieten in Israel konnte man Jahr für Jahr erleben,
wie zur Beginn der kurzen Regenzeit innerhalb kürzester Zeit
das ausgetrocknete, dürre Land zu blühen begonnen hat. So
als hätten die vielen Samen nur auf den Startschuss gewartet.
Genauso ist es mit meinen Worten, lässt Gott den Propheten ausrichten:
Sie sind nicht ins Leere gesagt. Sie sind nicht einfach nur so dahin
gesagt, wie manches menschliche Wort. Einmal ausgesprochen, kehren
sie nicht wieder unverrichteter Dinge zu mir zurück, sondern
sie wirken.
Lebensworte für eine ausgetrocknete Seele
Sie sind wie Lebensworte für eine dürre ausgetrocknete Seele,
die nach Wasser schreit. Sie sind befreiende Worte für Menschen,
die innerlich gefangen sind. Sie sind Worte, die neue Wege eröffnen
für Menschen, die sich von ihrer Zukunft nichts mehr erwarten.
Oder das andere Bild in diesem Abschnitt: Von solchen Worten kann
man leben wie vom Brot. Es gibt Menschen, die brauchen sie wie das
tägliche Brot. Menschen, die in ihren Leben erfahren haben: „Der
Mensch lebt nicht vom Brot allein ...“ Oder wie es im abschließenden
Lied heißt: „Dein Wort bewegt des Herzens Grund, / dein
Wort macht Leib und Seel gesund.“
Damit das Ganze nicht nur Theorie bleibt, müssten wir uns jetzt
Zeit nehmen und in einer Art Seminar zusammensetzen. Jeder müsste
sich die für ihn entscheidenden Worte zusammensuchen und sie
vor sich hinlegen. Den Taufspruch vielleicht. Den Konfirmationsspruch.
Den Trauspruch. Die Losung für den Tag, den Wochenspruch, die
Jahreslosung.
Und dann müsste man jede und jeden für sich meditieren und
nachdenken lassen. Denn Gott hat für jeden anderen Botschaften
und hat mit jedem andere Wege. Wir müssten einander erzählen,
was dieses oder jenes Wort in uns anrührt und bewegt. Wir würden
hören, was andere dazu sagen und würden wieder neue Anstöße
bekommen. ...
Das können wir nicht. Aber ich lade Sie ein, das immer wieder
neu zu Hause zu probieren und Erfahrungen zu machen. Was sind die
nötigen Voraussetzungen und Umstände?
Hören braucht äußere Vorbereitung
Es gibt äußere Voraussetzungen: Damit einen solche Worte
der Bibel überhaupt erreichen und begegnen können, brauchen
sie Raum und Zeit. Wer angesprochen werden will, wer etwas hören
will für sein Leben, muss sich Zeit nehmen. Und er braucht einen
ungestörten Raum, einen Ort, wo ihn für eine Viertelstunde
einmal niemand stören kann. Ein Ort, der ein wenig hergerichtet
ist: mit einer brennenden Kerze vielleicht, mit einem Kreuz, mit einem
Bild.
Eine weitere wichtige äußere Voraussetzung: Wer von Gott
etwas hören will, braucht Stille. Die Konkurrenz der vielen anderen
Worte und Töne, der vielen Worte aus dem Medien, der allgegenwärtigen
Dudelmusik, erdrückt die leisen Botschaften Gottes.
Worte nur für mich
Und neben den äußeren Voraussetzungen braucht es auch innere:
Ich rechne damit, dass Gott mir wirklich persönlich etwas sagen
kann. Was ich lese, ist nicht nur ein Wort der Bibel, sondern ein
Wort Gottes. Ich nehme mir die Freiheit, dass die Worte der Bibel
nicht nur für die Menschen damals, sondern auch für mich
hier und heute geschrieben sind.
Ich rechne damit, dass sie, wie es in dem Abschnitt heißt, wie
Wasser für eine ausgedörrte Seele sein können. Wie
ein Lebensmittel für die Herausforderungen dieses Tages.
Ermutigung zu neuen Schritten
Und noch eine weitere innere Voraussetzung. Und vielleicht ist das
die schwierigste, ähnlich wie bei den Menschen damals in der
Verbannung: Es könnte durchaus sein, dass ein solches Bibelwort
einen beunruhigt und man nicht so bleiben kann, wie man ist. Es könnte
sein, dass es einen zu neuen Schritten ermutigt und herausfordert.
Ein jüdischer Weiser hat einmal im Blick auf das Exil gesagt:
„Das Schlimmste am Exil Israels war, dass sie gelernt hatten,
es zu ertragen.“ Also: Allzu schnell richten wir uns ein in
einer Lebenslage und trauen Gott nichts Neues und keine Veränderung
mehr zu.
Deswegen will ich Ihnen ganz bewusst noch einmal die Jahreslosung
aus Jesaja 43 zusprechen. Sie gehört ja auch in den weiteren
Zusammenhang des Predigttextes und ist ebenfalls an die Menschen im
Babylonischen Exil gerichtet:
„Gott spricht: Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt
wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?“
Dazu lade ich Sie ein: Dass Sie den Worten der Bibel etwas zutrauen
für Ihr Leben. Dass Sie immer wieder Raum und Zeit und Stille
zum Hören finden.
10 Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und
nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und
macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen, zu
säen, und Brot, zu essen, 11 so soll das Wort, das aus meinem
Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen,
sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu
ich es sende.
Amen |
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