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Die Predigt |
Der Heilige Geist
und der Weingeist
In der Wochenendausgabe der Tageszeitung stand eine kurze Erklärung,
was Pfingsten bedeutet. So etwas kommt selten vor. Es hat aber auch
seinen Grund: Die meisten wissen nicht mehr, was es mit diesem Fest
auf sich hat. Würde man eine dieser bekannten Zeitungs-Umfragen
in der Fußgängerzone durchführen, dann wüssten
vermutlich 9 von 10 Personen nicht, was an Pfingsten gefeiert wird.
Weihnachten: Da fällt auch unkirchlichen Menschen etwas ein.
Ostern: Da denken viele schon nur noch an den Osterhasen und an die
Ostereier. Aber Pfingsten? ... Und überhaupt: Heiliger Geist.
Was ist das für ein Geist? Dieses Wort hat in unserer deutschen
Sprache ja eine vielfältige Bedeutung. Ein Gespenst ist der Heilige
Geist nicht. Und so wie die Geister von Verstorbenen, zu denen man
angeblich Kontakt aufnehmen kann, ist er auch nicht. Auch nicht wie
der Geist in Wein oder Schnaps, auch wenn beide, der Geist Gottes
und der Weingeist, Menschen durchaus fröhlich machen können.
Wenn wir vom menschlichen Geist, vom Erfindergeist, vom Verstand reden,
kommen wir der Bedeutung schon ein wenig näher. Und wenn man
sagt, in einem Haus, in einer Firma, in einer Gemeinde herrsche ein
guter Geist, also ein gutes Miteinander, ein gutes Klima, dann sind
wir schon recht nahe an Gottes Geist und seinem Wirken.
Das Pfingstlied von Paul Gerhardt
Heiliger Geist ist da, wo Gott in Menschen und zwischen Menschen wirkt:
Frieden, Gemeinschaft, Erkenntnis, Mut, Vergebungsbereitschaft, aufeinander
hören, einander beistehen. So wie der elektrische Strom ist der
Heilige Geist nicht zu sehen, wohl aber an seiner Wirkung zu erkennen.
Was ist der Heilige Geist? Was bewirkt er? Das den Gemeindegliedern
weiterzusagen, war schon immer eine wichtige Aufgabe. Auch der Liederdichter
Paul Gerhardt, vor 400 Jahren geboren, hat sich dieser Aufgabe gestellt.
Mit Begriffen seiner damaligen Zeit hat er versucht, in seinem Pfingstlied
alles Wichtige zum Heiligen Geist in Worte zu fassen. Zum Jubiläumsjahr
also eine weitere Liedauslegung. „Zieh ein zu deinen Toren“
Nr. 133 im Gesangbuch. Wie könnte man den heutigen Namenstag
Paul Gerhardts, gestorben heute vor 331 Jahren, besser begehen, als
mit einem seiner Lieder.
In einer Predigt kann man nicht alle 13 Strophen auslegen. Ich beschränke
mich auf die ersten sieben, in denen das Wirken des Geistes beschrieben
wird. In den Strophen 8 bis 13 folgen dann konkrete Bitten um Gottes
Beistand. Wir werden sie an der Stelle des Predigtliedes singen.
Der Heilige Geist ist Gott selbst
1. Zieh ein zu deinen Toren, (die Älteren kennen noch
die alte Fassung: Zeuch ein zu deinen Toren) / sei meines Herzens
Gast, / der du, da ich geboren, / mich neu geboren hast, / o hochgeliebter
Geist / des Vaters und des Sohnes, / mit beiden gleichen Thrones,
/ mit beiden gleich gepreist.
Das ist eigentlich schon die Hauptfrage: Man kann die Frage „Was
ist der Hl. Geist?“ nicht so sehr theoretisch behandeln, sondern
man muss davon erzählen, wie man ihn persönlich erfahren
kann. So persönlich beginnt Paul Gerhardt: „Komm, Hl. Geist,
komm auch zu mir. So wie Jesus in die Tore Jerusalems eingezogen ist,
so zieh bei mir ein. Meine Herzenstür ist offen.“ So redet
Paul Gerhardt erst einmal von sich. Aber heimlich hofft er sicher,
dass wir, die Sänger seines Liedes, uns auch diese Bitte zu eigen
machen: Komm doch, Hl. Geist, und sei unser Gast. Vom Hl. Geist erfährt
man nur etwas, wenn man ihn an sich heran lässt, wenn man ihn
einlässt, wenn man für ihn offen ist.
Und dann gleich in dieser ersten Strophe, mit ganz kurzen Worten die
beiden wichtigsten theologischen Aussagen über den Hl. Geist:
Durch den Hl. Geist werden wir neu geboren. Und: Der Hl. Geist ist
Gott selbst. Das bezieht sich schon auf den nächsten Sonntag,
das Trinitatisfest, das Fest von Gottes Dreieinigkeit.
Nächsten Sonntag wird das Evangelium die Erzählung von Nikodemus
sein, dem Jesus sagt, er müsse neu geboren werden, wenn er Gott
wirklich finden will. Und weil er das missversteht, fragt er, wie
das gehen soll, dass man als Erwachsener noch einmal in den Leib seiner
Mutter kriechen soll, um ein zweites Mal geboren zu werden. Neu geboren
werden, aus dem Hl. Geist geboren werden, d.h. innerlich neu werden,
ein anderer Mensch werden.
Und das zweite: Der Hl. Geist ist eigentlich Gott selbst. Er ist „gleichen
Thrones“: So wie Gott bildlich gesprochen auf seinem Herrscherthron
sitzt, und Jesus seit der Himmelfahrt zu seiner Rechten, so auch der
Hl. Geist. Damit bringt Paul Gerhardt eine kurze Zusammenfassung dessen,
was wir vorhin im nicänischen Glaubensbekenntnis gesprochen haben:
„Wir glauben an den Heiligen Geist, / der Herr ist und lebendig
macht, / der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, / der mit dem
Vater und dem Sohn / angebetet und verherrlicht wird.“
Der Hl. Geist ist Gott selbst. Wenn der Hl. Geist, wirkt, dann wirkt
Gott. Warum unterscheiden wir dann beide überhaupt? Weil die
Bibel einen Unterschied macht, z.B. im heutigen Evangelium: Körperlich
verlässt Jesus seine Jünger, um zu seinem Vater zu gehen.
Doch der schickt ihnen den Hl. Geist, in dem Jesus weiterhin spürbar
anwesend ist.
Wir singen die erste Strophe des Liedes.
Wer es alleine schafft, braucht den Heiligen Geist nicht
2. Zieh ein, lass mich empfinden / und schmecken deine Kraft,
/ die Kraft, die uns von Sünden / Hilf und Errettung schafft.
/ Entsünd'ge meinen Sinn, / dass ich mit reinem Geiste / dir
Ehr und Dienste leiste, / die ich dir schuldig bin.
Noch einmal die Bitte: „Komm zu mir, Hl. Geist. Nimm Wohnung
bei mir.“ Nicht so sehr um das Denken, sondern um Erfahrung
geht es beim Hl. Geist. Erfahrung, oder mit den Worten Paul Gerhardts:
empfinden, schmecken, Kraft spüren.
Ich selber kann mir nicht helfen. Ich kann mir nicht selber Kraft
verschaffen. Ich kann mich nicht selbst erretten, kann mir nicht meine
Schuld selbst wegnehmen. Gott muss es tun. Aber ich muss es zulassen.
Ich muss ihn wirken lassen.
Das ist das, was alle nächsten Liedstrophen zusammenhält:
Der Hl. Geist wirkt da, wo mir etwas geschenkt wird, was ich nicht
aus mir selber kann. Wer in der Überzeugung lebt: „Das
schaff ich alles allein. Da brauch ich niemand.“, der kann vom
Hl. Geist nichts erfahren. Den Hl. Geist erfahren, kann nur, wer weiß
und zugeben kann, wo seine Grenzen sind, seine schwachen Seiten, seine
Lücken, seine Unvollkommenheit und Unfähigkeit. Den Hl.
Geist erfahren, kann nur, wer bereit ist, sich beschenken zu lassen.
Wir singen die zweite Strophe des Liedes.
Dem Tod keine Chance
3. Ich war ein wilder Reben, / du hast mich gut gemacht; / der
Tod durchdrang mein Leben, / du hast ihn umgebracht / und in der Tauf
erstickt / als wie in einer Flute / mit dessen Tod und Blute, / der
uns im Tod erquickt.
Ein Bild aus der Natur: Von sich, ohne Glauben und ohne den Beistand
des Hl. Geistes, wächst ein Mensch wie ein wilder Trieb. Wie
ein Wassertrieb an einem Obstbaum frech und ungezügelt in den
Himmel. „Was kost’ die Welt?“ Er muss beschnitten,
ja veredelt werden, damit er die richtige Richtung bekommt und dann
auch Frucht bringen kann.
Und noch einmal in anderen Worten: Von Haus aus und ohne den Glauben
ist der Tod unser Herr. Als Geschöpfe, vom Menschen geboren,
sind wir unweigerlich dem Tod verfallen. Aber neu geboren aus der
Taufe kann uns der Tod nichts mehr anhaben. Der Hl. Geist ist stärker
als der Tod, weil Jesus durch seinen Tod den Tod überwunden hat.
Wir singen die dritte Strophe des Liedes.
Unmittelbare Verbindung zu Gott
4. Du bist das heilig Öle, / dadurch gesalbet ist / mein
Leib und meine Seele / dem Herren Jesus Christ / zum wahren Eigentum,
/ zum Priester und Propheten, / zum König, den in Nöten
/ Gott schützt vom Heiligtum.
Wie Salböl wirkt der Hl. Geist. Im Alten Testament wurden Priester,
Propheten und Könige mit Öl gesalbt. Sie waren herausgehoben
vor allen anderen. Sie waren Gott näher als alle anderen. Sie
standen als Mittler zwischen Gott und den Menschen.
Seit Jesus gibt es dieses oben und unten, diese abgestufte Nähe
zu Gott nicht mehr. Alle sind Gott gleich nahe. Jeder von uns gehört
durch die Taufe unmittelbar zu Gott. Jeder ist sein Eigentum. Jeder
ist Priester, Prophet und König. Jeder hat Gottes Hl. Geist.
Jeder kann mit seinen persönlichen Nöten direkt zu Gott
kommen. Auf jeden von uns hat Gott ein Auge.
Wir singen die vierte Strophe des Liedes.
Sich einfach auch einmal gehen lassen
5. Du bist ein Geist, der lehret, / wie man recht beten soll;
/ dein Beten wird erhöret, / dein Singen klinget wohl, / es steigt
zum Himmel an, / es lässt nicht ab und dringet, / bis der die
Hilfe bringet, / der allen helfen kann.
Wieder dieses Thema, das alle Strophen zusammenhält: Der Hl.
Geist schenkt und macht möglich, was ich aus eigener Kraft nicht
kann
Wie soll ich recht beten? Was soll ich sagen? Wie finde ich die rechten
Worte? Wenn ich mich nicht verkrampfe, sondern einfach beschenken
lasse, dann wird der Hl. Geist zur rechten Zeit die rechten Worte
schenken.
Wenn ich beim Singen nicht dauernd denke: Kann ich das? Wie klingt
denn das? Was werden die anderen von mir denken? Wenn ich meine Scheu,
meine Angst und meine Verkrampfung ablege, dann wird mich der Hl.
Geist meinen Ton und meine Art zu singen finden lassen.
Wir singen die fünfte Strophe des Liedes.
Sich Freude schenken lassen
6. Du bist ein Geist der Freuden, / von Trauern hältst du
nichts, / erleuchtest uns im Leiden / mit deines Trostes Licht. /
Ach ja, wie manches Mal / hast du mit süßen Worten / mir
aufgetan die Pforten / zum güldnen Freudensaal.
Und wieder unser Thema: Der Hl. Geist schenkt, was ich nicht aus mir
selbst kann. Wer kann sich selber fröhlich machen? Wer kann sich
selber trösten? Wer kann sich selber ein Licht aufgehen lassen?
Wer kann sich selber die Pforten zum Himmel aufschließen und
die Nähe Gottes finden lassen?
Viel Trauer hat Paul Gerhardt erleben müssen, viel Leiden hat
er erlebt. Und doch konnte er freudige Lieder dichten, weil er sich
getröstet und getragen wusste. Oft war ihm der Himmel wie verschlossen
und der Zugang zu Gott versperrt. Und dann durfte er doch wieder neue
Freude erleben.
Wir singen die sechste Strophe des Liedes.
Wenn zwei wieder zusammenfinden ...
7. Du bist ein Geist der Liebe, / ein Freund der Freundlichkeit,
/ willst nicht, dass uns betrübe / Zorn, Zank, Hass, Neid und
Streit. / Der Feindschaft bist du feind, / willst, dass durch Liebesflammen
/ sich wieder tun zusammen, / die voller Zwietracht seind.
Und noch einmal das Thema: Der Hl. Geist schenkt, was ich nicht aus
mir selber kann. Wer schafft es, immer freundlich zu bleiben? Wer
schafft es, Zorn, Hass und Neid aus seinem Herzen zu verbannen? Wer
schafft es, immer in Frieden mit anderen zu leben, Streit zu schlichten
und zwei Nachbarn wieder zusammen zu bringen, die über den Gartenzaun
hinweg voller Zwietracht sind?
Immer, wenn uns das ein wenig gelingt, immer, wenn es einen solchen
Lichtblick und kleine Erfolge gibt, ist Gottes Hl. Geist am Werk.
Er will wirken. Wir dürfen ihm bloß nicht dauern im Wege
stehen.
Wir singen die siebte Strophe des Liedes.
Weil der Hl. Geist das alles kann, was Menschen nicht schaffen, folgen
jetzt noch sechs Strophen mit wichtigen entscheidenden Bitten. Sie
legen sich beim Aufmerksamen Hören und Singen selbst aus. Wir
singen sie und bitten damit Gott um seinen Beistand. |
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