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Die Predigt vom 24. Dezember 2007 (Heiligabend):
»Der hautnahe Gott«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Heiligen Abend. Sein Thema ist die Menschwerdung Gottes. Anlässlich des Paul-Gerhardt-Jahres stand sein Weihnachtslied „Ich steh an deiner Krippen hier“ im Mittelpunkt.
Predigttext
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Der Predigttext
(Liedtext siehe unten)
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Die Predigt
Weihnachten: Der hautnahe Gott

Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren und nicht einmal in dir, so wäre es dir nichts nütze.“ Worte von Johann Scheffler, einem der Liederdichter unseres Gesangbuchs. Angelus Silesius nannte er sich mit Dichternamen, „Schlesischer Engel“. Er gehörte zu einem Kreis schlesischer Mystikern. Mystiker waren und sind Menschen, die zu einem vertieften Glauben nicht über den Verstand und das Nachdenken kommen wollen. Sie suchen die Begegnung mit Gott eher über das Herz und das Gefühl. Sie suchen Gott durch Glaubenserfahrung, durch Stille und Versenkung.
„Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren und nicht einmal in dir, so wäre es dir nichts nütze.“ Also: Was hilft dir das Wissen oder der Glaube, dass Jesus vor ca. 2011 Jahren in einem Stall in Bethlehem geboren wurde, wenn es dich nicht ganz persönlich betrifft. Glaube lebt nicht von dem, was damals war, sondern was wir hier und heute erleben und erfahren. Ja, lässt sich Weihnachten überhaupt über den Verstand begreifen? Geht es nicht wirklich nur über das Herz? Dass der allmächtige Gott ein Mensch wird, dass der Schöpfer auf die Ebene seiner Geschöpfe hinuntersteigt, das ist einzigartig in allen Religionen dieser Welt. Es ist widersinnig und unlogisch für das philosophische Nachdenken. Es ist ketzerisch für die anderen Eingott-Religionen Judentum und Islam.
„Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren und nicht einmal in dir, so wäre es dir nichts nütze.“ In dir muss Christus geboren werden. Für dich kommt er auf die Welt. Dir will er nahe sein. Weihnachten – das ist Gott hautnah.

Der viel bekanntere Zeitgenosse von Angelus Silesius, nämlich der Liederdichter Paul Gerhardt, sagt es in einem seiner Weihnachtslieder in ganz ähnlichen Worten:
9. Eins aber, hoff ich, wirst du mir, / mein Heiland, nicht versagen: / dass ich dich möge für und für / in, bei und an mir tragen. / So lass mich doch dein Kripplein sein; / komm, komm und lege bei mir ein / dich und all deine Freuden.
Während Silesius sagt, Christus müsse in dir und mir geboren werden, möchte Paul Gerhardt den Heiland immer bei sich haben, ja er möchte die Krippe sein, in die sich der Heiland hineinlegt. Näher und enger geht es nicht.
400 Jahre Paul Gerhardt habe ich in diesem Jahr schon öfter zum Thema gemacht und möchte heute Abend zusammen mit Ihnen dieses sein vielleicht bekanntestes Weihnachtslied anschauen: „Ich steh an deiner Krippen hier.“ Die Nr. 37 im Gesangbuch.

Was könnte man dem Kind schenken?

1. Ich steh an deiner Krippen hier, / o Jesu, du mein Leben; / ich komme, bring und schenke dir, / was du mir hast gegeben. / Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn, / Herz, Seel und Mut, nimm alles hin / und lass dir's wohlgefallen.
Wie die Hirten und die drei Weisen steht Paul Gerhardt an der Krippe Jesu und bringt seine Geschenke. Er bringt das wertvollste, was er hat.
Es gibt schöne Geschichten, u. a. von kleinen Hirtenjungen damals auf dem Hirtenfeld, die sich überlegen, was sie dem Kind denn mitbringen könnten. Nichts erscheint ihnen wirklich angemessen für das göttliche Kind. Etwas, was einem wirklich am Herzen liegt, muss es sein. Etwas Wertvolles.
Es ist zwar nur eine theoretische, ja eine kindliche Frage, aber doch ein weihnachtliches Nachdenken wert: Was würde ich, ich persönlich, dem Kind in der Krippe schenken? Was würde ich mitbringen, von dem, was ich habe? ...
Paul Gerhardt gibt uns seine persönliche Antwort: Er bringt Geist und Sinn, Herz, Seele und Mut als Geschenk mit. Auf deutsch: Er bringt nicht irgendein Geschenk mit, sondern er bringt sich selber mit. Er schenkt Gott als Kind in der Krippe das zurück, was er selbst von Gott geschenkt bekommen hat: sein Leben mit Körper, Seele und Geist.
Wäre das nicht auch für unsere zwischenmenschlichen Geschenke ein guter Gedanke: Nicht so viele Sache und Dinge schenken, sondern mehr sich selbst?
Wir singen die erste Strophe des Liedes 37 „Ich steh an deiner Krippen hier“.

Wir sind gewollte Kinder

2. Da ich noch nicht geboren war, / da bist du mir geboren / und hast mich dir zu eigen gar, / eh ich dich kannt, erkoren. / Eh ich durch deine Hand gemacht, / da hast du schon bei dir bedacht, / wie du mein wolltest werden.
Was kann ich dir denn überhaupt schenken, was du mir nicht längst vorher schon geschenkt hättest, so fragt Paul Gerhardt.
Du, Gott, Schöpfer, hattest mich schon im Blick, als ich noch gar nicht geboren war. Du hast schon an mich gedacht, als meine Eltern mich noch gar nicht im Sinn hatten. Du hast ja zu mir gesagt. Du hast mich zu deinem Kind gemacht, als ich noch gar nicht auf der Welt war. Ich bin gewollt und geliebt.
Deswegen kann man nur unendlich traurig sein über alle die toten Kinder, von denen wir in diesem Jahr durch die Medien erfahren haben. Kinder, von Gott gewollt und von Gott bejaht, aber von Müttern und Vätern verneint und von Nachbarn übersehen.
Wir singen die zweite Strophe des angefangenen Liedes.

Die Weihnacht und die dunklen Nächte

3. Ich lag in tiefster Todesnacht, / du warest meine Sonne, / die Sonne, die mir zugebracht / Licht, Leben, Freud und Wonne. / O Sonne, die das werte Licht / des Glaubens in mir zugericht', / wie schön sind deine Strahlen!
Weihnachten bedeutet: Gott ist mir ganz nahe. Das hat Paul Gerhardt erfahren nicht nur, indem Gott ihm sein Leben geschenkt hat. Das hat er auch erfahren in all den Todesnächten, durch die er in seinem Leben hindurch musste.
1653, so kann man es unter dem Lied lesen, sind die Worte entstanden. Paul Gerhardt war auf seiner ersten Pfarrstelle in Mittenwalde in der Nähe Berlins. Von seinem späteren Schicksal, dass ihm vier Kinder und eine Frau sterben würden, wusste er noch nichts. Er hat erst zwei Jahre nach dem Lied geheiratet. Doch der schreckliche 30-jährige Krieg, den er von Anfang bis Ende miterlebt hat, war noch nicht lange vorbei. Früh Vollwaise geworden hat er das alltägliche Sterben durch Krieg, Hunger und Pest erlebt und auch Geschwister verloren.
In diesen Todesnächten hat er sich am Glauben, hat er sich an Gott festgehalten: Gott hat Licht und Leben, Freude und Wonne in sein Dunkel gebracht. Gott ist ihm zur Sonne des Lebens geworden. Sein Glaube hat ihn durchgetragen durch alle diese Zeiten.

Das ist Weihnachten auch heute noch, außerhalb von Dezember und Winter, außerhalb von rieselndem Schnee und klingenden Glöckchen, wenn ein Mensch in seinen Todesnächten Gott ganz nahe erfahren kann. Weihnachten für Erwachsene, das ist Gottes Nähe, die nicht von der Jahreszeit und vom Wetter abhängig ist.
Wir singen die dritte Strophe des angefangenen Liedes.

Weihnachten be-greifen?

4. Ich sehe dich mit Freuden an / und kann mich nicht satt sehen; / und weil ich nun nichts weiter kann, / bleib ich anbetend stehen. / O dass mein Sinn ein Abgrund wär / und meine Seel ein weites Meer, / dass ich dich möchte fassen!
Dass Gott mir nahe sein will, indem er mich von Anfang an gewollt hat, indem er das Licht in meinen Dunkelheiten ist, das ist nichts für meinen Verstand. Weihnachten begreifen, so Paul Gerhardt, heißt nicht begreifen mit dem Kopf, sondern begreifen mit den Augen und mit den Händen. Weihnachten begreifen und verstehen wollen, d.h. dastehen wie ein Kind vor seinen Geschenken. Mit offenem Mund und leuchtenden Augen. Weihnachten erleben wie ein Kind: Dastehen, staunen, sich satt sehen. Wenn ich Nähe Gottes wirklich begreifen wollte, dann müsste mein Verstand tief wie ein Abgrund und weit wie das Meer sein.
Dazu ist es nie zu spät: an Weihnachten wieder wie ein Kind werden. Nicht kindisch. Aber kindlich staunend.
Wir singen die vierte Strophe des angefangenen Liedes.

Weihnachten das ganze Jahr über

9. Eins aber, hoff ich, wirst du mir, / mein Heiland, nicht versagen: / dass ich dich möge für und für / in, bei und an mir tragen. / So lass mich doch dein Kripplein sein; / komm, komm und lege bei mir ein / dich und all deine Freuden.
Und am Ende geht Paul Gerhardt noch einen Schritt weiter: Wie wäre es, wenn das ganze Jahr Weihnachten wäre? Wenn ich Gottes Nähe immer spüren könnte, nicht nur phasenweise. Wenn Gott ganz eng und erfahrbar an meiner Seite bliebe. Wenn ich ihn wie die Krippe im Stall dauernd in mir tragen könnte.
Das ist ein tiefer Glaube, der letztlich kein Kirchenjahr mehr braucht: Ich suche und spüre die Nähe Gottes – nicht nur einmal im Jahr zu Weihnachten. Ich darf leben, so wie Christus lebt – nicht nur einmal im Jahr zu Ostern. Er schenkt mir seinen Geist – nicht nur einmal im Jahr zu Pfingsten. Ich bin von Herzen dankbar für das, was ich geschenkt bekomme – nicht nur einmal im Jahr zu Erntedank.

Weihnachten, das ist Gott hautnah. Er will mit uns zu tun haben. Mit dir und mit mir. Diese ganz persönliche Nähe Gottes unterscheidet uns Christen von allen anderen Weltreligionen. Wissen wir, was wir da für einen Schatz haben? Hoffentlich!

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de