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predigt[e].de

Die Predigt vom 25. Dezember 2007 (Weihnachten):
»Loslassen können«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging das Weihnachtsfest. Sein Thema ist die Menschwerdung Gottes. Evangelium (1. Lesung) ist die Weihnachtsgeschichte nach Lukas und Epistel (2. Lesung) die Botschaft des Paulus von der Menschenfreundlichkeit Gottes. Der Predigttext (s.u.) war ein Vers aus dem 2. Korintherbrief Kapitel 8:
Predigttext
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Der Predigttext
9 Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.
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Die Predigt
Partnerschaft in der Kirche

9 Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.

Kurz und bündig ist der Predigttext heute.
9 Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.
Das ist die Vorgeschichte und der Zusammenhang: Der Apostel Paulus war sich mit denen, die nach Jesu Tod in Jerusalem die Gemeinde geleitet haben, eins geworden, dass sie sich die Missionsarbeit teilen. Die Jerusalemer verkünden die Botschaft den Juden in Jerusalem und Umgebung. Er, Paulus, war sowohl jüdische als auch griechisch gebildet. Und er geht nun mit ihrem Einverständnis über die Grenzen Israels hinaus in den Mittelmeerraum, um auch den Nichtjuden von Jesus zu erzählen und sie zum Glauben einzuladen. Aber eins wird ihm ans Herz gelegt und er legt es sich auch selbst ans Herz: Die armen Gemeindeglieder in Jerusalem brauchen finanzielle Unterstützung. Deswegen sammelt Paulus auf allen seinen Missionsreisen dafür.
Eine Art Partnerschaft, wie sie unser Dekanatsbezirk nach Tansania hat. Jedes Jahr werden im Rahmen der „Medizinischen Notversorgung Tansania“ Medikamente in zwei Kliniken transportiert.
Oder auch die Partnerschaft der bayerischen Landeskirche mit der in Mecklenburg, die nach dem Krieg aufgebaut wurde. Alle Landeskirchen in den jetzigen neuen Bundsländern bekamen damals eine Partnerkirche, ohne deren Unterstützung sie materiell nicht hätten überleben können. Und diese Unterstützung ist auch heute noch nötig ist, wenn man bedenkt, dass in den neuen Bundsländern nur ca. 20 Prozent der Menschen in der Kirche sind und Kirchensteuer zahlen.

Solidarität nach dem Beispiel Jesu

Auf diese Partnerschaft mit den Mitchristen in Jerusalem, den älteren Brüdern sozusagen, weist Paulus in seinem Brief die Gemeindeglieder in Korinth hin. Korinth war damals eine Weltstadt, eine reiche Hafenstadt. Nach dem, was wir den beiden Briefen nach Korinth entnehmen können, gab es Reiche und Arme, gab es Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten in der Gemeinde.
Paulus schreibt: Befehlen will ich euch diese Solidarität mit den Jerusalemern nicht, aber es ist doch eine Prüfung, welchen Rang bei euch die Nächstenliebe einnimmt. Befehlen will ich euch nicht, doch dass Reiche den Armen etwas abgeben, das ist jesusgemäß. Wer es nicht tut, hat Jesus nicht verstanden:
9 Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.

Jesus kann loslassen

Jesus war „reich“ (in Anführungszeichen): Er war in der unmittelbaren Nähe Gottes. Er hätte bei Gott bleiben können, hätte sich aus den Problemen und aus dem Leid der Erde heraushalten können, hätte seine Ruhe haben können, aber er wird „arm“ um der Menschen willen: Er wird Mensch mit allen Konsequenzen und steigt in die tiefsten Tiefen menschlicher Existenz hinab. Er lässt alles fahren und krallt sich nicht daran fest. Ja, er kann sogar sein Leben loslassen.
Wenn schon Jesus so radikal loslassen kann, so müsstet doch ihr, sagt Paulus, von eurem irdischen Reichtum loslassen können denen zuliebe, die in Not sind.
Wenn wir hier in unserer Gemeinde für „Brot für die Welt“ sammeln oder für Tansania oder für die Diakonie oder für Menschen in der Ukraine, dann müsste das eigentlich unser tiefster Antrieb sein: Sich wie Jesus nicht festkrallen an dem, was wir haben, sondern dankbar geben aus der Erkenntnis heraus, dass wir hier in Deutschland im Vergleich zu anderen unendlich reich und gesegnet sind.
Und letztlich ist es ja auch dieser Gedanke, der hinter der Tradition des Schenkens am Weihnachten steht: Wir schenken, weil wir selbst von Gott Beschenkte sind.

Ein ketzerisches Bild von Gott

9 Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.
Jesus wird arm, damit wir reich werden. Das ist bei Paulus eine Art Weihnachtsbotschaft für Erwachsene. Weihnachten nicht mit den bekannten Worten von der Krippe, den Engeln, den Hirten. Eine Weihnachtsbotschaft für die, die bereit sind, ein wenig tiefer nachzudenken – was man der Gemeinde des 1. Feiertags durchaus zumuten kann.
Jesus wird arm: Im armen, bedrohten Kind in der Krippe steigt Gott auf unsere Stufe herab. Der Schöpfer gibt sich in die Hand seiner Geschöpfe und wird wehrlos und verletzlich. Das ist Lästerung für die Ohren anderer Religionen. An diesem Punkt werden wir weder mit dem Judentum noch mit dem Islam wirklich in ein fruchtbares Gespräch eintreten können. Und dieser Dialog der Religionen wird ja immer wichtiger, wenn es um den Frieden in der Welt geht, um die Bewahrung der Schöpfung und die Gefahr des Radikalismus und Extremismus, in der alle Religionen stehen.
Und es stimmt ja eigentlich auch: Hätten Menschen sich eine solche Religion ausgedacht, wo Gott ein Mensch wird und sich in die Hände der Menschen begibt, dann wäre das eine Frechheit gewesen, ja eine Lästerung. Ganz allein von sich aus hat Gott diesen Schritt getan. Sonst könnten wir nicht davon reden.

Warum wird Gott Mensch?

Und Gott steigt nicht auf die Stufe der Menschen herab aus lauter himmlischer Langeweile, aus Jux und Tollerei, weil er wieder mal einen Tapetenwechsel braucht, oder weil er wie mancher mittelalterlicher Herrscher einmal unerkannt aus nächster Nähe hören möchte, was seine Untertanen von ihm so denken.
9 Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen.
Nein, um seiner damaligen Zeitgenossen willen und um unsretwillen wird Gott ein Mensch. Warum? Warum haben wir das nötig? Es steht hier an dieser Stelle nicht direkt da. Aber wenn man bei Paulus nachliest, kommen verschiedene Motive infrage:
Gott wird ein Mensch, um uns zu zeigen, wie sehr wir ihm als seine Geschöpfe am Herzen liegen.
Gott wird Mensch und nimmt freiwillig das Kreuz auf sich, das eigentlich wir zu tragen hätten.
Gott wird ein Mensch, um uns mit sich selbst zu versöhnen. Weil Gott gesehen hat, dass wir zu stolz sind, den ersten Schritt zu tun, tut er von sich aus den ersten Schritt der Versöhnung. Jenen ersten Schritt, den eigentlich wir als die Beschenkten, die keine Ansprüche an ihn haben, tun müssten.
Gott wird ein Mensch, um uns zu zeigen, wie sehr wir als Menschen unserem Egoismus verfallen sind.
Gott wird ein Mensch, damit wir wie er zu Menschen werden und für andere da sind.

Nur staunen

Vielleicht hat das letztere von der Geldsammlung für Jerusalem her an dieser Stelle das größte Gewicht: Wenn wir als Reiche und von Gott Beschenkte loslassen und abgeben können, dann werden wir wahrhaft Menschen. Dann haben wir die Menschwerdung Gottes verstanden.
Auch hier gilt die vielleicht schon oft gehörte Deutung von Weihnachten: Gott wird Mensch, damit wir einander zu Menschen werden. Jesus hat vorgelebt, was wahres Menschsein bedeutet, damit wir in seine Fußstapfen treten.

9 Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.
Der Reiche wird arm, damit die Armen reich werden. Das ist, so haben es die Alten gesagt, so hat es Martin Luther betont, ein wunderbarer Tausch, ein „fröhlicher Wechsel“.
Wir können es nicht fordern. Wir haben es nicht verdient. Aus menschlicher Sicht können wir es nicht begreifen, sondern nur staunend zu Kenntnis nehmen.
4. Er wechselt mit uns wunderlich: / Fleisch und Blut nimmt er an / und gibt uns in seins Vaters Reich / die klare Gottheit dran, / die klare Gottheit dran.
5. Er wird ein Knecht und ich ein Herr; / das mag ein Wechsel sein! / Wie könnt es doch sein freundlicher, / das herze Jesulein, / das herze Jesulein!

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de