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Die Predigt |
Gottes Geist befreit
zum Leben
„Gottes Geist befreit zum Leben.“ So hieß einmal
das Motto eines Deutschen Evangelischen Kirchentags (Ruhrgebiet 1991).
„Gottes Geist befreit zum Leben.“ So möchte ich auch
den Predigttext zusammenfassen. So schreibt der Apostel Paulus an
seine Gemeinde in Rom:
„Das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus,
hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.
So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus
sind.“ (Römer 8,2+1)
Geist, Freiheit und Leben. Das sind die drei zentralen Begriffe. Und
ihnen gegenüber stehen drei gegensätzliche: Sünde,
Verdammnis und Tod. Um zwei verschiedene Arten des Lebens geht es
Paulus damit: Auf der einen Seite ein sinnvolles Leben, das wirklich
den Namen „Leben“ verdient. Ein Leben, von Gottes Geist
geprägt, der in die Freiheit führt. Auf der anderen Seite
ein Leben, das nur äußerlich Leben ist, aber innerlich
noch nicht aufgeblüht oder auch schon abgestorben.
Freiheit - Leben - Geist. Nach diesen drei Begriffen will ich gliedern:
... befreit ...
1. Stichwort: Freiheit. „Gottes Geist befreit zum Leben.“
Aber: Sind wir nicht frei? Haben wir bei uns nicht mehr Freiheit als
in vielen Ländern dieser Welt? Was meint Paulus mit Befreiung,
Befreiung zum Leben? Es geht um die Dinge, die uns am Leben hindern,
die uns vom Leben abschneiden. Oder wie unsere Sprache bildlich sagt:
Dinge, die uns gefangen nehmen.
Die Arbeit kann gefangenen nehmen, wenn sie nur von anderen diktiert
wird und zum Stress wird. Süchte und schlechte Gewohnheiten,
von denen man sich gerne lösen möchte und nicht kann. Auch
der heimliche Zwang, etwas darstellen zu müssen vor anderen,
der Zwang, seinen Nachbarn und Kollegen übertrumpfen zu müssen.
Finanzielle Abhängigkeit, in die man sich einmal gebracht hat,
mit dem Zwang über Jahrzehnte abzuzahlen, ohne dass etwas dazwischen
kommen darf. Oder auch die Abhängigkeit von der eigenen Vergangenheit:
Schlimme Erlebnisse und Verletzungen, die immer noch nicht verheilt
sind.
... zum Leben
2. Stichwort: Leben. „Gottes Geist befreit zum Leben.“
Aber leben wir nicht alle? Leben wir nicht ganz gut? Der Satz „Gottes
Geist befreit zum Leben.“ ja kann weiterhin nur dann richtig
sein, wenn das, was manche Menschen jetzt leben, sich nicht „Leben“
im eigentlichen Sinne nennen kann.
Dazu muss man wissen, dass die Bibel, wenn sie „Leben“
sagt, nicht einfach nur das äußere, das materielle Leben
meint. Äußerliches Leben ist für die Bibel noch nicht
Leben im eigentlichen Sinn. Die Bibel bohrt tiefer. Ja, sie geht so
weit, dass sie sagt: es kann jemand mitten in seinem Leben schon tot
sein, wenn jemand zwar lebt, aber doch nicht zufrieden und sinnvoll
lebt.
In diesem Sinn gilt der Satz „Gottes Geist befreit zum Leben“.
Er gilt für Menschen, die laut oder leise, die offen oder unterschwellig
nach dem wahren Leben fragen. Er gilt denen, die auf der Suche sind
nach mehr und nach wirklicher Freiheit.
Gottes Geist ...
3. Stichwort: Geist. „Gottes Geist befreit zum Leben.“
Was und wer ist Gottes Geist? Die Kernfrage des Pfingstfestes.
Wir verwenden das Wort „Geist“ im Deutschen ja in verschiedener
Bedeutung: Wir sprechen von Geist, wenn wir ein Gespenst meinen. Damit
hat Gottes Geist nichts zu tun.
Wir sprechen von Geist, wenn wir Intelligenz oder Vernunft meinen.
Auch das erfasst nicht recht, was Gottes Geist meint.
Wir reden aber auch manchmal davon, in einer Firma, einem Büro
oder auch in einer Familie herrsche ein guter Geist. Wir meinen damit
die Atmosphäre, das Klima, das was die Menschen treibt und bestimmt.
Da sind wir auf der richtigen Fährte: Wenn wir nach Gottes Geist
fragen, fragen wir nach dem Geist, der uns als Menschen treibt, nach
dem, was uns bestimmt, was uns Richtung und Ziel vorgibt. „Wes
Geistes Kind ist er?“ so fragt man manchmal etwas geschwollen.
Aber genau darum geht es.
Was treibt mich?
Was bestimmt mich? Was motiviert mich? Was treibt mich vorwärts?
Um diese Fragen geht es im Tiefsten, wenn es um Freiheit und Leben
geht. Jeder wird in seinem Leben von irgendetwas getrieben und bestimmt.
Und der erste Schritt für den, der das nicht wahrhaben will,
ist, sich dessen erst einmal bewusst zu werden.
Was treibt und bestimmt mich? Der Zwang zum Erfolg? Der Zwang, etwas
zu leisten, damit ich mir etwas leisten kann, damit andere sehen,
dass ich etwas bin? Ja nicht auf der Seite der Verlierer stehen?
Was treibt mich? Ein Ideal von Sportlichkeit oder Schönheit?
„In sein“ um jeden Preis?
Was treibt mich? Der Hunger nach Leben? Sich ja nichts entgehen lassen:
ferne Länder, Sonne, Meer, Autos, Frauen?
Liegt nicht in allen diesen Dingen die Gefahr, dass man nie satt wird?
Hat man das eine, lockt schon das nächste. Es gibt keine Grenze.
Es gibt letztlich keine Zufriedenheit.
Du musst niemandem etwas beweisen
„Gottes Geist befreit zum Leben.“ Gottes Geist, so sagt
Paulus, kann dich aus diesem Teufelskreis des „immer mehr“
und „immer neu“ und „immer besser“ befreien.
Gottes Geist löst alte Abhängigkeiten und baut nicht gleich
wieder neue auf.
Gegen den Zwang, etwas sein und darstellen zu müssen; gegen den
Zwang, dem Leben nachjagen zu müssen mit heraushängender
Zunge, steht das Bild, das Gott von dir hat: „Du bist schon
etwas. Du bist wertvoll in meinen Augen. Du musst dir und mir nicht
erst etwas beweisen.“
Wer sich von diesem Geist leiten lässt, wird frei von dem „immer
mehr“ und „immer besser“. Der darf aussteigen aus
den Zwängen, die er sich oder andere ihm auferlegen.
„Gottes Geist befreit zum Leben.“ Konsequenterweise müssen
wir ja jetzt auch fragen: Wie finde ich diesen befreienden Geist?
Wie komme ich in sein Kraftfeld?
Die Bibel antwortet darauf: Du hast diesen Geist eigentlich schon
lange. Mit deiner Taufe ist dir dieser befreiende und lebenschaffende
Geist geschenkt. Aber weil du bei deiner Taufe ein Säugling warst,
hast du davon nichts mitbekommen. Und als du dann größer
warst, hat es dir nie jemand so richtig erklärt, oder du hast
es nicht hören wollen.
So ginge es an diesem Pfingstfest also darum, sich dieses Geistes,
der mit der Taufe schon als Geschenk Gottes in uns ist, neu zu vergewissern.
Wir müssen ihn sozusagen aufzustöbern in der staubigen Dachbodenecke
unserer eigenen Lebensgeschichte, wo wir ihn achtlos haben liegen
lassen.
Freiheit wiederentdecken
Wie kann das gehen, mich auf diesen Geist, den ich eigentlich schon
habe, neu zu besinnen? Ich will es in einem Gleichnis sagen:
Es ist, wie bei einem Menschen, der ein Fahrrad sein eigen nennt,
das er seit vielen Jahren nicht mehr benutzt hat. Es ist noch da,
es funktioniert wohl noch leidlich, aber er hat sich lange nicht darauf
besonnen. Nun kommt er nach langen Jahren zur Überzeugung, er
solle um seiner Gesundheit und auch um der Umwelt willen doch öfter
das Auto stehen lassen und sich mit eigener Kraft fortbewegen. Er
nimmt das Fahrrad aus der Ecke, in der es lange stand, schaut es an
mit etwas zwiespältigen Gefühlen, setzt sich drauf, um loszufahren,
doch es kracht an allen Ecken und Enden, weil es ganz einfach über
lange Jahre keine Pflege hatte. Der Mann nimmt sich Zeit, richtet
das Fahrrad her, so gut er kann. Er macht einen neuen beherzten Versuch,
steigt auf, fährt los, schwankt links, schwankt rechts und landet
an der Garagenmauer. Schmerzlich stellt er fest, dass seine letzte
Fahrt halt doch schon lange her war.
Und nun kommt der springende und entscheidende Punkt: Schmeißt
der Mensch sein Fahrrad nun enttäuscht in die Ecke, um weiterhin
im alten Trott zu bleiben und mit dem Auto zu fahren, mit dem er vertraut
ist? Oder fasst er Mut, geduldig das wieder neu zu lernen, was er
schon einmal konnte, ohne Angst vor dem Lächeln des Nachbarn
über seine Fahrversuche?
Nehmen wir an, er findet diesen Mut und diese Geduld, und er lernt
wieder diese Freiheit kennen, die das Fahrrad in bestimmten Situationen
gegenüber dem Auto bietet: Auf einmal kann er gar nicht mehr
verstehen, wie er so lange Zeit ohne hat auskommen können.
Ähnlich ist es wohl auch mit den neuen Wegen, auf die uns Gottes
Geist locken will. Ähnlich ist es, wenn ein Mensch sich neu auf
die befreiende Kraft des Geistes Gottes besinnen will. Auch da sind
Hindernisse zu überwinden. Es gibt nicht den Erfolg auf Anhieb.
Man braucht Mut und Geduld. Man muss sich vielleicht mit dem Grinsen
oder dem Unverständnis von Freunden und Nachbarn über den
Menschen, der auf einmal fromm wird, auseinandersetzen. Doch am Ende
steht für viele die Frage, wie sie diese neugewonnene Freiheit
überhaupt so lange haben entbehren können.
„Das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus
Jesus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des
Todes. So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus
Jesus sind.“
Gottes Geist befreit zum Leben - und nie ist es zu spät dazu.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft,
bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen |
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