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predigt[e].de

Die Predigt vom 25. Dezember 2008 (Christfest):
»Eine Weihnachtsgeschichte für Erwachsene«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging das Christfest. Sein Thema ist die Menschwerdung Gottes. Evangelium (1. Lesung) war noch einmal die Weihnachtsgeschichte nach Lukas und Epistel (2. Lesung) die Menschenfreundlichkeit Gottes nach dem Titusbrief. Als Predigttext diente der Text für den 2. Weihnachtsfeiertag aus Johannes 1:
Predigttext
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Der Predigttext
1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. 2 Dasselbe war im Anfang bei Gott. 3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. 4 In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht ergriffen. 9 Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. 10 Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht. 11 Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. 12 Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, 13 die nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.
14 Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
Predigt
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Die Predigt
Die Weihnachtsgeschichte nach Johannes

Das ist die Weihnachtsgeschichte. Das ist eine Weihnachtsgeschichte. Die Weihnachtsgeschichte nach dem Evangelisten Johannes. Überraschend und fremd, wenn man die andere Weihnachtsgeschichte noch im Ohr hat. Eine Weihnachtsgeschichte ohne Ochs und Esel, ohne Maria und Joseph, ohne Engel. Eine Weihnachtsgeschichte, die – wäre sie die einzige gewesen – keinen Stoff für Krippenspiele und für die christliche Kunst hergegeben hätte. Eine Weihnachtsgeschichte, die sich auf den Kern, die sich auf das Notwendigste beschränkt: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit.“
Ja, Weihnachts-„geschichte“ ist für den Evangelisten Johannes überhaupt der falsche Ausdruck. Er erzählt keine Geschichte. Er sagt die Menschwerdung Gottes in einem Satz. Nicht eine Geschichte, eher ein Glaubensbekenntnis.

Der Kern der Botschaft

Für manche Christen ist das die treffendste und passendste Weihnachtsbotschaft: Alles Störende, alles Drumherum, alles, was vom Eigentlichen ablenkt, ist weg. Nichts Liebliches, nichts Idyllisches mehr, was den eigentlichen Inhalt verdunkelt und überdeckt. Eine Weihnachtsbotschaft, mit der die weihnachtlichen Geschäftemacher nichts anfangen können. Kein Fastfood, sondern Schwarzbrot des Glaubens, an dem man lang und geduldig kauen muss.
Eine Weihnachtsbotschaft also nicht so sehr für die Kinder, sondern für die Erwachsenen. Eine Weihnachtsbotschaft nicht so sehr für den Heiligabend mit den Erwartungen derer, die nicht so oft in die Kirche kommen und das Altgewohnte hören wollen. Eine Weihnachtsbotschaft – das hat man in der Geschichte der Kirche wohl richtig entschieden – für den zweiten Feiertag.

Der Evangelist Johannes schrieb damals für die Gebildeten, für die, die bereit waren, näher und tiefer nachzudenken. Damit setzt er die andere Weihnachtsgeschichte nicht außer Kraft. Er wertet sie nicht ab. Es spricht alles dafür, dass den Menschen, für die er sein Evangelium schreibt, die Geschichte des Lukas bekannt war. Und so braucht er nicht noch einmal alles zu sagen, sondern er kann sich auf den Kern beschränken. Und er sagt es anders.

Gott wird wirklich Mensch

Für die gebildeten Ohren seiner Zeit sagt er eine Provokation: Gott, das war für sie der Ferne, der Unberührbare. Der, der selbst keine Gefühlsregungen kennt, und der sich auch von menschlichen Regungen nicht erreichen lässt: weder von der Klage, noch vom Dank. Dass er sich mit den Menschen abgeben könne, mit menschlichen Sorgen beschäftigen, ja selbst gar Mensch werden, das war unvorstellbar. Und um dieses Unvorstellbare noch schärfer herauszuarbeiten, sagt Johannes nicht: Der ewige Gott wird ein Mensch. Sondern: Gott wird Fleisch. Noch deutlicher, noch provokanter konnte man es damals den Gebildeten nicht sagen.

Und auch bestimmte christliche Gruppen der damaligen Zeit kritisierte er damit, die vom griechischen Denken angesteckt meinten, das mit Jesus sei doch nicht wörtlich, sondern geistig zu verstehen: Jesus habe nur zum Schein menschliche Gestalt angenommen, habe nur zum Schein gegessen und getrunken, sei auch nur zum Schein gestorben, um dann wieder in seine himmlische Herrlichkeit zurückzukehren, sei also immer Gott gewesen und geblieben. Johannes dagegen:

Gott unterwirft sich den menschlichen Bedingungen

Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit.
Der ewige Gott wollte nicht nur mit den Menschen zu tun haben, wurde nicht nur einer von ihnen, sondern er wohnte und lebte unter ihnen. Er unterwarf sich den menschlichen Bedingungen. Er wurde ganz Mensch bis in die letzte Faser hinein. „Er wohnte unter uns" übersetzt Luther. Wörtlich steht da: „Er zeltete unter uns". Er hatte kein festes Haus, keine Bleibe unter den Menschen. Gott wird Mensch als ein Obdachloser, als ein Heimatloser, als ein Asylant. So dass nun ganz automatisch die Frage aufgeworfen wird: Wer gibt ihm Heimat? Wer öffnet ihm die Türen?

Wer Augen dafür hatte, sagt Johannes, der sah „seine göttliche Herrlichkeit als des eingeborenen Sohns vom Vater". Wer sich an der Niedrigkeit nicht störte, der konnte dahinter Gott selber entdecken. Wer sich an der Niedrigkeit nicht störte, der fand in ihm Gottes Nähe. Wer es aber für Unsinn und für ein Geschwätz hielt, dass der ewige Gott einer von uns wird, der fand Gott nicht, und der findet ihn auch heute noch nicht.

Eine Botschaft gegen alle Vernunft

Noch deutlicher ein paar Verse weiter vorne:
Die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Die ihn aber aufnahmen, denen gab er macht, Gottes Kinder zu werden.
Dass Gott ein Mensch wird und dir und mir Menschen nahe kommt: an Weihnachten sprechen das noch die allermeisten unter uns nach. An Weihnachten lassen sie es sich gefallen, verkleidet in die das Herz rührende Geschichte.
Doch Gott will auch für die 364 restlichen Tage unser Gott sein, von uns erkannt, von uns angenommen werden in seiner Niedrigkeit und Missverständlichkeit. Im Alltag wird es ernst. Da erkennt ihn die Welt nicht, sagt Johannes. „Welt", das sind in seiner Art zu reden, die Menschen, die Gott eigentlich nicht brauchen, die gut ohne ihn zurechtkommen.
Die aber sich an seiner Niedrigkeit nicht stören, erleben mit ihm Wunder über Wunder. Sie werden Gottes Kinder.

Diese Ablehnung Gottes durch viele noch einmal in anderen Worten:
Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht ergriffen.

Das ist eine Realität, mit der auch heute Glaubende leben müssen wie Johannes damals: Trauer, Verwunderung, ja manchmal Zorn darüber, wie manche Menschen den Gott, der ihnen doch das Leben schenken will, nicht erkennen. Wie sie den, der ihrem Leben Licht verleihen will, nicht annehmen, ja als Kinderkram ablehnen, über den sie eigentlich schon lange erhaben sind.

Eine Weihnachtsgeschichte für Glaubende

Ohne dass es hochmütig klingen soll, denn Hochmut steht uns nicht an: die Weihnachtsgeschichte des Johannes ist nicht eine für die Welt, für Hinz und Kunz, sie ist eine Weihnachtsgeschichte für die Glaubenden. Für die, wie Martin Luther sagte, die „mit Ernst Christen sein wollen".
Deswegen steht uns Hochmut darüber nicht an, weil es nicht unser menschliches Verdienst ist, wenn wir in diesem Jesus Gott selber erkennen dürfen. In der ihm eigenen verschlüsselten Sprache sagt es Johannes:
Gottes Kinder, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.
Wenn jemand den ewigen Gott in dem Menschen Jesus annehmen darf, Gottes Kind sein darf, dann steht das nicht in menschlicher Macht, sondern es ist allein Gottes Werk und Geschenk.

Nun haben wir uns Stück für Stück von hinten nach vorne gearbeitet in diesem Abschnitt ausgehend von der Weihnachtsbotschaft in Vers 14 „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns.“ Nun sind wir auch reif für die ersten Worte des Johannesevangeliums:
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.

Jesus war da, bevor er da war

Die Weihnachtsbotschaft für die Erwachsenen, für die, die tiefer nachdenken, für die griechisch Gebildeten der damaligen Zeit.
Und nur so sind auch diese ersten Worte des Johannesevangeliums zu verstehen: Davon handeln sie, dass der Jesus, in dem Gott ganz und gar Mensch, ja drastisch „Fleisch" geworden ist, dass dieser Jesus dennoch durch und durch Gott ist. Johannes sagt es mit einem Begriff der Gebildeten seiner Zeit: „Im Anfang war das Wort." übersetzt Luther. „Im Anfang war der Logos." steht hier mit einem griechischen Wort. „Logos", das konnte „Wort" heißen, aber auch „Vernunft", „Geist". Logos, das ist Jesus Christus, schon bevor er in diese Welt kommt. Er war schon da, als er noch nicht da war. Er war schon immer da, lebte für menschliche Augen verborgen in Gottes Welt, und kam dann zur Welt, zu unserer Welt.
Man braucht nur „Wort" durch Jesus Christus zu ersetzen, dann wird das Ganze ein wenig verständlicher: „Von Anbeginn der Welt an war Jesus Christus. Er war bei Gott, ja Gott war er. Alle Dinge sind durch ihn gemacht."

Gott will mit den Menschen zu tun haben

So wie am Anfang hätte es bleiben können, hat einmal ein Theologe gesagt. Gott hätte für sich bleiben können in seiner göttlichen Herrlichkeit. Er hätte sich nicht mit den Menschen abzugeben brauchen und hätte sich damit auch viel Ärger erspart. Freiwillig, aus freien Stücken, ganz ohne Zwang wollte er den Menschen nahe kommen und einer von ihnen werden. So will er verstanden werden und so sollen wir ihn verstehen.

Diese Weihnachtsbotschaft, diese auf den Kern reduzierte Botschaft – ohne die idyllische Geschichte außenherum – ist für das ganze Jahr bestimmt, nicht nur für die Weihnachtstage. Die kann man auch im Sommer hören:
Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. Die ihn aber aufnehmen, denen gibt er Macht, Gottes Kinder zu werden.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de