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predigt[e].de

Die Predigt vom 22. März 2009 (Lätare):
»Was die Kartoffel mit Jesus zu tun hat«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Sonntag Lätare („Freuet euch“). Sein Thema ist die Lebenshingabe (Jesu). Evangelium (1. Lesung) und gleichzeitig Predigttext (s.u.) war die Rede Jesu vom Weizenkorn und Epistel (2. Lesung) Worte des Paulus über das Trösten.
Predigttext
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Der Predigttext
20 Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest. 21 Die traten zu Philippus, der von Betsaida aus Galiläa war, und baten ihn und sprachen: Herr, wir wollten Jesus gerne sehen. 22 Philippus kommt und sagt es Andreas, und Philippus und Andreas sagen's Jesus weiter. 23 Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Zeit ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde. 24 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. 25 Wer sein Leben lieb hat, der wird's verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt haßt, der wird's erhalten zum ewigen Leben. 26 Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.
Predigt
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Die Predigt
Was die Kartoffel mit Jesus zu tun hat

Den größten Teil meiner Kindheit habe ich in einem kleinen Bauerndorf verbracht. Aus dieser Zeit sind mir noch viele Erinnerungen lebendig – vor allem schöne Erinnerungen. Was ich aber überhaupt nicht geliebt habe, und wovor ich mich durch den Verweis auf meine Hausaufgaben am liebsten gedrückt habe, war die alljährliche Kartoffelernte: Das dauernde Bücken. Die eintönige Arbeit. Die langen Felder, die kein Ende nehmen wollten. Und wenn eine Reihe zu Ende war, ging alles wieder von vorne los. Interessant waren für ein Kind nur die Brotzeiten oder das abschließende Kartoffelfeuer.

Doch ein Bild bleibt mir deutlich im Gedächtnis haften, und deswegen erzähle ich heute davon: Oft kam es vor, dass man inmitten dieses Häufchens neuer Kartoffeln noch die Reste der alten Saatkartoffel entdecken konnte. Schwarz, völlig ausgelaugt und nur noch aus der Schale bestehend. Wie eine tote Mutter inmitten ihrer Kinder.
Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.

Neues Leben durch das Sterben

Aus der Natur kennen wir dieses Geheimnis, dass nur durch das Sterben und Vergehen hindurch neues Leben entstehen kann. Weizenkörner werden in die Furche gelegt wie in ein Grab. Dadurch, dass sie keimen, ihre ganze Kraft hergeben und vergehen, entsteht aus ihnen ein Halm, dann eine Ähre und schließlich eine Menge neuer Körner. Das alte Korn ist im Boden nicht mehr zu entdecken.
Hätte Jesus in unseren Breiten gelebt und damals schon die Kartoffel gekannt, hätte er vielleicht sie zum Beispiel seiner Verkündigung gemacht.
Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.

Jesus, das Weizenkorn

Sich selbst hat Jesus mit diesem Weizenkorn gemeint: Er war Zeit seines Lebens für andere da. Er war da vor allem für die Ausgestoßenen, für die am Rande der damaligen Gesellschaft. An die Folgen für sich hat er nicht gedacht.
Und nun in Jerusalem weiß er: Es ist soweit. Es wird zur Entscheidung kommen. Die Austreibung der Händler und der Geldwechsler aus dem Tempel hat das Fass zum Überlaufen gebracht. An fünf Fingern kann er sich ausrechnen, was kommen wird. Aber er ist bereit, das Begonnene zu Ende zu führen. Er ist bereit, seinem Einsatz für die Menschen auch bis zum bitteren Ende treu zu bleiben.
Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.

Sich für das Leben einsetzen

Dass es neues Leben nur gibt, wenn Menschen bereit sind, Leben einzusetzen, Kraft und Zeit für andere herzugeben, das wissen wir auch aus dem Alltag. Denken Sie an die Mütter, die in den schweren Zeiten des vergangenen Jahrhunderts Kinder großgezogen haben. Wie viele von ihnen haben dabei ihre Kraft hergegeben, manche Frauen im Kindbett auch ihr Leben. Doch dadurch sind Kinder groß geworden und neues Leben ist entstanden.
Oder denken Sie an die verschiedenen Berufe, wo Menschen im Dienst des Menschen stehen: in den Krankenhäusern oder Heimen oder in der häuslichen Pflege. Leben gibt es nur, wo Leben investiert wird. Und manchmal führt die häusliche Pflege so weit, dass der Pflegende am Ende selber zum Pflegefall wird.

Interesse an Jesus

20 Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest. 21 Die traten zu Philippus, der von Betsaida aus Galiläa war, und baten ihn und sprachen: Herr, wir wollten Jesus gerne sehen.
Das Passafest hat Jesus und seine Jünger nach Jerusalem geführt. Aus der ganzen damaligen Welt kamen die Menschen zum Tempel. Einen Eindruck davon können wir vielleicht gewinnen, wenn wir heute Bilder der alljährlichen Wallfahrt nach Mekka sehen. Unter den Pilgern waren auch sog. Proselyten, Nichtjuden, die sich dem jüdischen Glauben angeschlossen hatten, ohne ganz Juden zu werden. Wegen der konsequenten Lebensweise oder auch, weil ihnen der Glaube an den einen Gott sinnvoller erschien als die griechische Vielgötterei. Wie es im griechischen Götterhimmel drunter und drüber ging, und wer da wann mit wem ..., kennen sie vielleicht aus den antiken Sagen.

Einige dieser nichtjüdischen Pilger möchten Jesus sehen. Sie interessieren sich für ihn, seine Lehre, seine Person. Sicher haben sich seine Taten wie ein Lauffeuer unter den Pilgern verbreitet. Als Mittelsmann soll einer der Jünger, Philippus, das Treffen arrangieren.
Und dann diese überraschende und geheimnisvolle Antwort:
Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.
Was hat diese Antwort mit der Bitte, ihn sehen zu dürfen, zu tun? Vielleicht ist da eine Brücke:
Es ist soweit, sagt Jesus. Es wird ernst. Jetzt zählt meine Person nicht mehr, sondern nur noch meine Aufgabe an den Menschen, nur noch meine Sendung. Ich bin nicht zu besichtigen, so wie man als griechischer Tourist die jüdischen Heiligtümer besichtigt. Wer sich wirklich und ehrlich für mich interessiert, der findet mich nur, wenn er mir auf meinem Weg nachfolgt. In seinen Worten:
26 Wer mir dienen will, der folge mir nach.

Sein Kreuz auf sich nehmen?

Dem Gekreuzigten, der sich nicht vor dem Leiden drückt und der sein Leben nicht krampfhaft festhält, nachfolgen. Wie könnte das aussehen?
Ich meine nicht, dass es darum geht, ihn einfach nachahmen. Es gibt Christen im fernen Osten, auf den Philippinen z.B., die sich bei Prozessionen mit Händen und Füßen an Kreuze nageln lassen, um dem Leiden Jesu ganz nahe zu sein. Oder amerikanische Christen ziehen in der Karwoche durch Jerusalem und spielen den Kreuzweg nach: mit Kreuz, mit Dornenkrone, mit Peitschen und Legionärskostümen, mit künstlichem Blut …
Ich denke, so meint es das Neue Testament nicht. Jesu Sterben und sein Eintreten für die Menschen waren einzigartig. Sie können nicht nachgeahmt oder wiederholt werden.
Auch die Beispiele aus der Geschichte, wo Menschen wirklich stellvertretend für andere ihr Leben gelassen haben, sind bewundernswert, aber doch nur unnachahmliche Einzelfälle. Ich denke z.B. an den katholischen Pater Maximilian Kolbe, der 1941 im KZ Auschwitz anstelle eines Familienvaters in den Tod ging.

Sich auf die Seite des Lebens stellen

26 Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein.
Vielleicht heißt Kreuzesnachfolge eher, dass wir aktiv auf der Seite derer stehe, die in unseren Fürbitten vorkommen: auf der Seite der Armen, der Obdachlosen, der Arbeitslosen, der perspektivlosen Jugendlichen, der Einsamen, der Traurigen, der Kranken, der Pflegebedürftigen, der Sterbenden.
Würde Jesus vielleicht uns ähnlich antworten wie im Blick auf die Griechen damals: das alles zur Kenntnis nehmen, darüber zu jammern und ein schönes Gebet dazu zu formulieren, das reicht nicht. Schaut, wo ihr gebraucht werdet, wo ihr nicht mehr länger vorbeisehen dürft, wo ihr euch engagieren müsst.

Sein Leben hassen?

Und dann dieser so hart klingende Satz:
25 Wer sein Leben lieb hat, der wird's verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird's erhalten zum ewigen Leben.
Wenn man die Erzählungen über Jesus anschaut, sieht man: Das kann keine allgemeingültige Aussage sein. Wie könnte der Jesus, der uns überall als der Liebhaber des Lebens beschrieben wird, der von seinen Kritikern als „Fresser und Weinsäufer" beschrieben wird, - wie könnte dieser Jesus aufrufen, sein Leben, sein von Gott, dem Schöpfer geschenktes Leben, zu hassen? Wenn heute jemand käme und sagen würde: „Ich hasse mein Leben." Dann dürfte man ihn nicht als konsequenten Nachfolger Jesu loben, sondern man müsste ihn umgehend zum Seelsorger und zum Arzt schicken.

25 Wer sein Leben lieb hat, der wird's verlieren; wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird's erhalten zum ewigen Leben.
Wo Martin Luther hier „hassen" übersetzt hat, – „wer sein Leben hasst" – steht im Griechischen ein Wort, das allgemein bedeutet „gering achten", „in der Reihenfolge der Werte weiter unten einordnen".
Und zum anderen: Im Johannesevangelium ist „Leben" und „Leben" zweierlei: Es gibt das äußere, das irdische, das biologische Leben. Und es gibt Leben in einem tiefen Sinn: erfülltes Leben, gelingendes Leben, im Johannesevangelium als „ewiges Leben" bezeichnet. „Ewiges Leben" also nicht zeitlich verstanden als Leben ohne Ende oder Leben am Ende erst nach dem Tod. Sondern gelingendes, sinnvolles Leben schon hier und heute. Insofern aber auch ewig im zeitlichen Sinne, dass es ein Wert und ein Schatz ist, dem auch der Tod nichts anhaben kann.
Freier übersetzt also dieser Satz mit meinen Worten: „Wem das äußere Leben, das äußere Wohlergehen wichtiger ist als alles andere, wer nur dafür sorgt, dass es ihm selbst gut geht, der kann darüber das eigentliche Leben verlieren. Wer aber äußeres Leben und Wohlergehen nicht als das Wichtigste ansieht, der kann darüber das eigentliche, das gelingende Leben finden."

Ins Leben investieren

Zurück zum Ausgangsbild von der Kartoffel und vom Samenkorn: Sein Leben und seine Kraft krampfhaft festhalten und für sich behalten, das ist wie eine Saatkartoffel, die nicht in die Erde gelegt wird. Sie bliebe zwar am Leben, aber am Ende würde sie nutzlos vertrocknen und ihr Dasein verfehlen. Genauso auch ein Saatkorn.
Aber ein tröstliches Geheimnis ist da doch: Man hat Samenkörner gefunden in ägyptischen Gräbern, die haben jetzt nach 3.000 Jahren noch zu keimen begonnen.
Heißt das nicht, dass es bei keinem Menschen und in keinem Leben zu spät ist, dieses Hergeben und Loslassen nach Jesu Vorbild zu lernen und zu beginnen? Wer sich auf diesen Weg macht, wer bereit ist, herzugeben und loszulassen, an Kraft, an Zeit, an Liebe, der erlebt dann auch dieses Geheimnis, wie er dadurch nicht ärmer, sondern reicher wird. Gott sei Dank.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de