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Die Predigt vom 11. April 2010 (Quasimodogeniti):
»Nicht über den Verstand, nur über die Erfahrung«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Sonntag Quasimodogeniti. Sein Thema ist die neue Schöpfung durch Ostern. Evangelium (1. Lesung) war die Erzählung vom ungläubigen Thomas und Epistel (2. Lesung) die Botschaft des Petrusbriefs von der neuen Schöpfung. Als Predigttext dieses Sonntags (s.u.) wurde der Abschnitt der 5. Predigtreihe gewählt:
Predigttext
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Der Predigttext
9 Als aber Jesus auferstanden war früh am ersten Tag der Woche, erschien er zuerst Maria von Magdala, von der er sieben böse Geister ausgetrieben hatte. 10 Und sie ging hin und verkündete es denen, die mit ihm gewesen waren und Leid trugen und weinten. 11 Und als diese hörten, dass er lebe und sei ihr erschienen, glaubten sie es nicht. 12 Danach offenbarte er sich in anderer Gestalt zweien von ihnen unterwegs, als sie über Land gingen. 13 Und die gingen auch hin und verkündeten es den andern. Aber auch denen glaubten sie nicht. 14 Zuletzt, als die Elf zu Tisch saßen, offenbarte er sich ihnen und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härte, dass sie nicht geglaubt hatten denen, die ihn gesehen hatten als Auferstandenen.
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Die Predigt
Die Bibel beschönigt nichts

Solche Worte bestärken mein Zutrauen in die Zuverlässigkeit der biblischen Überlieferungen. Nachdem die Jesusgeschichten ja erst einmal über 40 Jahre nur von Mund zu Mund weitererzählt und nicht aufgeschrieben wurden, muss man damit rechnen, dass manches auch ein wenig ausgeschmückt und verändert wurde. Da hätten ja auch unbequeme Wahrheiten für die Nachwelt geschönt werden können.
Aber nein, man hat das Versagen der Jünger nicht beschönigt und verschwiegen: die Verleugnung des Petrus, die schlafenden Jünger im Garten Gethsemane, den Kleinglauben und die Angst bei Seesturm. Das ist für mich Evangelium. Das ist gute Botschaft insofern, dass wir uns auch heute mit unserem Versagen und unserem Kleinglauben in den Evangelien wiederfinden können. Eine schonungslose Ehrlichkeit prägt auch diese Zusammenfassung des Markus von den Osterereignissen. Ein Begriff begegnet gleich viermal und bestimmt den Inhalt: Unglaube. Die Jünger glauben der Maria Magdalena ihre Begegnung mit dem auferstandenen Jesus nicht. Ebenso ergeht es den beiden Emmausjüngern, als sie erzählen. Und dann heißt es von Jesus, er schalt ihren Unglauben, dass sie denen nicht glaubten, die ihn als den Auferstandenen gesehen hatten.

Der Unglauben der engsten Jünger

Unglauben. Das ist einzigartig im Mund Jesu seinen Jüngern gegenüber. Von Kleinglauben ist sonst höchstens die Rede, z.B. in der Erzählung vom Seesturm.
Aber es ist ja nun einmal unglaublich, was den Jüngern hier berichtet wird. Ohne es mit eigenen Augen gesehen zu haben, wird ihnen zugemutet zu glauben, dass der, den sie vor erst zwei Tagen am Kreuz haben elend sterben sehen, anderen leibhaftig begegnet sei. Versuchen wir, uns hineinzuversetzen in ihre Gefühle:
Eine Woche zuvor noch hatten sie geschrieen: „Hosianna dem Sohne Davids. Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn." Wie einen König hatten sie ihn empfangen. Sicher hatten einige gehofft, sie würden nun unter seiner Führung die Römer aus dem Land jagen. Auf dem Weg nach Jerusalem wollten zwei der Jünger schon die beiden wichtigsten Ministerposten unter sich ausmachen, als sie fragten, wer ihm in seinem Reich zur Rechten und wer zur Linken sitzen werde. Und dann stirbt er und mit ihm alle ihre Hoffnungen. Er stirbt den Verbrechertod an einem römischen Kreuz, die schändlichste und entwürdigendste Todesart, die sich ein Jude vorstellen konnte. Wenn er wirklich der Messias gewesen wäre, so meinten viele, hätte ihn Gott spätestens da spektakulär retten müssen.
Und dann kommt diese Maria Magdalena und sagt, sie habe ihn lebendig gesehen. Erstens war sie eine Frau, und Aussagen von Frauen zählten damals nicht – auch nicht vor Gericht. Zweitens hatte sie Jesus sehr gern gehabt. Gott weiß, was Liebende in ihrem Schmerz so alles sehen. Drittens hatte ihr Jesus damals sieben böse Geister ausgetrieben, sie also von einer schweren psychischen Krankheit geheilt. Vielleicht war sie nun wieder verrückt geworden. „Und als sie es hörten, glaubten sie ihr nicht.“
Genauso ging es den beiden Männern, als sie den Jüngern von ihrer Begegnung mit Jesus berichten. Es steht nicht hier, aber man denkt sofort an die beiden Emmausjünger aus dem Evangelium vom Ostermontag, die aus Enttäuschung in ihr Dorf zurückgehen. Jesus begegnet ihnen unterwegs. Sie erkennen ihn nicht. Und er erklärt ihnen auf dem Weg anhand der Bibel, weswegen das alles so hat kommen müssen, und dass der Messias gerade, indem er leidet und sein Leben für andere hingibt, der Retter ist. Aber auch diesen beiden können die enttäuschten Jünger nicht glauben. Obwohl das nun auch gerichtsfest war – so könnte man hinzufügen – denn sie bezeugten es zu zweit und sie waren Männer.

Die Auferstehung und das allgegenwärtige Tod

Worte allein haben offenbar im Blick auf die Auferstehungsbotschaft keine Kraft. So etwas glaubt man nur, wenn man es mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört hat. Ja, noch mehr: man glaubt es erst, wenn man es wie der sog. ungläubige Thomas erst handgreiflich hat wirklich fühlen und spüren dürfen.
Geht es uns heute denn wirklich anders? Die Rede von der Auferstehung gehört zwar zu den Grundfesten unseres christlichen Glaubens, ist aber für viele Zeitgenossen gleichzeitig auch der größte Stolperstein. Die Gründe dafür sind heute andere als damals: Heutige Menschen stoßen sich nicht mehr wie die Jünger damals am schändlichen Kreuzestod. Das Kreuz ist eher zum alltäglichen und normalen Zeichen geworden, zum Schmuck, der niemand mehr stört.
Die Auferstehungsbotschaft muss sich bewähren im Blick auf die Fragen der Naturwissenschaft, der Naturgesetze und der Vernunft.
Die Auferstehungsbotschaft muss sich bewähren im Blick auf die alltägliche Lebenserfahrung, dass der Tod endgültig ist
Die Auferstehungsbotschaft muss sich bewähren gerade in einer Woche wie dieser mit ihren ganz anderen Botschaften vom Tod der drei Soldaten in Afghanistan und vom Flugzeugabsturz vor Katyn.

Dem Auferstandenen persönlich begegnen

Zurück zu den enttäuschten und ungläubigen Jüngern damals: Das einzige, was ihren Unglauben überwinden konnte, war nicht die unglaubliche Botschaft anderer, sondern war die persönliche Begegnung mit dem Auferstandenen. Jesus selber musste sich ihnen zu erkennen geben und musste ihnen die Augen öffnen.
Und gilt nicht auch das genauso für uns: Zweifel an seiner Auferstehung kann nur der Auferstandene selbst bei uns beheben, indem er uns im Glauben begegnet und sich uns zu erkennen gibt – wie den beiden Emmausjüngern oder dem Thomas.

Da hilft auch das sog. Turiner Grabtuch nichts, die – wie man gerne sagt – wichtigste Reliquie der Christenheit. Dieses Leinentuch, auf dem in Negativform Körper, Angesicht und Wunden eines Gefolterten und offenbar Gekreuzigten zu sehen sind. Seine Entstehung und sein Alter lassen sich immer noch nicht eindeutig begründen. Doch egal, was neue wissenschaftliche Untersuchungen auch bringen mögen, es wird immer nur eine Krücke für den Glauben bleiben können: Für den Glaubenden vielleicht eine Hilfe. Für den Nichtglaubenden weiterhin kein Beweis.

Wie begegnet man dem Auferstandenen?

Nicht über den Verstand, nicht über die Wissenschaft, sondern nur über die Erfahrung, nur über das Herz geht es offenbar. Wie kann eine solche Begegnung mit dem auferstandenen und lebendigen Herrn aussehen?
Bei dem einen vielleicht durch ein einschneidendes Erlebnis auf dem Lebensweg: Gesund geworden von einer schweren Krankheit. Bewahrt geblieben bei einem Unglücksfall.
Bei dem anderen vielleicht im Gebet: Wenn mir auf einmal eine feste Gewissheit ins Herz geschenkt wird, dass er mich erhört hat.
Bei dem weiteren vielleicht in der Stille der Meditation, wo ich mich Gott auf einmal so nahe fühle wie noch nie.
Oder vielleicht in einem Bibelwort oder einem Losungswort, das genau in meine Lebenssituation passt, so als wäre es heute ganz allein für mich ausgesucht.

... z. B. im Abendmahl

Und dann vielleicht im Abendmahl. Diese letztere Art und Weise, den lebendigen Herrn zu erfahren, wird hier im Text angedeutet: Jesus zeigt sich den Jüngern, als sie zu Tisch sitzen. Gewiss haben sich die Jünger beim gemeinsamen Essen an diesem Sonntag damals an das letzte Mahl mit Jesus erinnert, das sie am Donnerstag zuvor noch feierten. Gewiss haben sie sich an seine Worte erinnert: „Dies ist mein Leib." Also: "Das bin ich, wie ich leibe und lebe. Ich bin mitten unter euch."
Genauso heißt es ja auch in der Erzählung von den Emmausjüngern, dass Jesus von ihnen erkannt wurde, als er ihnen das Brot brach. Offenbar ist das Abendmahl ein ganz besonderes Einfallstor für unsere Erfahrung des Auferstandenen.
Darauf wollen wir uns verlassen, wenn wir anschließend feiern. Wir vertrauen darauf, dass Christus auf eine verborgene, unseren fünf Sinnen nicht greifbare Art und Weise leibhaftig unter uns ist. Nehmen Sie ihn doch beim Wort. Bringen Sie im Abendmahl alles mit nach vorne, was Sie an Sorgen und Nöten und an Zweifeln und Fragen belastet. Bitten Sie, dass er Sie seine Nähe spürbar erfahren lässt und Sie diese Nähe mitnehmen dürfen in Ihren Alltag. „Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben." Amen

Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de