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Die Predigt vom 11. Januar 2004 (1. Sonntag nach Epiphanias):
»Gegen den Strom«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 1. Sonntag nach Epiphanias. Sein Thema ist die Taufe Jesu und die Aufgabe der Getauften in der Welt. Evangelium dieses Sonntags ist die Matthäusfassung der Taufe Jesu. Epistel und Predigttext (s.u.) war ein Abschnitt aus Römer 12:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
1 Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. 2 Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.
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Die Predigt

Gegen den Strom schwimmen

Es gab einmal ein pfiffiges Wahlplakat. (Die Partei nenne ich nicht, damit ich nicht aus Versehen mit ihr in Verbindung gebracht werde.) Auf dem Plakat waren eine ganze Reihe Fische zu sehen, verschiedenfarbige Fische in schönem blauem Wasser. Rote Fische vor allem, aber auch grüngetupfte und schwarzgetupfte. Und alle schwimmen sie brav in dieselbe Richtung. Ein Fisch aber – er war gelb – schwimmt genau in die andere Richtung. Und daneben stand: „Einer muss es ja tun.“
Eigentlich müsste dieser Fisch ein sattes und leuchtendes Kirchenviolett haben: Gegen den Strom schwimmen. Nicht überall mitmachen. Nicht
jeder Mode hinterher laufen. Nicht dauernd braver Ja-Sager sein. Das hat die Christen, das hat die christliche Kirche schon immer ausgezeichnet. Ist es auch heute noch so? Ist es auch bei uns so? Darüber wäre nachzudenken.
Auch Pfarrer müssen sich die Frage immer wieder stellen: Wenn einer beliebt ist, hat es dann vielleicht gar damit zu tun, dass er überall dabei ist und überall mit dem Strom schwimmt. Und wenn über einen geklagt wird, hat er dann vielleicht gerade das Richtige getan, das was von ihm zu erwarten wäre, dass er gegen den Strom geschwommen ist und den Finger in die Wunde gelegt hat?

Jesus schwamm gegen den Strom

Im Evangelium des heutigen 1. Sonntags nach Epiphanias war von der Taufe Jesu die Rede. Sie war sozusagen seine öffentliche Beauftragung zu seinem Wirken. Und ganz gewiss war Jesus einer, der damals gegen den Strom geschwommen ist. Die Kraft dazu bekam er durch den Heiligen Geist. Der Wochenspruch redet davon, dass wir alle als Getaufte den Heiligen Geist haben, uns aber auch von ihm antreiben und anleiten lassen sollen. Und wenn wir genau hinhören würden und weniger Angst hätten, ich glaube, Gottes Geist würde uns öfter gerne in eine andere Richtung ziehen.


Die kleine Gemeinde in Rom

Worte aus dem Römerbrief sind uns heute aufgegeben. Also Worte aus einem Brief des Apostels Paulus an die Christen in Rom im 1. Jhd. nach Christus. Eine kleine christliche Gemeinde mitten in einer großen Weltstadt mit pulsierendem Leben, mitten in einer heidnischen Umwelt. Sie wird nur am Leben bleiben, wenn sie sich nicht dieser Umwelt anpasst und andient.
Sie muss Profil entwickeln nach innen und nach außen.

Paulus beginnt seinen Brief, indem er in den ersten Kapiteln die Menschen beschreibt, wie sie nun einmal sind. Jeder kann sich wiederentdecken, wenn er will. Er schreibt von den Fehlern, vom menschlichen Eigensinn und wie man Gott nur selten braucht. Und dann ab Kapitel drei die gute Botschaft von dem Gott, der den Menschen trotzdem nicht einfach fallen lässt. Der dem Menschen nachgeht mit viel Geduld. Der um jeden einzelnen wirbt, so wie jemand mit Geduld und Ausdauer.
Aber dann nach den guten Nachrichten auch, dass man nicht so einfach vor sich hin leben kann. In elf von fünfzehn Kapiteln (man bedenke das Verhältnis) gute, tröstende Botschaft, und dann von Kapitel 12 an: Gott möchte auch etwas von dir. Der Gott, der dir nachgeht, dem du nicht gleichgültig bist, der dir treu ist, der möchte auch etwas von dir. Mit den Worten Martin Luthers klingt es so:

1 Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. 2 Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.

Ermahnung ohne Zeigefinger

Das Ganze Satz für Satz und Wort für Wort: "Ich ermahne euch." So steht es fast wie eine Überschrift über diesen letzten Kapiteln des Briefes. Wenn ich jemand gern habe, schließt das ja nicht aus, dass ich ihm auch sage, wo es lang geht. Ermahnung in diesem guten Sinn hat jeder von uns nötig. Sie ist nicht böse gemeint, sondern gut. Sie will das Leben nicht hindern, sondern will es fördern. Sie will nicht die Freude nehmen. Sie will nicht den Willen aufzwängen. Sie zeigt die Grenzen, da wo jemand die Grenzen nicht mehr sieht. Sie sagt halt, wo jemand am Abgrund steht. Sie zeigt den Weg, wo jemand orientierungslos ist. Solche Ermahnung in einem guten Sinne braucht auch ein Christ. Und wenn Paulus mahnt, dann nicht als Oberlehrer. Kritik kommt nur an, wenn man merkt, dass der andere es gut mit einem meint.

Gott will nicht die Gabe, sondern den Geber

Wozu ermahnt Paulus nun? "Ich ermahne euch, liebe Brüder (Ich füge hinzu: liebe Schwestern), dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist."

Opfer - alle Religionen kennen Opfer. Sie sind von Hause aus dazu da, Gott gnädig zu stimmen, Gott zu besänftigen. Man macht auf "gut Wetter". Man schmiert ihm Honig ums Maul, damit er einem gibt, was man möchte. Die Juden opferten Tiere. Andere opferten Feldfrüchte. Die östlichen Religionen wohlriechende Dinge wie Weihrauch. Ja, manche alten Kulturen opferten auch Menschen.
Und nun Paulus: Gott will nicht eure Gaben, sondern er will euch selbst. Er will nicht die Gaben, sondern den Geber: "Dass ihr eure Leiber, also euch selbst mit Haut und Haaren, mit Kraft und Zeit hingebt als ein Opfer." Den ganzen Menschen möchte er: Die Bekehrung des Herzens und die Bekehrung des Geldbeutels. Einen Christen "mit Herzen, Mund und Händen". Man soll es Menschen ansehen können, man soll es an ihrem
ganzen Wesen abspüren können, dass sie ein Christ sind. Reden und Handeln, Tun und Lassen, Worte und Taten sollen davon zeugen.

Gottesdienst am Sonntag und im Alltag

"Das sei für euch der wahre Gottesdienst." Gottesdienst ist also nicht nur sonntags zwischen halbzehn und halbelf, sondern auch während der Woche als Dienst an Gott und am Menschen: auf der Arbeit, im Büro, in der Schule, in der Familie, in der Ehe, im stillen Kämmerlein.
Als den "wahren Gottesdienst" bezeichnet das Paulus sogar. Vielleicht deswegen, weil es da im Alltag ernst wird. Am Sonntagvormittag kann man hier sitzen und zu allem brav nicken. Aber damit hat sich noch nichts getan. Der wahre Gottesdienst unter der Woche. Das ist vielleicht Wasser auf die Mühlen derer, die sagen: "Den Gottesdienst brauche ich nicht. Das ist nicht meine Art. Christ sein kann man auch ohne Gottesdienst. Dort sind eh nur die Heuchler." – Sie wissen, dass das nicht stimmt.
Beides wirklich ernst nehmen, das wäre es: Den Gottesdienst am Sonntag, in dem man sich Kraft und Inspiration holt für den Gottesdienst im Alltag.

Gegen den Strom

Paulus wird noch konkreter: "Stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern erneuert euch durch Erneuerung eures Sinnes." Macht nicht alles nach, was andere euch vormachen. Schwimmt, wenn es nötig ist, auch einmal gegen den Strom. Denn, so sagt es ein Sprichwort hintergründig, nur der kommt an die Quelle, der gegen den Strom schwimmt.
Stellt euch nicht dieser Welt gleich: Den Mut haben, nicht mitzumachen, wo ein hilfloser Lehrer oder Mitschüler geärgert wird. Den Mut haben zu widersprechen, wenn über andere Menschen getratscht oder ihnen auch die Ehre abgeschnitten wird. Den Mut haben, nicht mitzugeifern, wenn am Stammtisch oder beim Kaffeekränzchen gegen "die Politiker" oder "die
Kirche" das Wort erhoben wird. Den Mut haben, nicht mitzulachen, wenn im Betrieb, Büro oder Verein schlüpfrige Witze erzählt werden.
"Erneuerung des Sinnes", wie es Paulus ausdrückt, ist manchmal gefordert: Einsehen, dass etwas nicht gut war. Einsehen, dass es so nicht bleiben kann. Eine alte, eine ungute Gewohnheit aufgeben.

Erst denken, dann handeln

"Damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene."
Der macht Fortschritte im Glauben und Leben, der nicht immer erst hinterher prüft, wenn er etwas getan hat, und dann über die Folgen erstaunt ist, sondern, wer lernt, schon vorher zu prüfen.
In einem Wirtshaus habe ich einmal den Spruch über der Tür gelesen: "Vor Inbetriebnahme des Mundwerks Gehirn einschalten." Was wird, wenn die Zunge gelöst ist, nicht alles geredet. (Und das betrifft nicht nur ein Wirtshaus, sondern jede gesellige und feuchtfröhliche Zusammenkunft.) Wenn man unerkannt ein Tonband mitlaufen ließe, würde sich vielleicht mancher, der sich hinterher hören kann, über sich selber wundern und womöglich auch rote Ohren bekommen.
Überlegt euch, sagt Paulus, ob das, was ihr sagen oder tun wollt, gut ist. Gut nicht nur für euch, sondern auch für andere. Überlegt euch, was vollkommen ist, d.h. was wirklich Qualität hat, was Sinn hat, Niveau. Und was dann bei dieser inneren Prüfung durchfällt, das behaltet lieber für euch und sprecht es nicht aus. Das wäre Gottesdienst, sagt Paulus, Gottesdienst mitten im Alltag, weil damit Gott und den Menschen gedient wäre.

Lass uns in deinem Namen, Herr, die nötigen Schritte tun.
Gib uns den Mut, voll Glauben, Herr, heute und morgen zu handeln.

Lass uns in deinem Namen, Herr, die nötigen Schritte tun.
Gib uns den Mut, voll Liebe, Herr, heute die Wahrheit zu leben.

Lass uns in deinem Namen, Herr, die nötigen Schritte tun.
Gib uns den Mut, voll Hoffnung, Herr, heute von vorn zu beginnen.

Lass uns in deinem Namen, Herr, die nötigen Schritte tun.
Gib uns den Mut, voll Glauben, Herr, mit dir zu Menschen zu werden.

Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de