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Kirchenjahr |
Die evangelische Kirche beging den Sonntag Trinitatis ("Dreieinigkeitsfest"), bei dem es um das Geheimnis Gottes geht. Für Paulus geht es weniger darum, Gott denkerisch als vielmehr staunend zu erfassen. Brief an die Römer Kapitel 11, Verse 33-36: |
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33 O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! 34 Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen?« (Jesaja 40,13) 35 Oder »wer hat ihm etwas zuvor gegeben, daß Gott es ihm vergelten müßte?« (Hiob 41,3) 36 Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen. |
Predigt |
Kann
man am Sonntag nach der ICE-Katastrophe von Eschede eine
Predigt halten, ohne auf diese Tragödie einzugehen? Ja
und nein. Nein,
wenn wir über den bisher 102 Toten z.B. die 8.500
Menschen vergessen würden, die im vergangenen Jahr im
Straßenverkehr starben. Und seien wir ehrlich: Je weiter eine Katastrophe von uns weg ist, desto schneller gehen wir wieder zur Tagesordnung über. Wir sind für kurze Zeit erschrocken. Aber weil uns die Nachrichten einen Schreck nach dem andern liefern, können wir uns gar nichts mehr so richtig zu Herzen nehmen, es sei denn, wir sind persönlich betroffen. Und auf der anderen Seite hat dieses Unglück die Menschen bewegt, und man kann am Sonntag darauf nicht so tun, als sei nichts gewesen. Am Tag nach der Katastrophe schon stand nicht so sehr die Frage nach den Opfern im Vordergrund, sondern die Frage nach dem warum. Warum geschah es? Wie konnte es dazu kommen? Die andere große Warum-Frage "Warum läßt Gott so etwas zu?" wird nicht in den Medien gestellt, hat aber vielleicht doch manchen im Herzen bewegt. Scheint da nicht der uns heute aufgetragene Predigttext etwas dazu zu sagen? 33 O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! 34 Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen?« (Jesaja 40,13) 35 Oder »wer hat ihm etwas zuvor gegeben, daß Gott es ihm vergelten müßte?« (Hiob 41,3) 36 Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen. "Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege!" Damit wir aber nun einen solchen Satz nicht auf die aktuelle Frage hinbiegen, zuerst: Was meint Paulus damit? Worauf bezieht er sich? Sein Staunen über Gott bezieht sich auf den ganzen Zusammenhang zuvor in den Kapiteln 9-11 des Briefs an die Römer. Die vorgelesenen Zeilen sind nur die letzten zusammenfassenden Verse davon. Drei Kapitel lang macht sich Paulus engagiert und schmerzlich Gedanken über seine jüdischen Glaubensbrüder, die Jesus nicht als den Messias, den von Gott Gesandten annehmen können und wollen. Was ist nun, so fragt er. Hat Gott das Volk Israel, dem er doch so viel versprochen hat, damit fallen lassen? Sind die Juden vom Heil endgültig ausgeschlossen, das ja nur im Glauben an diesen Jesus geschenkt wird? Und seine Antwort nach drei Kapiteln Kampf und Überlegung heißt: nein. Nein, Gott hat das jüdische Volk nicht abgeschrieben. Er wird auch für sie am Ende einen Weg finden. In einem positiven Sinn also staunt Paulus hier über die Wege Gottes. In einem positiven Sinn bezeichnet er Gottes Gerichte als unbegreiflich und seine Wege als unerforschlich. Er fragt nicht rückwärtsgewandt und resignierend: Wie kann Gott das zulassen? Er staunt über den überraschenden und unbegreiflichen Gott, der am Ende doch immer einen Weg findet. Und so kann wohl jede Katastrophe von zwei Seiten angesehen werden: mit Erschütterung über die Opfer und mit Staunen über die, die überraschend davon gekommen sind. Deswegen ist in der Berichterstattung auch zu Recht angemerkt worden, daß es auch ein Wunder ist, daß es bei einer Geschwindigkeit von 200 Km/h nicht noch viel mehr Todesopfer gegeben hat. Ohne also die eine Seite, die Erschütterung, gering zu schätzen, möchte ich aufgrund des Predigttextes deswegen heute die andere Seite der Medaille, das Staunen, mehr betonen. Es ist ein Staunen, das
vielen schon im eigenen Leben begegnet ist. Das Staunen
darüber, wie Gott einen Weg findet, auf dem es letztlich
gut hinausgeht. Das Staunen darüber, daß die anfangs
unverständlichen Wege Gottes nicht so sehr Sackgassen,
sondern Umwege sind. Von diesem Staunen her lehnt Paulus auch alle allzu klugen Antworten auf die Warum-Frage ab: "Wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen?" Wer allzu schnell allzu kluge Antworten findet, sagt Paulus, meint wohl gar, er habe Gott über die Schulter schauen dürfen oder Gott hätte ihn besser vorher um Rat fragen sollen. Daß es dem Paulus hier um das Staunen geht, läßt sich allein an einem Wort ablesen. Ein Wort ist das Schlüsselwort unseres heutigen Predigttextes. Es ist das kürzeste Wort der Bibel überhaupt. Ein Wort, das in allen Sprachen existiert und verstanden wird, weil es aus dem menschlichen Herzen herauskommt: Das Wort "O". So beginnt Paulus: "O
welch eine Tiefe des Reichtums." Können Erwachsene noch so
richtig staunen wie die Kinder? Können Erwachsene noch
so richtig von Herzen kommend "O" sagen?
Überlegen Sie doch einmal, wo Ihnen das letzte
"O" entschlüpft ist. ... "O welch eine
Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis
Gottes." Und so ist ein zweites, sehr wichtiges Wort das letzte des Abschnittchens: "Amen". Amen heißt: "So sei es." Amen. So bekräftigt ein Zuhörer die Worte eines anderen und macht sie auch zu seinen Worten. Amen. So sollten die Gemeindeglieder in Rom antworten, nachdem ihnen im Gottesdienst dieser Abschnitt des Paulusbriefes vorgelesen wurde. Auch sie sollten Ja sagen zu dem Staunen des Paulus über Gott. Sie sollten sich von diesem Staunen anstecken lassen und in es einstimmen. "O. Amen." So könnte man also in der kürzesten Form den heutigen Predigttext zusammenfassen: Eine Einladung zum Staunen, eine Einladung zum Einstimmen in das Staunen über Gott. Ausgewählt ist dieser
Predigttext für den heutigen Trinitatis-Sonntag, den
Sonntag der Dreieinigkeit, an dem wir eingeladen werden,
über Gott nachzudenken und von ihm zu sprechen. Von ihm,
dem einen Gott, der uns doch biblisch in einer dreifachen
Weise begegnet. So will ich Sie jetzt noch
ganz bewußt zum Staunen einladen und zum Danken
anstiften im Blick auf Ihr eigenes Leben. Letztlich kann
man ja immer nur über Gottes Wege mit sich selbst
staunen, nicht so sehr über seine Wege mit anderen. Denn
was mir staunenswert und dankenswert ist, muß es für
den anderen noch lange nicht sein. Deswegen für die
meditative Musik, die sich immer an die Predigt
anschließt, noch zwei Fragen zum Nach- und Weiterdenken: |
Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857 |