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predigt[e].de

Die Predigt vom 22. August 2004 (11. Sonntag nach Trinitatis):
»Ein Geschenk, ein reines Geschenk«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 11. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema ist Hochmut und Demut. Evangelium dieses Sonntags ist das Gleichnis von Pharisäer und Zöllner. Epistel und Predigttext (s.u.) war ein Abschnitt aus dem Epheserbrief Kapitel 2:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
4 Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, 5 auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht - aus Gnade seid ihr selig geworden -; 6 und er hat uns mit auferweckt und mit eingesetzt im Himmel in Christus Jesus,
7 damit er in den kommenden Zeiten erzeige den überschwenglichen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte gegen uns in Christus Jesus.
8 Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, 9 nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme. 10 Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.
Predigt
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Die Predigt
Taufe durch Untertauchen

Haben Sie auf Bildern oder in einem Film schon einmal eine Taufe in einer orthodoxen Kirche gesehen? (Die orthodoxen Kirchen, das sind die alten christlichen Kirchen im Osten, also z.B. in Russland.) Da wird ein Säugling zur Taufe splitternackt ausgezogen. Er wird in einem großen Taufstein oder einem Taufkessel drei mal ganz und gar untergetaucht. Und dann wird er vom Popen, so heißt der orthodoxe Priester, freudig nach oben gehoben und der Gemeinde präsentiert.
An diesem Punkt stehen die orthodoxen Kirchen sicher dem Neuen Testament und der Urchristenheit näher als wir. Denn auch damals sind Menschen in einem Fluss oder in einem Becken mit fließendem Wasser ganz untergetaucht worden. Vielleicht haben Sie vor kurzem von den
Berichten gehört, dass ein Archäologe in Israel eine Höhle mit einem großen Becken entdeckt hat, wo Johannes der Täufer getauft haben soll.

Da ist viel Wahres dran

Zwei Dinge sehe ich bei einer solchen orthodoxen Taufe besonders betont: Genauso nackt, wie der Mensch einmal gehen muss, genauso nackt kommt er auch. Er kommt nackt und bringt nichts mit. Sein Leben und alles, was er hat, ist ein reines Geschenk. Es ist eine Leihgabe, die er am Anfang bekommt und am Ende wieder hergeben muss.
Und das zweite: Das Untertauchen und Emporgehobenwerden zeigt, dass die Taufe etwas mit Leben und Tod zu tun hat. Durch das Wasser hindurch, das nicht nur Leben schenken, sondern auch Leben bedrohen kann, wird der Mensch gerettet.

Taufe: Vom Tod zum Leben

Wenn man das weiß, versteht man auch ein bisschen besser den Abschnitt aus dem Epheserbrief, der vorhin als Epistel und Predigttext vorgelesen wurde. Er ist eigentlich ein Tauftext, aber seine komplizierte Sprache lässt das nicht gleich erkennen. Beide Gedanken, die Taufe als Bewegung vom Tod zum Leben, und das Leben, das ein reines Geschenk ist, kommen darin vor:
4 Aber Gott ... hat, 5 auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht; 6 und er hat uns mit auferweckt und mit eingesetzt im Himmel in Christus Jesus.

Die Taufe als eine Bewegung von tief unten nach ganz oben, eine Bewegung vom Tod zum Leben. Wenn wir unsere Kindertaufe ansehen, können wir das gar nicht mehr richtig begreifen. Wie war es damals?

Taufe bei den ersten Christen

In den ersten beiden Jahrhunderten der Christenheit wurden selbstverständlich Erwachsene getauft. Die Christen entstanden als eine Art jüdische Sekte. Man musste sich als Erwachsener ganz bewusst für diese neue Gruppe entscheiden und wurde nicht wie heute automatisch in ein christliches Elternhaus hineingeboren. War jemand neugierig geworden, dann machte er sich ein Jahr lang in einem Taufunterricht mit den wichtigsten Dingen des christlichen Glaubens vertraut. In der nächsten Osternacht stand dann die Lebensentscheidung an: Die Absage an das bisherige Leben und das Geschenk neuen Lebens. Die Absage an die alten Götter und die Hinwendung zu dem einen wahren Gott. Dem alten, aus christlicher Sicht unmoralischen, Leben absterben und ein neues beginnen.
Hinein in ein neues Leben. Ein Leben, das den Namen Leben wirklich verdiente. Hinein in eine tragfähige, kleine christliche Gemeinschaft, die von gegenseitiger Liebe geprägt war. Hin zu einem Gott, der nicht wie die alten Götter besänftigt werden muss, sondern der schenkt, und zu dem man mit leeren Händen kommen darf.

Durch die Tradition der Säuglingstaufe machen wir die Erfahrung dieses großen Schrittes vom Tod zum Leben heute im allgemeinen nicht mehr. Zumindest nicht in Verbindung mit der Taufe. Manche, die getauft sind und dann auch bei der Konfirmation brav ja gesagt haben, erleben so etwas Ähnliches irgendwann hinterher. Ob man das nun Bekehrung nennt oder Lebensübergabe oder Tauferneuerung, jenen Moment, in dem man ganz klar und eindeutig spürt: Gott ist da. Er hält und trägt mich. Er nimmt mich an, obwohl ich es durchaus nicht verdient habe. Mein Leben und jeder Atemzug sind ein Geschenk aus seiner Hand.

Aus gutem Grund Säuglinge taufen

Die Taufe als eine Wende vom Tod zum Leben geht bei der Kindertaufe also ein wenig unter. Und dennoch halten wir in der Lutherischen Kirche an ihr fest. Und wir tun es aus guten Gründen: Wir tun es aus dem biblischen Grund, dass schon im Neuen Testament davon die Rede ist, dass ganze Familien getauft wurden. Wir tun es aus dem geschichtlichen Grund, dass die Taufe von Kindern schon sehr bald in der Alten Kirche eingeführt wurde. Die als Erwachsene das neue Leben verspürt hatten, wollten es auch ihren Kindern nicht vorenthalten.
Und wir tun es vor allem wegen des zweiten Punktes, der hier im Bibeltext angesprochen wird: Unser äußeres Leben, also dass wir überhaupt da sind, atmen, denken und lieben können, und unser inneres Leben, dass Gott uns bedingungslos annimmt, sind beide ein reines Geschenk. Zweimal betont es der Schreiber des Epheserbriefes:
8 Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, 9 nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme.

Leben und Seligkeit sind Geschenk Gottes und nicht eigene Leistung. Und so stehen Kirchen, die nur Erwachsene taufen, immer wieder neu vor der Frage: Wann ist jemand reif genug? Wann kann man sein Glaubensbekenntnis vor der Gemeinde so ernst nehmen, dass man ihn nun daraufhin tauft? Und wie persönlich ist das Bekenntnis? Ist es vielleicht mehr aus der Begeisterung der Gruppe heraus entstanden?

Nein, die allem menschlichen Tun zuvorkommende und vorausgehende Gnade Gottes zeigt sich nach meiner lutherischen Überzeugung nirgends besser als in der Taufe eines unmündigen Säuglings: Ein Säugling ist nach den Maßstäben unserer Leistungsgesellschaft ein Nichts, ein Schmarotzer. Er kann nichts mitbringen, außer dass er da ist.

Ja sagen zur Taufe

Und doch haben die Kirchen, die erst Jugendliche oder Erwachsene taufen, auch Recht, indem sie sagen: Taufe darf doch nicht wie bei einem Säugling eine Einbahnstraße sein. Gott möchte unser persönliches und freiwilliges Ja. Er möchte unser Ja zum neuen Leben: Zum einen, weil man Glaube nicht einfach überstülpen kann. Und zum andern, weil das neue Leben auch irgendwie sichtbar werden soll. Das neue Leben aus der Taufe ist nicht nur ein hinterhergeworfenes Geschenk Gottes, sondern v.a. Leihgabe. Nackt nehmen wir das Leben entgegen und nackt müssen wir es einmal wieder hergeben. Und natürlich werden wir wie bei jeder Leihgabe gefragt: Wie bist du mit dieser Gabe umgegangen? Das ist das Dritte, das ich im Text entdecke, wenn es heißt:
10 Denn wir sind Gottes Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten
Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.


Wir sind geschaffen zu guten Werken. Also: Gott hat uns das Leben gegeben mit dem Ziel und mit der Aufgabe, dass wir unsere Möglichkeiten
ausschöpfen und Gutes daraus machen. Am Ende einmal sagen können, dass man nicht für sich selbst, sondern auch für andere gelebt hat.
Und was das Gelingen angeht, sagt der Text eigentlich etwas ganz Tröstliches und Überraschendes: Die guten Werke, die Gott bei uns sucht, die hat er vorher schon vorbereitet. Er hält sie sozusagen bereit wie einen Mantel, in den wir nur noch hinein zu schlüpfen brauchen. Darüber muss ich noch länger nachdenken.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de