Weihnachten:
Ein Grund zur Freude?
Vorgestern
habe ich eine Frau auf der Straße getroffen. Sie ist seit
drei Jahren verwitwet und nun allein im Haus. Der Sohn holt sie
an Weihnachten. Das ist klar. Aber die langen Abende! "Gesegnete
Feiertage" oder so ähnlich habe ich ihr am Ende des Gesprächs
gewünscht. Und was hat sie geantwortet: "Ja, wenn's nur
schon vorbei wär."
4 Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich:
Freuet
euch! 5 Eure Güte lasst kundsein allen Menschen! Der Herr ist
nahe! 6
Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten
in
Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! 7 Und der
Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure
Herzen und
Sinne in Christus Jesus.
Ja, bei der Frau war so gar nichts von dieser vorweihnachtlichen
Freude. Freude, dass das Fest nahe ist. Freude, dass Gott nahe ist.
Auch der doppelte Aufruf des Paulus hilft da wahrscheinlich nicht
viel. Weihnachten erinnert sie an andere Zeiten, die nicht mehr
wiederkommen. Weihnachten erinnert sie an ihr Alleinsein.
4 Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich:
Freuet
euch! 5 ... Der Herr ist nahe!
Die Kinder andererseits und - Gott sei Dank - auch viele Erwachsene
braucht man zu dieser Freude nicht zweimal aufzurufen. Da ist freudige
Ungeduld: Freude auf die arbeitsfreie Zeit, Freude auf die Geschenke,
Freude auf den
kommenden Besuch, Freude auf das festliche Essen, Freude auf glitzernden
Kinderaugen, Freude auf die weihnachtlichen Lieder, Freude auf den
Gottesdienst und alles, was Herz und Gefühle anrührt.
Aber: Ist es wirklich die Freude des Paulus, dass Gott ganz nahe
kommt?
Warum
feierst du eigentlich?
Wenn das doch Weihnachten als Geschenk bringen könnte: Der
einsamen Frau das feste Wissen und die getroste Erfahrung, dass
Gott ihr bei aller menschlichen Einsamkeit ganz nahe ist. Dass sie
eben nicht allein ist.
Und denen mit Vorfreude auf alle die Stimmung und Gefühle die
heilsame Frage: Warum feierst du eigentlich?
Dass vielen unserer Zeitgenossen die tiefere Bedeutung von Weihnachten
immer mehr verloren gehe, dass es vor allem um Lichterketten, Stimmung
und winterlich Wellness gehe, konnten wir in der Wochenendausgabe
der Zeitung lesen.
Ich sage das nicht resigniert. Es ist für mich mehr ein heilsamer
Aufruf, mich selber immer neu zu besinnen und andere zur Besinnung
zu rufen: "Vergiss nicht, warum du feierst. Vergiss nicht,
warum du dich freust." Paulus
sagt es uns in aller Deutlichkeit, eindringlich und unmissverständlich:
4 Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich:
Freuet euch! 5 ... Der Herr ist nahe!
Weihnachten: Das Fest der Nähe Gottes
Weihnachten
ist das Fest der Nähe Gottes. Näher kann Gott uns Menschen
nicht kommen, als dass er selber Mensch wird. Näher kann Gott
nicht kommen, als dass er ein verletzliches Kind wird. Ein von den
Eltern nicht geplantes, ein an seinem Geburtsort nicht willkommenes,
ein kurz nach seiner Geburt schon verfolgtes. Ein Kind, das von
Anfang an den Ernst des Lebens kennengelernt hat.
Wenn es stimmt, dass nur der einen anderen recht verstehen kann,
der dasselbe schon erlebt hat, dann gilt das für dieses Kind,
dessen Leben
in einem Futtertrog beginnt und am Kreuz endet. Es kennt die menschliche
Freude, es kennt aber auch alle Einsamkeit, alle Widersprüche,
alle
Unfertigkeiten und alle Schmerzen.
Richtige Freude, nicht nur gute Laune
Nur
deswegen kann Paulus sagen: "Freut euch in dem Herrn allewege!"
Also: jederzeit, in jeder Situation. Die Gemeindeglieder in der
griechischen Stadt Philippi, die das lesen, empfinden das nicht
als zynisch: So auf die Art "Du hast gut reden!" Denn
sie wissen, dass Paulus, als er diese Zeilen schreibt, selber im
Gefängnis sitzt. Die Lebensfreude, von der er spricht, ist
also nicht einfach nur die gute Laune, die launisch davon abhängig
ist, wie gut oder schlecht der Tag ist. Es ist die Freude, die aus
der Erfahrung kommt: Gott ist mir nahe. Egal wann und egal wo.
Weil das nicht alle Menschen erfahren, nimmt Paulus seine Gemeindeglieder
in die Pflicht. "Ihr müsst mit eurem Leben von dieser
Freude, die aus der Nähe Gottes kommt, erzählen. Ihr müsst
mit eurem Leben predigen:"
5 Eure Güte lasst kundsein allen Menschen!
Ansteckende Freude
"Eure
Güte lasst kundsein." Kund, bekannt, hörbar und sichtbar.
"Seid ansteckend! Tut etwas dazu, dass andere sich auch freuen
können." "Eure Güte lasst kundsein." Da
steht im Griechischen ein schillerndes Wort, das man nicht leicht
übersetzen kann. In der alten Lutherübersetzung hieß
es noch: "Eure Lindigkeit lasst kund sein". Eine Mischung
aus Güte, Milde,
Freundlichkeit, nicht recht haben müssen, sich nicht durchsetzen
müssen.
Ich bin dankbar für jeden solche gütigen, herzlichen Menschen
unter unseren
Gottesdienstbesuchern und Mitarbeiterinnen. Wir haben sie. Und sie
bewirken etwas. Herzlichkeit, Offenheit, Freundlichkeit und eine
Umarmung im rechten Moment, das ist wie Weihnachten, wie die gelebte
Nähe Gottes.
Für manchen Mitmenschen ist die weihnachtliche Botschaft von
der Nähe Gottes vielleicht solange unglaublich oder vielleicht
sogar ein Hohn, wenn er diese Nähe nicht von Menschen erfährt.
Was hilft es einem Menschen,
wenn ich ihm fromm predige: "Gott ist dir nahe." Und ich
selber bin's ihm nicht?
Gott: nur ein Gebet weit weg
Und
Paulus geht noch einen Schritt weiter: "Macht auch für
euch persönlich damit Ernst, dass Gott euch nahe ist:"
Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten
in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! Rechnet
mit seiner Nähe. Rechnet damit, dass er zuhört. Rechnet
damit, dass er ein offenes Ohr hat. Rechnet damit, dass er höchstens
ein Gebet weit von euch entfernt ist. Rechnet mit ihm "in allen
Dingen", also in jeder denkbaren Situation, bei jedem denkbaren
Anliegen.
Und: Wenn ihr bittet, dann vergesst darüber das Danken nicht.
Nicht weil Gott eure Dankbarkeit nötig hätte. Ihr habt
das Danken nötig: Es ändert die Lebenseinstellung. Wer
betet, überlässt das Sorgen Gott. Also: Macht euch keine
Sorgen.
Die höhere Logik von Weihnachten
Und
dann breitet Paulus zum Ende seines Grußes sozusagen bildlich
die Arme aus: 7 Und der Friede Gottes, der höher ist als
alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Der Weihnachtsfrieden ist höher als unsere Vernunft. Er übersteigt
unsere Vernunft, unsere Logik und unsere Vorstellungskraft. Keine
andere Religion, kennt einen Gott, der sich den
Menschen gleich macht und ihnen nahe kommt. Gott, der ein Mensch
wird, der klein und schwach wird: Schon für den jüdischen
Glauben eine
Zumutung, für den Islam eine Gotteslästerung.
Wer
sich auf diese Unvernunft, oder besser: Wer sich auf diese höhere
Logik einlässt, wer kindlich zu glauben bereit ist, der findet
Frieden für Herz und Sinn, für Gefühle und Verstand.
7 Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft,
bewahre eure
Herzen und Sinne in Christus Jesus.
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