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Die Predigt |
Glauben
ist gesund
Wer meint, Glaube sei Einbildung oder nur etwas für Schwächlinge,
die sonst ihr Leben nicht meistern können, nimmt die Ergebnisse
der Forschung nicht wahr. Wer meint, Menschen, die freiwillig in den
Gottesdienst gehen, seien zu belächeln, muss seinerseits belächelt
werden. Wer wollte, konnte es auch im Nordbayerischen Kurier lesen:
Eine Reihe von Untersuchungen, die vor allem in den USA durchgeführt
worden sind, hätten eindeutig erwiesen, dass „enge und
positive Wechselwirkungen“ zwischen Gläubigkeit und gesundheitlichem
Empfinden bestehen, heißt es in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift
„Psychologie heute“. Wer an einen gütigen Gott oder
„auch nur“ an einen tieferen Sinn des Lebens glaube, bewältige
Lebenskrisen und Stress leichter, sei weniger anfällig für
Krankheiten und genese schneller. ... Wer an Gott und die göttliche
Liebe im Menschen glauben könne, lebe „insgesamt sehr viel
gesünder und glücklicher“, schreibt das Blatt. ...
Eine andere Untersuchung, so das Magazin, habe ergeben, dass gläubige
Menschen „wie erwartet“ weitaus weniger suchtgefährdet
als Nichtgläubige sind, weniger häufig Selbstmord begehen
und sich seltener scheiden lassen, aber auch „vielleicht überraschend“
ein erfüllteres Liebesleben haben. (Kurier 21.5.97)
Wer glaubt, lebt zufriedener. Wer glaubt, lebt gesünder. Wer
glaubt, hat ein besseres Immunsystem. Wer glaubt, ist mit sich selbst
und der Welt zufriedener. Wer glaubt, wirkt heilsam auf seine Umgebung.
Wenn ich mich umschaue, dann habe ich die besten und herzlichsten
Beziehungen zu Menschen, die aus ihrem Glauben heraus eine natürliche
Freundlichkeit und Herzlichkeit ausstrahlen. Und ich habe die größten
Probleme mit brummigen Zeitgenossen, die sich selber nicht gut sind,
die dauernd nur mit zusammengekniffenen Lippen durch die Gegend laufen
und die ganze Welt und auch Gott dafür verantwortlich machen,
dass es
ihnen so schlecht geht.
Glaube verwandelt Menschen
Glaube verwandelt Menschen sichtbar und fühlbar. Das kann man
erleben. So richtig beschreiben kann man es nicht. Man kann nur in
Bildern davon reden. Vergangene Woche war das im Predigttext das Bild
der neuen Schöpfung: Getauft sein und Glauben ist wie Neuwerden,
ist wie neu geschaffen werden.
Im heutigen Predigttext – Sie haben ihn vorhin als Epistel gehört.
– nun ein anderes Bild: Glauben ist, wie wenn man alte Gewohnheiten
auszieht wie ein altes Kleid und neue Kleider anzieht: 9 ... ihr
habt den alten Menschen mit seinen Werken ausgezogen 10 und den neuen
angezogen ...
Hier werden Menschen angeredet, die bei ihrer Taufe ihr altes Leben
aufgegeben und ein neues angefangen haben. Dass das bei der Säuglingstaufe
ein Problem ist, auch dieses Thema hatten wir am vergangenen Sonntag
schon: Der als kleines Kind Getaufte erlebt diesen
Wandel nicht bewusst.
Was aber das christliche Leben und Glauben im Alltag angeht, haben
uns die Freikirchen, die nur Erwachsene taufen, nicht viel voraus:
Auch dort wird nach meiner persönlichen Erfahrung nur mit Wasser
gekocht. Auch dort gibt es Eifer und Laschheit. Auch dort gibt es
Begeisterung und Routine. Man muss in die neuen Kleider des Glaubens
jeden Tag neu hineinschlüpfen. Wenn das bei als Erwachsene Getauften
besser oder gar automatisch ginge, bräuchte der Apostel in diesem
Brief an die Gemeindeglieder in Kolossä nicht so deutlich darauf
hinzuweisen:
In den Glauben schlüpfen wie in einen Mantel
„Ihr seid doch anders geworden. Ihr habt andere Möglichkeiten.
Jetzt macht auch Ernst damit. Werdet die, die Ihr eigentlich schon
seid: Ihr seid durch eure Taufe von Gott Auserwählte, Geheiligte
und Geliebte. Schlüpft in die neuen Kleider des Glaubens hinein
wie in einen Mantel, den Gott euch hinhält!“
12 So zieht nun an ... herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut,
Sanftmut, Geduld; 13 und ertrage einer den andern und vergebt euch
untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr
euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! 14 Über alles aber zieht
an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit. 15 Und der Friede
Christi, zu dem ihr auch berufen seid in einem Leibe, regiere in euren
Herzen; und seid dankbar. 16 Lasst das Wort Christi reichlich unter
euch wohnen: lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen,
Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren
Herzen. 17 Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das
tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch
ihn.
Das A und O ist die Dankbarkeit
Glaube ist möglich. Verwandelt werden ist möglich. Sich
ändern ist möglich. Glücklicher werden und mit anderen
Menschen anders umgehen ist möglich. Ich fange den Text von hinten
an. Das A und O ist die Dankbarkeit:
17 Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles
im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.
Dankbar sein und was man tut, nicht aus eigener Kraft tun, sondern
in dem Wissen, dass einem diese Kraft von Gott geschenkt wird. Wer
dankbar ist, lebt anders. Wer dankbar ist, strahlt etwas aus. Und
wer behauptet, dass er nichts zu danken hätte, weil es ihm nur
schlecht geht, oder weil er alles aus eigener Kraft schafft, der lügt
oder er hat nur einen begrenzten Horizont, dass er Wichtiges nicht
mehr sehen kann. Man kann sich so in sein Misslingen, in sein Abgelehntwerden
in seine Krankheit, in seine Trauer hineinsteigern, dass man nichts
anderes mehr sieht. Dann ist die Welt nur schwarz. Allen anderen geht
es besser. Und Gott ist nur ungerecht.
Gottesdienst gibt Anstöße
Wie wird man ein anderer? Wie wird man verwandelt? Wie kann man die
Dinge anders sehen?
16 Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: lehrt und
ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen
und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen.
Man kann doch – so werde ich öfter gefragt – auch
ohne den Gottesdienst und die Gemeinde ein guter und anständiger
Mensch sein? Und dann sage ich: Ja, man kann. Kirchgänger sind
nicht automatisch bessere Menschen. Aber wer darauf verzichtet, schmort
in seinem eigenen Saft und verzichtet auf die Anstöße und
die Ermunterung, die er in der Gemeinschaft des Gottesdienstes oder
eines Gemeindekreises bekommen kann: Anstöße durch die
Bibel, die vorgelesen, gepredigt, gesungen oder im Gespräch bewegt
wird. Anstöße, die einer dem anderen gibt. Neues, was mir
aufgeht. Defizite, die ich entdecke. Ermunterung, die ich verspüre.
Trost, den ich höre.
Und das alles Entscheidende, weswegen diese Worte aus dem Kolosserbrief
überhaupt für diesen Sonntag ausgesucht wurden, das Singen:
Das gemeinsame Singen im Gottesdienst, das Singen in einem Chor, das
stille Singen in einer Melodie, die einen heimlich begleitet, die
man beim Fahrradfahren oder Laufen vor sich hinträllert oder
die man beim Aufwachen am Morgen in sich hat.
Wer singt, betet doppelt, sagte einer der alten Kirchenväter.
Wer singt, kann nicht mit zusammengekniffenen Lippen und Trauermiene
gebeugt durch die Welt schlurfen. Wer singt, weitet seinen seelischen
Horizont. Wer singt, vertreibt die Depression. Wer singt, öffnet
sich für andere und für Gott.
Verwandlung ist möglich
Und aus dieser Grundeinstellung, aus der Dankbarkeit und dem Singen
heraus, ist dann auch eine andere Sicht der Dinge und Verwandlung
möglich:
12 So zieht nun an ... herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut,
Sanftmut, Geduld.
Erbarmen fordert Erbarmen heraus. Freundlichkeit bringt wieder Freundlichkeit
hervor. Demut lässt andere aufhorchen. Sanftmut steckt andere
an. Geduld wirkt Beispiel gebend. Und jede und jeder, der meint, so
etwas gäbe es je heute gar nicht mehr und den alten Zeiten nachtrauert,
wo alles besser war, der hat auf der Stelle die Möglichkeit,
mit diesem anderen Leben anzufangen. Und wer behauptet, das lohne
sich nicht, das werde doch nur ausgenutzt, der hat es noch nicht wirklich
probiert.
Manchmal kann man nur ertragen
O.k. nicht alle Menschen sind gut. Auch in einer christliche Gemeinschaft
ist nicht heile heile Segen. Aber das wird ja nicht verschwiegen.
Die Bibel ist ehrlich:
13 Ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn
jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat,
so vergebt auch ihr! 14 Über alles aber zieht an die Liebe, die
da ist das Band der Vollkommenheit.
Es gibt Situationen, wo man einander nur ertragen, der wie es in einer
moderneren Übersetzung heißt, einander aushalten kann.
Einander ertragen: Da ist vorausgesetzt, dass wir alle verschieden
sind und auch, dass wir einander schnell gegenseitig zur Last werden
können.
Einander ertragen, d.h. sich bewusst werden: Genauso wie andere mir
Schwierigkeiten machen durch ihre Art, mache auch ich ihnen Schwierigkeiten.
Genauso wie ich manchmal nur jemand leise stöhnend aushalten
kann, geht es ihm in anderer Weise auch mit mir.
Und wenn ertragen und aushalten nicht mehr reicht. Wenn etwas geschehen
ist, was man nicht mehr ertragen und aushalten kann, dann bleibt bloß
noch, das Unrecht beim Namen nennen und zu vergeben. Vergeben, weil
man ja auch nicht selber ohne Schuld ist.
15 Und der Friede Christi, zu dem ihr auch berufen seid in einem
Leibe,
regiere in euren Herzen.
Amen |
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