Startseite | Impressum | Kontakt
predigt[e].de

Die Predigt vom 20. Juni 2004 (2. Sonntag nach Trinitatis):
»Jeder wird gebraucht«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 2. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema ist Gottes Einladung an die Menschen. Evangelium dieses Sonntags ist das Gleichnis vom großen Abendmahl. Epistel und Predigttext (s.u.) war ein Abschnitt aus dem Epheserbrief Kapitel 2:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
17 (Christus) ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. 18 Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater. 19 So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, 20 erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, 21 auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. 22 Durch ihn werdet auch ihr miterbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.
Predigt
Aktuelle Predigten

Gesamtübersicht der Predigten

Stichwortverzeichnis
zu den Predigten

Die Predigt
Gemeinde ist mehr als die Kirchgänger

2.000 Menschen leben in unserer Kirchengemeinde. Sechs Prozent davon gehen durchschnittlich zum Gottesdienst. Sechs Prozent sind es auch, die sich als ehrenamtliche Mitarbeiter in der Gemeinde engagieren. Ein paar
mehr noch treffen sich in den Gruppen und Kreisen. Zehn Prozent finden sich bei den Waldgottesdiensten und den Familiengottesdiensten zusammen. Ein Drittel kommt an Weihnachten.

Nahe und Ferne?

Was ist mit den anderen? Gehören sie auch zur Gemeinde? Von Kerngemeinde und Randgemeinde spricht man manchmal. Oder man unterscheidet Näherstehende und Fernerstehende. Diese Unterscheidung ist problematisch, weil man erst einmal nur aufs Äußere sieht: Wer der
Gemeinde ferner steht, muss aber nicht unbedingt fern von Gott sein. Und wenn jemand der Gemeinde nahe steht, ist das auch noch keine Aussage über den persönlichen Glauben.
Nahe und Ferne unterscheiden ist auch deswegen problematisch, weil das die Menschen so festlegt: Aber aus denen, die nahe waren, können
durch eine Verärgerung, durch einen Schicksalsschlag oder berufliche Veränderungen schnell welche werden, die sich entfernen. Und aus denen, die fern stehen, können – Gott sei Dank – jederzeit Nahestehende werden.
Und drittens: Nahe und Ferne unterscheiden, bedeutet, dass man sich selbst einordnen muss. "Ich stehe der Gemeinde nahe, aber die da bzw. der da ..." Oder andersherum: "Ein fleißiger Kirchgänger bin ich zwar nicht, aber vielleicht besser als mancher, der Sonntag für Sonntag kommt." Wir und die anderen. Das ist immer ein Problem. Wir sind die Guten, wir sind die Besseren. Die anderen aber: Nun ja, wer weiß ...

Für alle steht die Tür offen

17 (Christus) ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt
euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. 18 Denn
durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater.


So heißt es im heutigen Predigttext aus dem Epheserbrief. Da gibt es keine Nahen und Fernen mehr. Für alle steht bei Gott die Tür offen. Für alle hat Christus Frieden mit Gott gemacht.
Nun ist aber mit den Nahen und den Fernen hier im Epheserbrief nicht genau dasselbe gemeint: Es gab damals Christen, die zuvor Juden gewesen waren, und welche, die zuvor einen nichtjüdischen, heidnischen Glauben hatten. Zuerst verbreitete sich der christliche Glaube unter jüdischen Jesusanhängern im Bereich Jerusalems. Die werden auf den Apostel Petrus zurückgeführt. Der Apostel Paulus aber trug dann nach Absprache mit den Jerusalemern das Evangelium bis nach Kleinasien und Griechenland. Die Judenchristen, das waren die, die Jesus näher waren oder sich näher fühlten: in ihrem Denken, ihrer Herkunft, ihrer Erwartung des Messias, ihrer Art zu leben. Und die sog. Heidenchristen wurden eher kritisch beäugt, ob ihnen nicht entscheidende Voraussetzungen fehlen. Und da sagt Paulus: Was war, ist egal. Auf die Ausgangsposition kommt es nicht an. Was daraus geworden ist und wie es jetzt steht, ist entscheidend. Jetzt seid Ihr eine Kirche. Keiner von euch steht Gott näher oder ferner.

Halbe und ganze Christen?

In einem weiteren Bild versucht er es zu verdeutlichen: 19 So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.
Man kannte in Israel damals sog. Gäste und Fremdlinge, also Menschen nichtjüdischer Abstammung, die zum Arbeiten oder auf der Flucht in Israel lebten. Sie waren keine anerkannten Bürger, sie waren nur geduldet. So sollt ihr vor Gott nicht unterscheiden, sagt Paulus: Kerngemeinde oder Randsiedler, Näherstehende oder Fernstehende, ganze und halbe Mitglieder. durch die Taufe sind alle von ihnen Gemeinde.

Und doch gibt es Unterschiede, wenn auch nicht von Gott her: Gott steht allen Getauften gleich nahe. Alle haben sie den gleichen Zugang zu ihm. Ob sie diesen Zugang zu Gott, ob sie diese offene Tür auch nutzen, das ist die andere Frage.

Miteinander Gemeinde bauen

Ich denke an die Bilder von der Grundsteinlegung unserer Kirche vor 43 Jahren. Viele hatten ihre gekauften Ziegelsteine mitgebracht. Auch ein Haufen unverkaufter lag noch da. Und dann fügten in einem symbolischen
Akt viele persönlich ihren Stein in die Grundmauer ein. Jeder Stein wurde gebraucht. Keiner sollte übrig bleiben.

19 So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, 20 erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, 21 auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. 22 Durch ihn werdet auch ihr miterbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.

Ausnahmslos jeder Getaufte wird in der Gemeinde als eine Art lebendiger Stein gebraucht. Ich weiß, dass das bei 2000 Gemeindegliedern Theorie und Wunschvorstellung ist. Vielleicht kennen Sie das alte Wortspiel: "Wenn sie alle hineingingen, gingen sie nicht alle hinein. Weil sie aber nicht alle hineingehen, gehen sie alle rein." Aber am Prinzip, am Grundsatz dürfen wir nicht rütteln: Eigentlich werden alle Getauften gebraucht. Eigentlich haben alle Getauften eine Gabe oder Fähigkeit, auf die die Gemeinde nicht verzichten darf. Eigentlich gäbe es für jeden in der Kirche, nicht im Kirchengebäude, einen persönlichen Platz. Und Konfirmandenunterricht ist u.a. dazu da, zu entdecken, wo einmal der eigene Platz in der Gemeinde sein könnte.

Die Gemeinde ist nie fertig

Das ist das Bild, das Paulus entwirft: Die Gemeinde ist wie ein Haus, wie ein heiliges Haus, ein Tempel. Sie ist nie fertig. Sie ist immer im Bau. Der Grund steht schon lange. Durch die Apostel und Propheten, durch die
Verkündigung der ersten Christen, durch ihre Bereitschaft, sogar ihr Leben dafür herzugeben.
Wir heutigen stehen in einer langen Tradition von glaubenden Menschen vor uns. Wir sind nicht die ersten, die glauben, und wir werden nicht die letzten sein. Wir profitieren von dem, was Menschen vor uns in die Gemeinde eingebracht haben. Und Spätere werden von dem unseren profitieren. Stockwerk für Stockwerk ist durch die Geschichte der Gemeinde hindurch gebaut worden. Wir fügen ein weiteres hinzu und hoffen, dass die jetzt junge Generation dann auch weiterbauen wird.

Mitarbeiten, spenden und beten

Jede und jeder wird gebraucht, auch wenn die einzelnen Gaben und Beiträge natürlich verschieden wie die Menschen sind. Der eine füllt als Stein vielleicht eine große Lücke, der andere eine kleine. Der eine Stein steht an entscheidender, tragender Stelle. Ein anderer füllt vielleicht nur eine Lücke. Aber jeder Stein wird gebraucht. Und jeder ist unabhängig von seiner Funktion genauso viel wert wie der andere.
Die im Vordergrund Stehenden, die an leitender Position werden genauso gebraucht wie die, die still und treu im Hintergrund arbeiten. Die einen haben den Mut, sich im Gottesdienst vorne hin zu stellen und den Mund aufzumachen. Die anderen dienen lieber mit einer handwerklichen Fähigkeit oder ihrer Arbeitskraft. Die einen haben die Fähigkeit, auf Menschen zuzugehen und Besuche zu machen. Den anderen ist es genug, einen Gemeindebrief einzuwerfen, ohne dass man mit jemand reden
muss. Und wer sagt: "Aktiv mitmachen kann ich nicht. Aber mit meiner Spende helfe ich dazu." ist ebenso willkommen. Und wer meint, er sei zu
gar nichts zu gebrauchen, der kann allemal für den Aufbau der Gemeinde beten.

Ich weiß, ich weiß, wir dürfen uns nicht überfordern und wir müssen auch realistisch und nüchtern bleiben. Aber ohne diese Vision, dass es für alle einen Platz gibt, dass alle eine entscheidende Gabe haben, dass jeder wichtig ist, können wir Gemeinde nicht bauen. Ohne eine solche Vision bleibt alles, wie es ist. Dann gehen wir auch mit den sog. Fernstehenden in unserer Familie, unserer Nachbarschaft und Bekanntschaft anders um: Wir
können in ihnen die möglichen Mitarbeiter, Mitspender und Mitbeter von morgen sehen.

... muss eine Mannschaft sein

Nicht im Bild des Hausbaus, aber auf ähnliche Art im Bild eines Schiffes mit seiner Mannschaft sagt es ein Lied, das wir gleich singen:

Im Schiff, das sich Gemeinde nennt, muss eine Mannschaft sein,
sonst ist man auf der weiten Fahrt verloren und allein.
Ein jeder stehe, wo er steht, und tue seine Pflicht,
wenn er sein Teil nicht treu erfüllt, gelingt das Ganze nicht.
Und was die Mannschaft auf dem Schiff ganz fest zusammenschweißt
in Glaube, Hoffnung, Zuversicht, ist Gottes guter Geist.

Bleibe bei uns, Herr! Bleibe bei uns, Herr,
denn sonst sind wir allein auf der Fahrt durch das Meer.
O bleibe bei uns, Herr!

Amen

nach oben

Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de