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Die Predigt vom 19. September 2004 (15. Sonntag nach Trinitatis):
»Keine Angst vor Leitung!«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 15. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema ist das unnötige Sorgen. Evangelium dieses Sonntags ist ein Abschnitt aus der Bergpredigt Jesu vom Sorgen. Epistel und Predigttext (s.u.) war ein Abschnitt aus dem 1. Petrusbrief. Die Auslegung war besonders geprägt von der Einführung der neuen Vikarin.
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
6 So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit. 7 Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. 8 Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. 9 Dem widersteht, fest im Glauben, und wisst, dass ebendieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen. 10 Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen. 11 Ihm sei die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
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Die Predigt
„Demütigt euch ...“

"Demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes." So mächtig, vielleicht für manche auch niederdrückend beginnt der heutige Predigtabschnitt aus dem 1. Petrusbrief. Wer von Ihnen sich zu Hause vorbereitet hat, was einige tun, oder wer heute morgen das Gottesdienstverteilblatt zu Hand genommen hat, ist damit konfrontiert worden. Doch diese Worte beginnen unvermittelt mitten im Vers. Dass es in dem Zusammenhang um Gemeinde und Gemeindeleitung geht, wird nicht deutlich. Aus konkretem Anlass beginne ich den Abschnitt weiter vorne:

5 1 Die Ältesten unter euch ermahne ich: 2 Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist; achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund; 3 nicht als Herren über die Gemeinde, sondern als Vorbilder der Herde. 5 Desgleichen, ihr Jüngeren, ordnet euch den Ältesten unter. Alle aber miteinander haltet fest an der Demut; denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. 6 So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit. 7 Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. 8 Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. 9 Dem widersteht, fest im Glauben, und wisst, dass ebendieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen. 10 Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen. 11 Ihm sei die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Leitung in der Kirche

Die Ältesten werden hier angesprochen. Gemeint sind die Gemeindeleiter. Das waren oft die Älteren, die Lebens- und Glaubenserfahrenen. Doch Reife und Leitungsverantwortung hat nicht nur mit dem Alter zu tun. „Presbyter“ steht hier im Griechischen. Dieser Ausdruck wird heute noch in Norddeutschland für die Kirchenvorsteher verwendet. Auch das müssen nicht die Ältesten sein. Und wir haben im Gang der Kirchengeschichte aus der Bibel auch gelernt, dass es nicht nur Männer sein müssen wie in den Anfängen.

Und so sind hier nicht so sehr Alter oder Geschlecht das Thema, sondern vor allem die Art, wie Leitung und Führung wahrgenommen werden:
2 Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist; achtet auf sie, nicht
gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund; 3 nicht als Herren über die Gemeinde, sondern als Vorbilder der Herde.


Wenn wir Sie, liebe Frau Peschke, heute zu Ihrem Dienst an der Gemeinde beauftragen, dann geht es genau darum: Führen nach dem Vorbild des guten Hirten Jesus Christus. Es geht um Menschen, die Ihnen anbefohlen sind. Es geht um Achtung. Und es geht auch um die Versuchung all derer, die zu leiten haben in Kirche und anderswo: die Versuchung, Herr sein zu wollen.

Vertrauensvorschuss für Pfarrerinnen und Pfarrer

Im Gespräche nach dem ersten Besuch haben Sie gestaunt, liebe Frau Peschke, wie wir als Pfarrerinnen und Pfarrer ganz selbstverständlich
hinein genommen werden in die Intimität der Häuser, der Familien und ihrer Gespräche. Was für ein Vertrauensvorschuss wildfremden Menschen
gegenüber! Was für eine Aufgabe aber auch an diesen einem anvertrauten Menschen! Was für eine Versuchung aber auch, nicht Hirte und
Seelsorger, sondern Herr zu sein, oder wie der Prophet Ezechiel sagte: Nicht die Gemeinde, sondern sich selbst zu weiden.

Dass wir unseren Dienst, wie es hier heißt, „aus Herzensgrund und nicht um schändlichen Gewinns willen tun“, davon gehen die Menschen ganz selbstverständlich aus. So werden Sie es im Gespräch öfter hören, dass man unseren Dienst als Berufung und nicht einfach als Beruf versteht.

Unterordnung in der Kirche?

Und dann die andere Seite der Medaille: 5 Desgleichen, ihr Jüngeren, ordnet euch den Ältesten unter. Die Gemeinde, das müssen nicht unbedingt die Jüngeren sein, sondern alle, die den Presbytern, den Gemeindeleitern, gegenüber stehen: Die sollen sich unterordnen.
Schwierig! Wer ordnet sich gerne unter? Einem jüngeren Menschen gegenüber gar. Und doch ist dieser Vertrauensvorschuss, der uns entgegen gebracht wird, eigentlich nichts anderes: Man unterstellt uns Gutes. Und man geht davon aus: Wenn der, der leitet und führt, in dem hier genannten Sinne führt, also mit Achtung und als Vorbild, dann braucht auch niemand Angst vor Leitung und Führung zu haben.
Und, was die beste Korrektur ist: Leitung ist ja in unseren lutherischen Gemeinden immer eine Gemeinschaftsaufgabe, die Pfarrerinnen und
Pfarrer zusammen mit dem Kirchenvorstand ausüben.
Die anschließende Einführungshandlung spricht nicht von einer Unterordnung der Gemeinde den Leitenden gegenüber, sondern von Achtung vor ihrem Dienst, wenn es dann heißt: Euch, liebe Gemeinde, bitte ich: Achtet den Dienst dieser Vikarin. Begleitet ihren Weg des Lernens. Betet für sie. Steht ihr in Schwierigkeiten zur Seite. Bedenkt, dass wir alle aufgrund der Taufe zum Zeugnis und Dienst in der Welt berufen sind.

Sich unter Gottes Hand stellen

Aber auch der 1. Petrusbrief hält sich nicht lange bei diesem heiklen Thema Unterordnung auf. Entscheidend ist, dass alle, Leitende und Gemeinde, wissen, dass sie beide denselben Herrn haben und beide sich vor ihm verantworten müssen:
Alle aber miteinander haltet fest an der Demut; denn Gott widersteht
den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.


Und dann mitten im Satz unversehens ein neues Thema. Assoziativ, wie es in einem Brief öfter vorkommt. Demut ist das Stichwort. Nicht nur Gemeindeleitung braucht Demut vor Gott. Sich unter Gottes Hand stellen, gehört zum Alltag:
6 So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit. 7 Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. 8 Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. 9 Dem widersteht, fest im Glauben, und wisst, dass ebendieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen.

„Demütigt euch“. Diese mittelalterliche Wortwahl Luthers wird heute eher missverstanden: Beugt euch unter Gottes Hand, würden wir vielleicht sagen. Stellt euch unter seinen Willen. Sagt ja zu dem, was er mit euch vor hat.

Leiderfahrungen

Welche Leiden und Sorgen hier im 1. Petrusbrief gemeint sind, darüber sind sich die Ausleger nicht ganz einig. Aber offenbar sind es Anfechtungen, die die Christen von außen erleben. Noch waren sie am Ende des ersten Jahrhunderts eine Minderheit, eine misstrauisch beäugte Minderheit. Das gilt für uns nicht, auch wenn die Christen in unserer Gesellschaft nur noch zwei Drittel ausmachen. Wenn wir diese Worte für uns fruchtbar machen wollen, dann wohl nur im Blick auf persönliche, alltägliche Leiderfahrungen. Beide, die Leitenden und die Gemeindeglieder sind betroffen. Auch Pfarrerinnen und Pfarrer sind nur Menschen, könnte man flapsig sagen. Sie unterscheiden sich in nichts, wenn es um die alltäglichen Versuchungen und Anfechtungen geht.

In einem geradezu handfesten Bild: Der Teufel, der Versucher, schleicht umher wie ein Löwe auf der Suche nach Beute. Vielleicht hatte dieser Löwe für die Menschen, an die der 1. Petrusbrief gerichtet war, ein ganz bestimmtes Gesicht. Wenn man den Feind deutlich identifizieren kann, dann kann man im Vertrauen auf Gott gegen ihn vorgehen.

Wenn Gott einem zum Feind wird

„Demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes.“ Was ist aber, wenn man das Gefühl hat, Gott selber werde einem zum Feind? Oder zumindest, Gott lasse den Teufel einfach so gewähren?
Mit dieser brennenden und doch uralten Frage haben wir als Seelsorger und als Gemeindeglieder immer neu zu kämpfen. Und wir können sie auch an diesem Morgen nicht auflösen. Was sagen wir als Seelsorger Menschen, die uns diese Frage stellen?
Wir wissen, dass wir keine klugen Antworten geben können und sollen. Und man erwartet sie wohl letztlich auch nicht. Man erwartet wohl eher, dass wir uns an ihre Seite stellen und zusammen mit ihnen fragen. Auch dieser Predigtabschnitt löst die Frage nicht auf. Aber drei Andeutungen höre ich doch heraus:

Erstens: Ein eigener Herr ist der herumschleichende Teufel nicht. Die gewaltige Hand Gottes ist stärker als alle Teufel. Und auch er muss sich demütigen unter diese Hand.

Und zum zweiten: Seht euer Leiden nüchtern. Lasst euch euren, nur auf euch selbst ausgerichteten, Blick weiten: 9 Widersteht, fest im Glauben, und wisst, dass ebendieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen.
Also: Denkt nicht, dass es nur euch, oder gar euch am schlechtesten geht auf der Welt. Seht, dass alle Schwestern und Brüder, dass an Gott Glaubenden, damit zu kämpfen haben.

Und zum dritten: 10 Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen. 11 Ihm sei die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
"In Jesus Christus". In diesen drei Worten steckt das gesamte Passions- und Ostergeschehen. Christus hat dem Tod die Macht genommen. Diese
Botschaft rückt die Bedeutung des Leids zurecht: Es ist zeitlich begrenzt. Gott wird wieder aufrichten, stärken, kräftigen und gründen. „Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch.“ Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de