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predigt[e].de

Die Predigt vom 27. März 2005 (Ostern):
»Kein Christsein ohne persönliche Erfahrung«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Kirche beging den Ostersonntag. Sein Thema ist die Auferstehung Jesu von den Toten. Evangelium (1. Lesung) war der Bericht nach Markus und Epistel (2. Lesung) die Osterüberlieferung des Apostels Paulus. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war der Osterbericht des Matthäus im Kapitel 28:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
1 Als aber der Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria von Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen. 2 Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn der Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. 3 Seine Gestalt war wie der Blitz und sein Gewand weiß wie der Schnee. 4 Die Wachen aber erschraken aus Furcht vor ihm und wurden, als wären sie tot. 5 Aber der Engel sprach zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, daß ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht. 6 Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht die Stätte, wo er gelegen hat; 7 und geht eilends hin und sagt seinen Jüngern, daß er auferstanden ist von den Toten. Und siehe, er wird vor euch hingehen nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt. 8 Und sie gingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen. 9 Und siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: Seid gegrüßt! Und sie traten zu ihm und umfaßten seine Füße und
fielen vor ihm nieder. 10 Da sprach Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, daß sie nach Galiläa gehen: dort werden sie mich sehen.
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Die Predigt
Figur des AuferstandenenOstern und der moderne Mensch

Sonntag für Sonntag haben wir in unserer Kirche die Figur des Auferstandenen vor Augen. Eine Osterbotschaft ohne Worte. Siegreich steht er im geöffneten Sarkophag, die rechte Hand zum Segen erhoben. In der linken Hand die Siegesfahne. Zu seinen Füßen ein geblendeter Grabwächter.

Erst im 13. Jhd. nach Christus kam diese uns so bekannte Darstellung auf. So lange hat die christliche Kunst damit Ernst gemacht, dass das Geschehen der Auferstehung in den Evangelien nicht geschildert wird. Ein leeres Grab, ein Engel und die Frauen, damit begnügten sich die Künstler über 1000 Jahre. Sie begnügten sich demütig mit der Botschaft, dass er auferstanden ist, das Wie aber unseren menschlichen Augen verborgen ist.
Diese Wende markiert in der christlichen Kunst das allmähliche Erwachen des modernen Menschen, der sich nicht mehr einfach mit der Botschaft zufrieden geben kann, sondern der verstehen will, der hinter die Kulissen blicken will. Der moderne Mensch möchte Ostern gerne be-greifen, also mit seinen Händen und Gedanken greifen, so wie der ungläubige Thomas Jesus erst die Hände in die Wunden legen musste. Wie geht es uns modernen Menschen mit dem Hören, Begreifen und Annehmen der Osterbotschaft? Ich denke, es hilft, den Weg der Frauen mitzugehen, wie ihn Matthäus uns
schildert.

Die Frauen trauen sich als erste

1 Als aber der Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria von Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen.

Am frühen Morgen nach dem Sabbat, nach dem Ruhetag, an dem nichts gearbeitet werden durfte, kommen sie. Am Morgen des ersten Tages der neuen Woche. Bald darauf wurde der Tag "Herrentag" genannt und wurde zum Feiertag der christlichen Gemeinde, die sich vor Sonnenaufgang und vor
Arbeitsbeginn zum Gottesdienst versammelte. Die ersten Gottesdienste waren Auferstehungsfeiern. Dass die Woche heute nicht mehr mit dem
Sonntag, sondern mit dem Montag beginnt, ist ein Zugeständnis an die moderne Zeit.
Sonntagmorgen. Zwei Frauen trauen sich als erste aus dem Haus, während sich die Jünger - wie die Evangelien berichten - noch vor Angst verstecken: Maria aus dem Ort Magdala und die sog. andere Maria. Ein Kapitel vorher lesen wir, dass sie die Mutter des Jakobus und des Josef war. Offenbar zwei Männer, die zu der Zeit, als die Evangelien aufgeschrieben wurden, noch gut
bekannt waren. Die Kreuzigung haben sie von ferne miterlebt, so lesen wir weiter. Und auch bei der Grablegung durch Josef von Arimathäa sind sie dabei gewesen. Zwei Frauen, die Jesus schon zu Lebzeiten nahestanden. Im
Lukasevangelium lesen wir, dass Jesus Maria Magdalena von sieben Dämonen befreit hat.

Zwei Frauen, die schon ihre Erfahrungen mit Jesus hatten, werden als erste mit der Botschaft der Auferstehung konfrontiert. Es mag es erleichtern, aber es muss nicht heißen, dass Ostern nur begreifen kann, wer schon Jesus- und Gotteserfahrungen hinter sich hat. Paulus war ein absoluter Gegner Jesu, als ihm der Auferstandene vor Damaskus begegnet. Und auch Menschen, die z.B. im Sozialismus ohne Glaubenserziehung aufgewachsen sind, können überwältigt werden von der Auferstehungsbotschaft. So lesen wir anschaulich in der Osterausgabe der Tageszeitung von Schwester Teresa aus Pegnitz.

Die Auferstehung - ein Eingreifen Gottes

2 Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn der Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. 3 Seine Gestalt war wie der Blitz und sein Gewand weiß wie der Schnee.

Ich sagte vorhin, die Evangelien beschreiben die Auferstehung nicht. Das gilt ganz eindeutig für Markus, Lukas und Johannes. Einzig Matthäus hier sagt ein paar Worte mehr: Aber auch er beschreibt nicht das Geschehen der Auferstehung, sondern nur ihre äußeren Begleitumstände. Wann und wie Jesus das Grab verlassen hat, wird nicht gesagt. Er ist schon weg, bevor der Engel den Frauen den Stein wegwälzt.
Worauf kommt es Matthäus an, wenn er von diesen Begleitumständen berichtet? Wenn wir uns die Bildsprache des Alten und Neuen Testamentes
anschauen, dann bedeutet der Hinweis auf das Erdbeben und den Engel des Herrn genau genommen, dass Gott selber eingreift. Auferstehung, nach
der Bibel genauer Auferweckung, ist die Tat Gottes. Eine Gestalt wie ein Blitz und ein Gewand wie Schnee: Da ist eigentlich gar keine Figur zu sehen, sondern nur Licht.

Ohne Interpretation kein Ostern

4 Die Wachen aber erschraken aus Furcht vor ihm und wurden, als wären sie tot. 5 Aber der Engel sprach zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht. 6 Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht die Stätte, wo er gelegen hat; 7 und geht eilends hin und sagt seinen Jüngern, dass er auferstanden ist von den Toten. Und siehe, er wird vor euch hingehen nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt.

Geblendet von dieser Explosion des Lichts sind die Grabwächter wie tot. Ausgeschaltet fast wie in einem Science-Fiction-Film. Aber das ist nur das Äußere. Wer Gott begegnet, so lehrt uns die Bibel, muss zu Tode erschrecken. Deswegen: "Fürchtet euch nicht."
Und: Ohne die Erklärung des Engels können die Frauen nicht verstehen, was geschehen ist. Die Lichterscheinung allein erschüttert zwar in Mark und Bein, aber sie erklärt noch nichts. Ähnlich wie bei Paulus vor Damaskus, der blind und mit einem tiefen Schock in die Stadt gebracht wird. Und nach drei Tagen wird ihm Hananias geschickt, der ihm das Unbegreifliche begreiflich machen muss. (Apg 9,1-19)
Was erfahren die Frauen von dem Engel? Eigentlich nichts Neues: Jesus ist auferstanden, wie er gesagt hat. Gehört haben sie sie öfter, seine Worte vom Leiden und Auferstehen. Aber einordnen können sie sie erst jetzt. Ähnlich wie bei den Emmausjüngern, denen der Auferstandene am nächsten Tag unerkannt begegenen wird, und denen er, wie Lukas es ausdrückt, erst die
Schrift öffnen muss, damit sie das Erlebte in ihr Denken einsortieren können. (Lk 24,25-27)

Achterbahn der Gefühle

8 Und sie gingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen.

"Furcht und große Freude." Ein paradoxer Gemütszustand. Eine Art Achterbahn der Gefühle. Hin- und hergerissen sind die Frauen, als sie
sich auf den Weg machen. Was sie glauben, was sie verstanden haben, ist nicht gesagt. Nur ihr Gefühlszustand wird beschrieben. Gerade noch waren sie gekommen, einem geliebten Toten den letzten Liebesdienst zu erweisen, und dann hören sie, dass er gar nicht tot ist. Das ist nicht minder schlimm und schockierend, als wenn jemand aus heiterem Himmel die Nachricht von einem plötzlichen Tod überbracht bekommt. Ums Begreifen geht's da im
ersten Moment nicht. Es ist, als wäre das Hirn leer, und der ganze Mensch bestünde nur aus Gefühlen und Emotionen.

Ostern im Alltag erfahren

9 Und siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: Seid gegrüßt! Und sie traten zu ihm und umfassten seine Füße und fielen vor ihm nieder. 10 Da sprach Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, dass sie nach Galiläa gehen: dort werden sie mich sehen.

Auf dem Weg begegnet ihnen Jesus. Sie fallen ihm zu Füßen, so wie man sich damals nur vor Gott niederwarf oder vor dem Kaiser, der gottgleiche Stellung beanspruchte.
Zur Botschaft von der Auferstehung kommt die persönliche Begegnung. Ich vermute, dieser Weg der Frauen und der Weg des ungläubigen Thomas
ist der einzige Schlüssel für uns moderne Menschen, um einen Zugang zu Ostern zu finden. "Die Botschaft hör' ich wohl. Allein, mir fehlt der Glaube." lässt Goethe seinen Faust auf die Auferstehungsbotschaft antworten.

Vermutlich kann es nur für den wirklich Ostern werden, der sich mit der Botschaft im Ohr auf den Weg in seinen Alltag macht, um dort zu
erfahren, dass Gott nicht tot, sondern lebendig ist: Wenn er erlebt, wie Gebete erhört werden. Wenn er erlebt, wie er gerade noch einmal mit
dem Leben davon kommt. Wenn er spürt, wie der Glaube ihm in einer ausweglosen Situation ungeahnte Lebenskräfte verleiht. Wenn er
gestärkt aus einem stillen Kirchengebäude, aus einem Gottesdienst, aus einem geistlichen Konzert oder aus einer persönlichen stillen Stunde hervorgeht.

Ohne Erfahrung kein Glaube

Ostern be-greifen ist wohl im ursprünglichen Sinn des Wortes mehr eine Sache der handgreiflichen Erfahrung als des Verstandes. Aus meinem persönlichen Erleben kann ich ausdrücklich bejahen, was der große katholische Theologe Karl Rahner schon vor 39 Jahren formuliert hat:
Der Fromme von morgen wird ein Mystiker sein, einer der etwas erfahren hat, oder er wird nicht mehr sein.

Öffnen Sie sich für solche Glaubenserfahrungen, damit es immer neu Ostern wird, Ostern im Alltag.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de