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predigt[e].de

Die Predigt vom 7. Mai 2006 (Jubilate):
»Neu werden ist möglich«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 3. Sonntag nach Ostern („Jubilate“). Sein Thema ist die (neue) Schöpfung. Evangelium (1. Lesung) war das Gleichnis vom Weinstock und Epistel (2. Lesung) der Hinweis auf die Liebe, die mit Gott und den anderen Glaubenden verbindet. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war ein Abschnitt aus dem 2. Brief an die Korinther Kapitel 4:
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
Wir werden nicht müde; sondern, wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert. Denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.
Predigt
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Die Predigt
„Hauptsache gesund!?“

Bei einer Frage würden wir untereinander vermutlich ganz schnell Einigkeit erzielen. Bei einer Frage würden die meisten von Ihnen als Predigthörer wohl still mit dem Kopf nicken: Zu den wichtigsten Gütern im Leben zählt die Gesundheit. Oder in zwei Worten: „Hauptsache gesund.“ So höre ich es bei vielen Besuchen.
Hauptsache gesund? Ich muss Sie enttäuschen: Sie haben Unrecht. Oder genauer: Der Apostel Paulus sagt, Sie haben Unrecht. Die leibliche Gesundheit, die äußere Gesundheit sind nicht das Wichtigste im Leben. Aber - was denn sonst? Ich verstehe Paulus in dieser Richtung:

Gesundheit und Zufriedenheit

Kennen Sie nicht auch Menschen, die scheinen geradezu vor Gesundheit und Kraft zu strotzen. Sie pflegen sich und tun alles für ihr Äußeres. Sich geben sich der Wellessbewegung hin. Und doch beschleicht einen eine gewisse Unsicherheit, wie viel Fadheit und Leere, ja vielleicht Sehnsucht nach dem Eigentlichen doch hinter dieser schönen Fassade stecken mag.
Und da ist auf der anderen Seite jener alte und kranke Mensch, jener womöglich an Stuhl oder Bett Gefesselte in Ihrer Nachbarschaft, der doch für uns gesunde Zuschauer eigentlich todunglücklich sein müsste. Und aus seinen Augen und seinem Gesicht strahlt eine tiefe Zufriedenheit.
Wie oft erzählen Menschen, die Kranke besuchen, davon, dass sie letztlich mehr geschenkt bekommen als geben.

Oder da gibt es Menschen, deren Alter man gar nicht mehr so recht schätzen kann, weil sie eine Menge Geld in die Reparatur ihres Äußeren gesteckt haben. Sie wollen den unweigerlichen Verfall ihres Körpers mit seinen Falten, Runzeln, Glatzen und Pfunden bremsen oder doch wenigstens verschleiern. Und dann schaut einen beim näheren Hinsehen ein Gesicht an, das eher einer Statue gleicht als einem lebendigen Geschöpf Gottes.
Und dann wiederum auf der anderen Seite der, der sich seiner Falten, seiner Runzeln, seines Bauches und seiner Glatze nicht schämt und seinen Frieden damit geschlossen hat. Seine Zufriedenheit und sein Glück sind davon unabhängig.

Worauf kommt es an?

Der Apostel Paulus stellt unser „Hauptsache gesund“ in Frage. Mit unseren alltäglichen Worten würden wir vielleicht sagen: Auf die Zufriedenheit kommt es an, und die ist nicht unbedingt abhängig von der Gesundheit.
Hören Sie als Predigttext ein paar Sätze aus seinem 2. Brief an die Gemeindeglieder in Korinth. Sie sind aus einem größeren Zusammenhang genommen. Paulus hat sich gegen Angriffe zu verteidigen, er habe als Apostel rein äußerlich ein klägliches und kränkliches Bild abgegeben. Das gibt er gerne zu und warnt die Gemeindeglieder in Korinth nur auf das Äußere zu schauen und sich vielleicht gar davon blenden zu lassen:

„Wir werden nicht müde; sondern, wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert. Denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.“

Vom äußeren und inneren Menschen

Da redet ein Mensch, der viel durchgemacht hat an weiten beschwerlichen Reisen, an Krankheiten, Entbehrungen, Anfeindungen und menschlichen Enttäuschungen. Ein Mensch, der offenbar eine unheilbare Krankheit hatte, die ihn immer wieder schlug. Äußerlich kein Adonis und vermutlich auch nicht mit einer sehr überzeugenden Redegabe. Wer mag, kann das alles ausführlich nachlesen in diesem 2. Korintherbrief.
Paulus, ein Mann, der wirklich allen Grund hatte, körperlich müde zu sein, sagt hier von sich und den Christen überhaupt: Wir werden trotz allem nicht müde. Oder wie man das hier Stehende auch übersetzen kann: Wir werden nicht mutlos, wir resignieren nicht. Und er unterscheidet in diesem Zusammenhang den sogenannten äußeren und inneren Menschen in uns. Der äußere Mensch mag müde werden, der innere nicht. Was meint er damit?

Der äußere Mensch: das ist unser Leib, der unweigerlich dem Altern und schließlich dem Sterben unterworfen ist. Der innere Mensch: das ist nicht so einfach zu beschreiben. „Seele“ sagt man manchmal. Aber doch nicht die Seele als Psyche, denn die kann ja auch altern, krank werden, leiden und an Spannkraft verlieren. Der innere Mensch, das ist der vom Glauben getragene Mensch. Mein Ich, mein glaubendes Ich.

Wir sterben Tag für Tag

Vom äußeren Menschen, also von unserem Körper sagt Paulus: Unweigerlich ist er früher oder später dem Tod verfallen. Tag für Tag stirbt er in Krankheiten und Leiden immer wieder kleine Tode. Die Biologen sagen es uns: Ab einem bestimmten Punkt im Leben setzt in uns ein Zellverfall ein, den niemand zu stoppen, höchstens ein wenig zu bremsen vermag.
Alter und Tod zu bremsen: Wie viel phantasiereiche Filme wurden zu diesem Menschheitstraum schon gemacht? Wie viele Ärzte und Wissenschaftler mögen sich damit beschäftigen? Wie viel Geld mögen Schönheitschirurgen durch diese Sehnsucht verdienen? Wie viel innere Kraft mag bei Menschen verloren gehen, indem sie sich gegen diese Wahrheit stemmen und sie aus dem Leben verdrängen wollen?

Wir reifen Tag für Tag

Setzt eure Kraft für etwas ganz anderes ein, würde Paulus vielleicht sagen. Konzentriert euch auf das in eurem Leben, wo ihr wirklich vorwärts kommt, wo ihr Fortschritte machen könnt noch bis zu Stunde eures Todes. Denn auch als Christen könnt Ihr den Verfall des Körpers nicht aufhalten. Konzentriert euch auf den inneren Menschen, der nicht dem Tod unterworfen ist. Während der Körper unweigerlich altert und verfällt, kann der innere Mensch Tag für Tag neu werden, wachsen und reifen bis zum Ende.

Über den eigenen Schatten springen?

Ein anderes Sprichwort sagt: „Niemand kann über seinen Schatten springen.“ Ich verwende es auch öfter, wenn ich mich oder andere damit trösten will, dass Gott uns halt so gemacht hat, wie wir sind, dass wir ihm recht sind mit allen unseren Grenzen.
Aber vielleicht sollen wir vorsichtiger sein mit diesem Wort, weil wir damit Gottes Möglichkeiten einschränken. Warum sollten nicht deutliche Veränderungen möglich sein? Ist es vielleicht mehr die Angst vor der Veränderung?
So viel Wahrheit liegt ganz bestimmt in diesem Sprichwort: Wir können uns nicht aus eigener Kraft grundlegend ändern. Wir können nicht aus eigener Kraft unseren Schatten, unsere dunklen und schwachen Seiten überspringen. Aber warum sollten Gott solche Veränderungen nicht möglich sein, wenn wir sie ihm nur zutrauen?

Veränderung ist möglich ...

So heißt es im Wochenspruch: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur – eine neue Schöpfung -; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“ Das heißt doch: Die Schöpfung ist noch nicht zu Ende. Gott hat mich zwar durch Vererbung, durch Erziehung, durch Einflüsse und Vorbilder von verschiedenen Seiten so werden lassen, wie ich bin. Aber ich muss nicht bleiben, der ich bin. Erneuerung ist möglich. Veränderung ist möglich. Dem Schöpfer sind sie möglich. Aber wie?

„Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung.“ Neuwerden, Veränderung sind möglich, wenn jemand seine Christusbeziehung, seine Gottesbeziehung pflegt. Oder in dem Bild des heutigen Evangeliums, wo Jesus unsere Gottesbeziehung im Bild vom Weinstock und seinen Reben plastisch beschreibt: Dran bleiben an dem Stamm, der mich trägt, an der Wurzel, die mich nährt, in der Gemeinschaft, die mich hält.
Nicht erst dann, wenn die Not mich treibt, sondern regelmäßig. So wie das Auto seine Pflege, seine Inspektion und seinen TÜV braucht; so wie der Garten und das Haus ihren Frühjahrsputz brauchen, genauso auch der innere Mensch. Von nichts kommt nichts.

... aber ich muss es wollen und zulassen

Veränderung, Neuwerden, Schatten loswerden, das liegt allein bei Gott, dem Schöpfer. Aber Veränderung wollen, Gott Veränderung zutrauen, sich öffnen, dass er an einem arbeiten kann, das liegt auch in unserer Hand. Gott vergewaltigt niemand. Er braucht unser Ja.
Und er braucht ein wenig unserer Zeit: Fünf Minuten, zehn Minuten, eine Viertelstunde am Tag vielleicht. Schon fünf Minuten sind viel, wenn wir nur ganz da, ganz aufmerksam sind. Fünf Minuten, in denen wir nicht gleich wieder selber reden, sondern auch Gott die Chance zum Reden einräumen: Durch einen Bibelabschnitt oder durch ein Losungswort. In meditativer Stille, wo wir unserem Lebensatem oder dem Schlag unseres Herzens und damit dem Schöpfer lauschen.

„Darum, du Gott der Gnaden, du Vater aller Treu, wend allen Seelenschaden und mach mich täglich neu; gib, dass ich deinen Willen gedenke zu erfüllen, und steh mir kräftig bei.“ Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de