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Die Predigt |
Die Freiheit des
Glaubens
„Zur Freiheit hat uns Christus befreit.“ So fasst Paulus
seine Botschaft zusammen. „Zur Freiheit hat uns Christus befreit:“
Weil Christen nur einen Herrn haben, können alle anderen, die
auch gerne Herren sein möchten, ihnen nichts anhaben. Wer fest
auf Gott vertraut, hat alles und braucht nichts darüber hinaus
zu seiner Seligkeit und inneren Zufriedenheit.
Die Christen in Galatien
„Zur Freiheit hat uns Christus befreit.“ Diesen Satz hat
Paulus damals in einem ganz bestimmten Zusammenhang geschrieben. Paulus
schreibt an die Galater, also an Christen in der Landschaft Galatien.
Heute wäre das mitten in der Türkei, wo es praktisch keine
Christen mehr gibt. Auf seiner 2. Missionsreise hatte Paulus dort
als Wanderapostel Gemeinden gegründet. Menschen waren durch ihn
zum Glauben und Christus gekommen. Bei seiner 3. Missionsreise ist
er noch einmal bei ihnen vorbei gekommen. (In fast allen Bibeln befindet
sich hinten eine Karte mit dem damaligen Mittelmeerraum, in dem diese
Reisen des Paulus eingezeichnet sind.)
Und dann kommen nach seinem letzten Besuch andere Apostel in die Gemeinde:
Christen, die vorher Juden gewesen sind. Und sie predigen den Christen
dort in Galatien, die vorher nie etwas mit dem Judentum zu tun hatten:
Ihr könnt nur gerettet werden, wenn ihr auch die wichtigsten
jüdischen Gesetze einhaltet, Speisegebote z.B., wie das Schweinefleischverbot,
bestimmte Feiertage, und v.a. wenn ihr euch zum Zeichen des Bundes
mit Gott beschneiden lasst.
Es geht ums Ganze
Das kommt Paulus zu Ohren und er schreibt den Christen dort einen
harten und unmissverständlichen Brief, der uns als der sog. Galatarbrief
erhalten ist. Nach einer kurzen Begrüßung heißt es
in diesem Brief:
6 Mich wundert, dass ihr euch so bald abwenden lasst von dem,
der euch berufen hat in die Gnade Christi, zu einem andern Evangelium,
7 obwohl es doch kein andres gibt; nur dass einige da sind, die euch
verwirren und wollen das Evangelium Christi verkehren. 8 Aber auch
wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein Evangelium predigen würden,
das anders ist, als wir es euch gepredigt haben, der sei verflucht.
(Gal 1,6-8)
Unmissverständlich: Christus allein genügt. Jede andere
Botschaft ist ein anderes, ein falsches Evangelium. Und dann im 5.
Kapitel die Worte für heute:
5 1 Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und
lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen! 2 Siehe,
ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch beschneiden lasst, so wird euch
Christus nichts nützen. 3 Ich bezeuge abermals einem jeden, der
sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig
ist. 4 Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht
werden wollt, und seid aus der Gnade gefallen. 5 Denn wir warten im
Geist durch den Glauben auf die Gerechtigkeit, auf die man hoffen
muss. 6 Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein
etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.
Die geschenkte Gerechtigkeit
Harte Worte, denn für Paulus geht es ums Ganze, es geht Leben
und Seligkeit. Paulus, der geborene Jude, hatte durch seine Bekehrung
erlebt: Es gibt zwei Wege zu Gott: Den Weg des Alten Testaments, über
das Einhalten des Gesetzes vor Gott gerecht zu werden. Und es gibt
den Christusweg, den er selber vor Damaskus am eigenen Leib erlebt
hat: Gott ist mir gnädig, ohne dass ich mir es erarbeitet habe.
Und seine Erfahrung haben es ihm bestätigt: Man musste nicht
Jude gewesen sein, um Jesus Christus als seinen Retter anzunehmen
und den Heiligen Geist zu empfangen. So war es auch bei den Galatern.
Und daran erinnert er sie:
O ihr unverständigen Galater! Wer hat euch bezaubert, denen
doch Jesus Christus vor die Augen gemalt war als der Gekreuzigte?
Das allein will ich von euch erfahren: Habt ihr den Geist empfangen
durch des Gesetzes Werke oder durch die Predigt vom Glauben?
(Gal 3,1-2)
Der Weg der eigenen Gerechtigkeit
Mit anderen Worten gibt es nur zwei mögliche Wege: Sich aus eigener
Kraft die Liebe und Annahme Gottes erarbeiten wollen. Und: Sich das
Heil von Gott schenken lassen in dem Wissen, dass ich nie mit meiner
Leistung vor ihm bestehen kann.
Das eine geht nicht mit dem anderen zusammen, schreibt Paulus den
Galatern: Wenn ihr, die ihr Christus schon angenommen habt, nun meint,
ihr könntet da noch ein i-Tüpfelchen draufsetzen, indem
ihr auch noch das eine oder andere jüdische Gesetz einhaltet
und euch beschneiden lasst, dann braucht ihr Christus nicht mehr.
4 Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht
werden wollt, und seid aus der Gnade gefallen.
Entweder ist das Heil in Christus geschenkt. Dann ist das endgültig
und 100-prozentig. Und euch fehlt nichts. Oder ihr lasst euch auf
den alten Weg der eigenen Leistungen und Verdienste ein, dann braucht
ihr Christus nicht mehr. Aber dann müsst ihr wissen: Wenn ihr
es aus eigener Kraft schaffen wollte, dann müsst ihr 100-prozentig
sein, müsst alle jüdischen Gesetze einhalten und nicht nur
auf ein paar.
3 Ich bezeuge abermals einem jeden, der sich beschneiden lässt,
dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist.
Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?
Worte aus einer anderen Welt, die wir hier lesen. Ich weiß.
Die Warnungen im Blick auf die Beschneidung und die Gesetze des Alten
Testaments haben mich uns heute nichts mehr zu tun. Es gibt unter
uns niemand, der auf diese Weise meint, vor Gott gerecht werden zu
können.
Aber was dahinter steht, bleibt aktuell, solange es Menschen gibt:
Luthers Frage: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? Oder: Was
muss ich tun, dass Gott mich annimmt? Was muss ich tun, damit ich
inneren Frieden finde?
Luther hat es persönlich in seinem Leben erfahren, was Jesus
so deutlich erzählt hat, z.B. im Gleichnis vom verlorenen Sohn:
Erarbeiten und verdienen kannst du dir Gottes Liebe nicht. Doch wenn
du sie von Herzen suchst, dann schenkt er sie dir.
Wenn du dich aber hinstellen solltest: Um Gottes Liebe betteln? Mit
leeren Hände vor ihn hintreten und mich beschenken lassen? Wer
bin ich denn? Ich bin ein anständiger Mensch. Ich habe immer
mein Bestes gegeben. Ich bin noch mit der gleichen Frau verheiratet.
Ich habe noch niemanden umgebracht, usw. usw. Ist das nichts, lieber
Gott?
Dann brauchst du eigentlich Gott überhaupt nicht. Dann hast du
die Freiheit des Glaubens noch nicht geschmeckt.
Herrliche Freiheit
Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst
euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!
Paulus an die Galater und auch an uns: Sich von Gott beschenken lassen,
bringt eine riesige Freiheit mit sich: Ihr seid nur Gott verpflichtet
und niemand anderem. Was euer Nachbar sagt, kann euch egal sein, wenn
ihr mit Gott im Reinen seid. Auch was die sog. Frommen, die manchmal
Überfrommen sagen. Auch was „man“ so sagt und was
angeblich „in“ ist: Mode, Zeitgeschmack, es braucht euch
nicht zu belasten. Wenn ihr euch davon irre machen lasst, dann verscherzt
ihr diese Freiheit des Glaubens und dann müsst immer nur der
neuesten Mode, dem neuesten Gerede, dem billigsten Preis der Stadt
und dem höchsten Jackpot aller Zeiten hinterherlaufen.
Nicht Freiheit von ..., sondern Freiheit zu ...
Freiheit aus dem Glauben heraus. Freiheit, weil Gott mich annimmt,
wie ich bin: Heißt das nun: Die ganze Welt kann mir egal sein.
Ich kann machen, was ich will. Nichts verpflichtet mich mehr. Nichts
belastet mich mehr. Keiner kann mich mehr, aber alle können mich
mal. Nein, diese Freiheit meint Paulus nicht:
6 Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein
etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.
Oder weil es gerade am Reformationstag angebracht ist, auf Luthers
Auslegung der Bibel zu hören. Er sagt zu diesem Thema Freiheit:
"Damit wir gründlich erkennen können, was ein Christenmensch
sei und wie es um die Freiheit beschaffen sei, die ihm Christus erworben
und gegeben hat, davon Paulus viel schreibt, will ich diese zwei Leitsätze
aufstellen: Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle
Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer
Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“
Martin Luther: Von der Freiheit eines Christenmenschen (1520)
„Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge
und niemand untertan.“ Das ist Paulus: „Zur Freiheit
hat uns Christus befreit.“
Aber da ist im gleichen Atemzug auch das andere: Ein Christenmensch
ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.
Die Freiheit, die uns als Christen geschenkt ist, ist keine egoistische
Freiheit. Sie entlässt uns nicht aus der Verantwortung. Ich habe
Verantwortung. Verantwortung für mich selbst: wie ich mit meinen
Leib und meiner Gesundheit umgehe. Und ich stehe in der Verantwortung
für meinen Nächsten, für meinen Mitmenschen.
Und da tue ich mein Bestes. Aber das tue ich, sagt Luther, nicht um
vor Gott gut da zu stehen, um heimlich wieder etwas zurück zu
bekommen, um Lob zu ernten oder mir selber innerlich auf die Schultern
zu klopfen. Nein, ich tue es, weil es einfach aus dem Herzen kommt.
Ich tue es von innen heraus, so wie ein guter Baum gute Früchte
bringt.
Als von Gott Beschenkter beschenke ich andere. Als einer, mit dem
Gott gnädig umgeht, gehe ich mit anderen gnädig um. Als
einer, den Gott vorbehaltlos annimmt, nehme ich andere an. Als einer,
zu dem Gott ja sagt, sage ich ja zu mir selbst und zu anderen.
Als innerlich Befreiter die Freiheit für andere haben. „Zur
Freiheit hat uns Christus befreit.“ Amen |
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