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Die Predigt |
Das unbekannte
Neue
Da braucht man kein Prophet sein: Das neue Jahr wird jedem von uns
Neues bringen. Was? Das wissen wir nicht. Wir ahnen vielleicht die
Bereiche, wo sich etwas tun wird, weil sich jetzt schon Entwicklungen
abzeichnen: In der Familie. Beruflich. Gesundheitlich.
Gar zu gern möchte mancher natürlich Genaueres wissen und
spielt mit den Möglichkeiten: Bleigießen. Eines der allgemeinen
Horoskope lesen. Eines aus westlicher Tradition oder auch ein chinesisches.
Sich gar ein eigenes persönliches Horoskop stellen lassen. Und
was es sonst noch gibt. ...
Solange es ein Spiel bleibt, kann man es mit einem Lächeln abtun.
Wehe aber, wenn jemand meint, er wolle ernsthaft Zukunft in den Griff
kriegen. Der muss gewärtig sein, dass ihn solche Praktiken auf
einmal selber im Griff haben.
Die Tradition der Losungen
Unsere christliche Tradition lässt die Zukunft offen, weil sie
in Gottes Hand liegt, und nicht von irgendwelchen Gesetzmäßigkeiten
vorherbestimmt ist. Aber: Eine Botschaft in Form eines Gotteswortes
bekommen, eine Botschaft, was da werden könnte, das kennt auch
die christliche Tradition in Form der Losungen.
Losung, das kommt aus dem Bereich des Militärs: Da gab es und
gibt es die Tageslosung am Morgen beim Antreten. Im 18. Jhd. hat Nikolaus
von Zinzendorf diesen weltlichen Brauch für seine Brüdergemeine
in Herrnhut übernommen. Aus einer Vielzahl von Kärtchen
mit Bibelworten ließ er eines als Gottesbotschaft für den
jeweiligen Tag ziehen. Das Losungsbüchlein mit zwei Bibelworten
für jeden Tag entstand. Später kam auch die sog. Jahreslosung
hinzu. Und es gibt christliche Gemeinden, wo zu Jahresbeginn Menschen
aus einer großen Schale mit Bibelworten sich ein ganz persönliches
Gotteswort für das neue Jahr ziehen. Oder manche schlagen blind
die Bibel auf und lassen sich von Gott zu irgendeinem Wort hinführen.
Im Rahmen der persönlichen Frömmigkeit darf jeder seinen
Weg finden, wenn er Seines nur nicht verallgemeinert.
Die Jahreslosung für das Jahr 2007
Gedanken zur Jahreslosung will ich Ihnen weitersagen. Das können
nur allgemeine Gedanken sein, weil Gott mit jeder und jedem seine
eigene Geschichte hat und seinen eigenen Weg geht.
Aber von dieser Überzeugung gehe ich aus: Gott hat mit dir und
mit mir in diesem Jahr einen eigenen Weg vor, einen, den es zu entdecken
gilt. In diesem Sinne lese und verstehe ich die Jahreslosung für
das Jahr 2007 aus dem Propheten Jesaja, Kapitel 43, Vers 19. Sie haben
ein Kärtchen am Eingang bekommen:
Gott spricht: „Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt
wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?“
Ich gehe Stück für Stück an den Worten entlang:
Wachsen und reifen
Siehe, ich will ein Neues schaffen.
Wie ich schon zu Beginn sagte: Dazu muss man kein Prophet sein. Es
wird für jeden Neues geben in diesem Jahr. So oder so. In dieser
Hinsicht würde also die Jahreslosung überhaupt nichts Neues
bringen. Nur in diesem Sinne hat sie Bedeutung: Für dich und
mit dir hat Gott in diesem Jahr etwas Neues vor. Etwas, was zu deinem
Lebensweg gehört. Etwas, was dich weiterbringt, dich wachsen
und reifen lässt. Etwas Gutes oder Positives in unseren menschlichen
Augen? Ich weiß es nicht. Gott kann durch verschiedene Dinge
reifen lassen.
Gott ist am Werk
Siehe, ich will ein Neues schaffen.
Das ist für mich fast wie eine Auslegung der Epistel: Es wird
Neues geben. Aber nicht unter dem Gesichtspunkt: Das und das habe
ich mir an Neuem und Anderem vorgenommen. Das plane ich. Jenes soll
werden. Sondern mit den Worten aus dem Jakobusbrief: „Wenn der
Herr will und wir leben, werden wir dies und das tun.“
Das Neue, das ganz gewiss kommen wird, kommt durch Gott und nicht
durch meine Planung. Das ist auch an der Wortwahl abzulesen: Siehe,
ich will ein Neues schaffen. Schaffen: Dasselbe Wort wie zu Beginn
von Welt und Zeit. Schöpfung. Das kann nur Gott. Wenn Neues im
Leben entsteht, ist Gott, der Schöpfer lebensschaffend am Werk.
Das neue Jahr als Entdeckungsreise
Siehe, ich will ein Neues schaffen.
Siehe, das heißt: Wenn du entdecken willst, was Gott mit dir
vor hat, dann musst du in deinem Leben und auf deinem Lebensweg die
Augen aufmachen. Du musst die Entwicklungen und Weichenstellungen,
die sich abzeichnen, aufmerksam verfolgen. Siehe! Das heißt:
Gott hat mit jedem von uns etwas vor. Wir müssen es nicht erst
erfinden. Es ist da. Es liegt bereit. Wir müssen es entdecken.
Wie wäre das: Vom ersten Tag an an das neue Jahr herangehen,
als wäre es eine Entdeckungsreise, eine Reise voller Überraschungen?
Nicht einfach eine langweilige und zufällige Abfolge von Tagen,
wo man sich nur wieder mal wundert, wie schnell doch die Zeit vergeht.
Wachsen lassen
Siehe, ich will ein Neues schaffen. Jetzt wächst
es auf.
Wenn wir jetzt Schnee hätten, wäre vielleicht die Wintersaat
darunter und wir hätten ein schönes Bild für das Wirken
Gottes: Verborgen unter der weißen Decke tut sich etwas. Man
kann es noch nicht sehen. Aber ganz bestimmt: Es tut sich etwas. Auch
in der Kälte. Auch in angeblich lebensfeindlicher Umgebung.
Das ist das erste, nicht nur in der Landwirtschaft: Darauf vertrauen,
dass sich etwas tut, auch wenn man es nicht gleich sieht. Und dann
an den grünen Spitzchen nicht gedankenlos vorbeigehen.
Und dann das zweite, nicht nur in der Landwirtschaft: Wachsen lassen,
ist nicht unser Geschäft, sondern dankbar zuschauen und staunen.
Wenn der Horizont eng ist
Siehe, ich will ein Neues schaffen. Jetzt wächst es auf.
Erkennt ihr’s denn nicht?
Die Worte des Jesaja waren damals an die Menschen im babylonischen
Exil gerichtet: Nach der Zerstörung Jerusalems und des Tempels
durch die neue Großmacht der damaligen Zeit saßen sie
verschleppt, ausgesiedelt im fernen Zweistromland: Menschen ohne Perspektive.
Heimatlos, trostlos.
Wer in einer solchen Situation ist, hat automatisch einen engen Horizont.
Er kann nur zu Boden schauen. Er sieht nur das Nächstliegende.
Er sieht nur seine Lage. Er lebt wie ein Pferd mit Scheuklappen.
Da tut sich etwas. Viele andere, alle anderen ahnen es schon. Aber
du siehst nichts. „Aber ihre Augen waren gehalten.“ So
heißt es bei den Emmausjüngern, die traurig voranstapfen
und den auferstandenen Jesus nicht erkennen können, der neben
ihnen geht. Sie hängen ganz der Vergangenheit und dem Verlust
nach und sehen nur, was nicht mehr ist.
Den neuen Wegen trauen
Perspektive, das brauchen wir mit einem Fremdwort. Per-spektive: Durch-schauen,
durch-blicken. Und das geht oft nicht anders, als dass uns jemand
an die Seite tritt, ein paar Schritte mit uns geht, uns die Augen
öffnet und dann fragt: Siehst du’s wirklich nicht? Selbst
Perspektive finden und anderen Perspektive vermitteln.
Ein kleines Stückchen gehe ich noch weiter, ein Stückchen
über die Jahreslosung hinaus, die nur der erste Teil eines Bibelverses
ist:
Siehe, ich will ein Neues schaffen. Jetzt wächst es auf.
Erkennt ihr’s denn nicht? Ich mache einen Weg in der
Wüste und Wasserströme in der Einöde.
Was ist unter anderem das Neue, was Gott mit dir und mit mir vor hat:
Er weiß einen Weg. Er weiß einen Weg, wo wir noch keinen
sehen. Er sieht Leben, wo wir erst noch Dürre sehen.
Sich neue Wege zeigen lassen im Jahr 2007 und neue Wege wagen:
„Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist, weil
Leben heißt: sich regen, weil Leben wandern heißt. Seit
leuchtend Gottes Bogen am hohen Himmel stand, sind Menschen ausgezogen
in das gelobte Land.“ |
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