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Die Predigt vom 2. September 2007 (13. Sonntag nach Trinitatis):
»Wenn die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 13. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema ist Nächstenliebe. Evangelium (1. Lesung) war das Gleichnis vom barmherzigen Samariter und Epistel (2. Lesung) der Aufruf zur Liebe im 1. Johannesbrief. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war ein Abschnitt aus der Begrpredigt Jesu in Matthäus 6:
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
1 (Jesus lehrte seine Jünger und sprach:) Habt acht auf eure Frömmigkeit, dass ihr die nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden; ihr habt sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel. 2 Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, damit sie von den Leuten gepriesen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. 3 Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, 4 damit dein Almosen verborgen bleibe; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten.
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Die Predigt
Was ist mit Frömmigkeit gemeint?

„Habt acht auf eure Frömmigkeit.“
Frömmigkeit – damit ist hier nicht nur die Frömmigkeit im sprichwörtlichen stillen Kämmerlein gemeint. Gebet, Bibellese, Stille. Heute wird auch oft das Wort „Spiritualität“ gebraucht. Nein, was im stillen Kämmerlein beginnt, muss auch zur Tat werden. Drei Dinge gehörten für den jüdischen Glauben z.Zt. Jesu unbedingt hinzu: Almosen geben, Beten und Fasten. Alle drei behandelt Jesus in der Bergpredigt: das Almosengeben hier in diesem Abschnitt, das Beten und Fasten dann in den folgenden Abschnitten.

Christsein mit Kopf, Herz und Hand

„Habt acht auf eure Frömmigkeit, dass ihr die nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden."
Almosengeben, Beten und Fasten gehören zum Glauben, aber sie sollen um Gottes Willen geschehen, nicht um der eigenen Ehre willen. Mit anderen Worten: „Gib von deinem Besitz ab, aber nicht, um dich vor anderen hervorzutun. Bete zu deinem Vater, aber stell dich nicht vor anderen in den Mittelpunkt. Übe das Verzichten und Loslassen, aber prahle nicht damit, sonst sind alle deine Erfolge umsonst.“
Wie ist das bei uns heute? Ich denke, wir müssen heute weniger davor warnen, dass Menschen sich mit ihrer Frömmigkeit vor anderen hervortun. Wir müssen wohl eher wieder verstärkt darauf hinweisen, dass zum Glauben auch das rechte Handeln gehört. Glauben und Leben gehören zusammen. Christsein ist Christsein mit Kopf, Herz und Hand.

Almosen damals und heute

„Wenn du nun Almosen gibst ...“
Beim Thema Almosengeben, Beten und Fasten geht Jesus also an dieser Stelle auf das erstere ein, das Almosengeben:
Was ist hier mit Almosen gemeint? In unserem Wortschatz ist Almosen der geringe Betrag, den ich einem Notleidenden, einem Bettler oder Stadtstreicher am Straßenrand gebe oder auch nicht gebe. Bei dem, was Martin Luther hier mit Almosen übersetzte, geht es um mehr. Es geht um die Armenfürsorge, die Sozialfürsorge der Juden zur Zeit Jesu. Die Menschen damals gaben ein Vielfaches mehr als das, was wir unter Almosen verstehen. Den Armen und Notleidenden, den Witwen, Waisen und Fremdarbeitern zu helfen, war Glaubenspflicht. Es gab keine Sozialversicherung, keine Renten- und Krankenversicherung. Die Menschen gaben den zehnten Teil ihres Einkommens, annähernd zumindest, für die Armen in ihrem Heimatort. In Geld und in Naturalien.
Die Freikirchen, bei denen es ja keine Kirchensteuer gibt, finanzieren sich auch heute noch nach diesem biblischen Vorbild. Ein durchschnittliches evangelisches Gemeindeglied unter uns kommt, wenn man Kirchensteuer, Kirchgeld und Spenden zusammenrechnet, im allgemeinen nie auf einen Betrag in seiner solchen Höhe. Ich sage das nicht als Kritik, sondern einfach nur als nüchterne Feststellung.

Sich selbst auf die Schulter klopfen

Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, damit sie von den Leuten gepriesen werden. Wahrlich, ich sage euch, sie haben ihren Lohn schon gehabt.
Von einer tiefen menschlichen Versuchung redet Jesus hier, einer Versuchung, vor der niemand gefeit ist damals wie heute: Es ist die Versuchung, nach Lob und Anerkennung zu schielen für das Gute, das man tut.
Jesus übertreibt hier. Es ist nicht bekannt, dass damals große Geldspenden im wörtlichen Sinne mit Posaunenspiel veröffentlicht worden wären. Aber Möglichkeiten, jemand öffentlich zu ehren oder die Ehre zu suchen, gab es schon. Zum Beispiel konnte man in der Synagoge einen Ehrenplatz erhalten. „Ausposaunen“ ist hier eher übertragen gemeint. Wir haben diesen Ausdruck ja aus der Bibel in unsere Umgangssprache übernommen. Da hängt jemand seine Spendenfreudigkeit an die große Glocke, würden wir vielleicht sagen. Da ist z.B. immer wieder einmal ein Geschäftsinhaber mit Bild in der Tageszeitung zu sehen, weil er einen Betrag für einen guten Zweck übergibt, von dem ich weiß, dass ihn Privatleute ohne Aufhebens geben.
Aber wer kann schon sagen, dass er vor dieser Versuchung wirklich ganz und gar frei wäre. Wir Menschen leben von der Anerkennung. Wir leben vom Lob. Gott sei Dank gibt es immer wieder Gelegenheiten, anderen spontan zu helfen, etwas Gutes zu tun. Wer hat sich da noch nicht bei dem Gedanken erwischt: „Wenn mich jetzt jemand dabei gesehen hat, ist mir das auch nicht unrecht.“ Oder denken wir nur an die Art und Weise, wie manche etwas in die Büchsen oder den Klingelbeutel tun.

Die linke Hand soll nicht wissen, was die rechte tut

Ernst und hart geht Jesus um mit uns und unseren Versuchungen: Heuchelei ist das, sagt er, wenn du nur die Aufmerksamkeit anderer suchst. Gott kannst du damit nicht imponieren. Er hat dich durchschaut. Die Ehre der Menschen magst du haben, aber von ihm brauchst du dafür keinen Lohn zu erwarten, so gut und so großzügig deine Hilfsbereitschaft auch war. Ganz anders soll es bei euch sein.“ Und dann kommt wieder eines dieser harten Worte aus der Bergpredigt:
Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, damit dein Almosen verborgen bleibe.
Dass Almosen im Verborgenen, ohne Zuschauer, gegeben werden, wurde schon damals immer wieder geraten: Man legte seine Gaben z.B. in einem Raum des Tempels in einem Kasten ab. Notdürftige wurden dann daraus versorgt. Geber und Empfänger sollten sich nicht kennen. Der Geber sollte nicht groß heraustreten. Und der Empfänger sollte nicht in aller Öffentlichkeit als Hilfsempfänger bloßgestellt werden.
Jesus geht hier noch einen Schritt weiter: nicht nur, ohne dass andere Menschen zuschauen, sollen wir geben, sondern, ohne dass wir uns selber dabei zuschauen.
Wörtlich gesehen geht das ja nicht, dass meine eine Hand nicht weiß, was die andere tut, dass die Augen nicht zuschauen, wenn die Hand hilft. Da hätten wir eine gespaltene Persönlichkeit.
Wie könnte das also gemeint sein, dass ich selber nicht Mitwisser meiner guten Tat bin? Manche Ausleger sagen: Dass meine linke Hand nicht wissen soll, was die rechte tut, heißt, dass nicht einmal mein nächster Verwandter, nicht einmal mein Ehepartner es wissen soll. Es heißt wohl auch, dass ich selber mich nicht dauernd innerlich auf die Schulter klopfen soll für das Gute, das ich getan habe.
Vielleicht ist das mit der linken und der rechten Hand aber auch so gemeint wie im Gleichnis vom Gericht. Da lobt Jesus die Menschen, die ihm Zeit ihres Lebens geholfen haben. Und die sagen: Wir wüssten gar nicht, wo wir dir begegnet sind. Wir erinnern uns an diese Hilfe gar nicht mehr.
Kennen Sie das nicht auch: Da erzählt ihnen einer viel später: „Du weißt gar nicht, wie du mir damals in jenem Moment, als ich so am Boden war, geholfen hast.“ Und wir wissen es wirklich nicht. Ein zufälliger Anruf, eine zufällige Begegnung, gar nicht geplant, können für andere zum Segen werden.

Wer beschenkt ist, kann auch schenken

Doch auch das ist für mich noch nicht der Kern dieses Abschnittes aus der Bergpredigt. Das Geheimnis liegt im letzten Satz:
„Dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten."
„Dein Vater", das sind die zwei Schlüsselworte. Die harten Forderungen der Bergpredigt, an denen viele zweifeln oder verzweifeln, über die manche nur verwundert den Kopf schütteln, kann ich nur von daher verstehen: Jesus, der seinen Vater im Himmel respektlos mit „Abba“, also „Papa“ anredete, lädt seine Jünger ein, sich genauso voll und ganz auf ihn einzulassen wie er.
Nur wenn ich Gott so voll und ganz vertrauen und damit mich selber loslassen lerne, kann überhaupt wahr werden, was da alles in der Bergpredigt steht: Niemanden zürnen, sogar den Feind bedingungslos lieben, auch noch die rechte Backe hinhalten, sich nicht von der Sorge um Essen und Trinken zerfressen lassen, usw.. Sonst sind es übermenschliche Forderungen.

Genauso hier: Von Herzen abgeben kann ich nur, wenn ich weiß, dass ich selbst ein Beschenkter bin. Was ich habe, ist mir von Gott geschenkt. Und er schenkt mir mehr, als ich bei Licht besehen, verdient habe und brauche. Und ich erfahre: Wenn ich davon abgebe, sogar viel abgebe, reicht es doch immer noch und ich werde nicht ärmer. Manche habe sogar das Empfinden, sie wurden reicher dadurch. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de