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Die Predigt vom 25. November 2007 (Gedenktag der Entschlafenen):
»Ich bin ein Gast auf Erden«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Letzten Sonntag des Kirchenjahres, von seinem bewussten Blick nach vorn Ewigkeitssonntag genannt, auch als Totensonntag bzw. im kirchlichen Sprachgebrauch Gedenktag der Entschlafenen begangen. Sein Thema ist die Endlichkeit des Lebens. Evangelium (1. Lesung) war das Gleichnis von den klugen und törichten Brautjungfern und Epistel (2. Lesung) die Zukunftshoffnung nach der Offenbarung. Wegen des Paul-Gerhardt-Jahres wurde ein Lied von ihm ausgelegt:
Predigttext
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Der Predigttext
(Liedtext siehe unten.)
Predigt
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Die Predigt
Gäste sind willkommen

1. Ich bin ein Gast auf Erden und hab hier keinen Stand; der Himmel soll mir werden, da ist mein Vaterland. Hier reis ich bis zum Grabe; dort in der ewgen Ruh ist Gottes Gnadengabe, die schließt all Arbeit zu.

So haben wir im Laufe des letzten Jahres mit manchen von Ihnen gesungen. Diese Verse stammen von dem evangelischen Liederdichter Paul Gerhardt, der vor 400 Jahren geboren wurde. Durch Lieder wie „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ oder „Befiehl du deine Wege“ ist er vielen bekannt. Schon öfter habe ich in diesem Jahr durch die Auslegung eines seiner Lieder an ihn erinnert und möchte es auch heute wieder tun.
Gäste sind wir auf dieser Erde. Das gilt für die Verstorbenen, von denen sich einige von Ihnen in diesem Jahr verabschieden mussten. Und es gilt für uns, die Hinterbliebenen, die Zurückbleibenden, die diesen letzten Gang noch vor sich haben.

Gäste können nicht bleiben

Als Menschen sind wir Gäste auf dieser Erde, Gäste auf diesem Stern, wie es manchmal dichterisch heißt. Wie Gäste sind wir herzlich willkommen, aber willkommen nur auf Zeit. Gästen dürfen genießen, was ihnen geschenkt ist, aber es gehört ihnen nicht. Gäste müssen nach einer gewissen Zeit wieder gehen. Sie müssen sich verabschieden.
„Ich bin ein Gast auf Erden und hab hier keinen Stand.“ Gäste können nicht bleiben. Wir können uns zwar häuslich einrichten auf dieser Welt, aber wir sind nicht endgültig zu Hause.
So habe ich manche von Ihnen an eine Karikatur mit einem Grabstein erinnert, die ich gefunden habe: Ein Grabstein, auf dem der Name eines Menschen zu lesen war, dazu sein Geburtsjahr und Sterbejahr. Und darunter stand: Ende des 1. Aktes.
„Hier reis ich bis zum Grabe.“ Wir sind als Menschen wie auf einer Reise. Wir sind unterwegs. Wir sind mit einem alten Wort Pilger, Wanderer auf dem Lebensweg.

Gäste sind unruhig

Dort wo wir hinkommen ist Ruhe und keine Arbeit mehr, sagt Paul Gerhardt. Das ist normalerweise kein verlockendes Angebot. Die meisten von uns, vermute ich, möchte gerne noch hier bleiben, sind froh, dass sie Arbeit haben und gebraucht werden.
Aber es gibt Lebensphasen, da ist es anders: Wenn ich bedenke, wie lange manche der Verstorbenen, die wir vorhin verlesen haben, haben liegen müssen. Manche haben sich gesehnt, dass sie endlich zur Ruhe finden. Oder für manche, die nicht mehr ansprechbar waren, haben Sie selber als Angehörige die Ruhe und den Frieden ersehnt.
Ruhe, die wir uns sonst nicht ersehnen, die aber in einem solchen Fall Gnade Gottes sein kann.
Wir singen die erste Strophe des Liedes 529.

Von Jugend auf mit dem Tod konfrontiert

2. Was ist mein ganzes Wesen von meiner Jugend an als Müh und Not gewesen? Solang ich denken kann, hab ich so manchen Morgen, so manche liebe Nacht mit Kummer und mit Sorgen des Herzens zugebracht.

Paul Gerhardt beschreibt mit diesen Worten in erster Linie sein eigenes Schicksal, aber mancher kann sich auch mit seinem Leben in diesen Worten wiederfinden. 11 Jahre war Paul Gerhardt, als der schreckliche 30-jährige Krieg ausbrach. Mit 12 Jahren verlor er den Vater, mit 14 die Mutter. Mit 44 Jahren erst bekommt er seine erste Pfarrstelle. Nun erst kann er eine Familie ernähren und heiratet mit 48. Das erste Kind stirbt mit einem Jahr, ebenso später drei weitere Kinder. Verständlicherweise hat das auch Auswirkungen auf die körperliche und seelische Gesundheit seiner Frau. Dazu kommen verschiedene berufliche Probleme. Zwei Jahre nach diesem Lied stirbt seine Frau. Mit einem Kind bleibt er zurück und quittiert verbittert seinen Dienst.

Das ist ein Extrembeispiel, ganz gewiss: Dass jemand zusammenfassend sagen kann, sein Leben bestand aus Mühe und Not. Mit Kummer und Sorgen hat er sich ins Bett legt, um mit ihnen auch wieder aufwachen.
Vielleicht nicht dasselbe, aber doch Ähnliches haben manche von Ihnen erlebt, am eigenen Leib oder als machtlose Zuschauer: Manche von denen, deren Namen wir vorhin verlesen haben, mussten vor ihrem Tod viele Jahre bettlägerig im Pflegeheim verbringen. Manche hatte eine lange Krankheitszeit. Manche hatten ein hartes Schicksal, weil sie vor ihrem Tod Abschied nehmen mussten von Kindern und von Ehepartnern.
Was macht Paul Gerhardt mit seinem Kummer und seinen Sorgen: Er klagt sie Gott. Er schluckt sie nicht hinunter. Er weiß, wo er ein offenes Ohr findet.
Wir singen die zweite Strophe dieses Liedes.

Einen Tröster finden

6. So will ich zwar nun treiben mein Leben durch die Welt, doch denk ich nicht zu bleiben in diesem fremden Zelt. Ich wandre meine Straße, die zu der Heimat führt, da mich ohn alle Maße mein Vater trösten wird.

Wie könnte das gehen: Leben in dem Bewusstsein, dass wir Gäste sind? Zuallererst heißt es auf jeden Fall: Der Tod muss nicht immer und überall Thema sein. Wir dürfen leben auf dieser Erde. Die Zeit, die uns geschenkt ist, ist uns wirklich von Herzen geschenkt. Das Leben hier, dieser 1. Akt, ist nichts Minderwertiges gegenüber dem kommenden Leben.
Aber immer wieder einmal sollen wir auf diesem Lebensweg Halt machen, innehalten, z.B. am Ende des Kirchenjahres, und uns heilsam unserer Endlichkeit bewusst werden. Wir leben hier, sagt Paul Gerhardt, wie in einem Zelt. Wir sind, wo wir sind, für eine gewisse Zeit zu Hause, müssen dann aber wieder unsere Zelte abbrechen und weiterwandern. Wir wissen nicht, wie lange dieser Wanderweg noch ist. Wir wissen aber die Richtung und das Ziel. Wir werden nicht in die Irre gehen. Wir werden ankommen. Das Ziel heißt Heimat.
Oder, wie Paul Gerhardt sagt, das Ziel heißt getröstet werden. Ich könnte mir denken, dass er, der zuletzt mit seinem Sohn allein war, der vier Kinder und eine Frau verloren hatte, oft untröstlich war. Wer kann sich ernsthaft in so ein Schicksal hineinversetzen?
Wie oft gibt es das, dass einer dem anderen sein Leid klagen will und auf einen Zuhörer hofft, aber dann doch keinen Tröster findet: Entweder weil der andere die willkommene Gelegenheit ergreift und erzählt, wie schlecht, ja schlechter es ihm selbst geht. Oder auch, weil der andere mit alle diesen Redensarten kommt: Ach, so schlimm ist das nicht. Das Vergeht wieder. Da musst du durch. Oder: Reiß dich ein wenig zusammen.
Menschen sind oft wirklich schlechte Zuhörer und Tröster. Paul Gerhardt hofft auf Gott.
Wir singen die sechste Strophe des Liedes.

Geborgenheit finden

7. Mein Heimat ist dort droben, da aller Engel Schar den großen Herrscher loben, der alles ganz und gar in seinen Händen träget und für und für erhält, auch alles hebt und leget, wie es ihm wohlgefällt.

Erster Akt und zweiter Akt des Lebens. Dieses Leben hier kennen wir. Wie sollen und können wir uns das Leben dort vorstellen: sowohl für die, die wir haben hergeben müssen, und auch für uns selbst? Die Bibel redet nicht deutlich und klar, sie redet in Bildern. So wie vorhin in der Epistellesung aus der Offenbarung: Dort wird es kein Leid mehr geb, keine Tränen, kein Weinen, klein Klagen, kein Fragen. Leid ist zu Ende. Tränen werden abgewischt. Klage verstummt. Fragen finden Antwort.
Paul Gerhardt sucht andere Bilder der Bibel zusammen: Heimat ist dort, wo die Engel Gott loben. Ich selber, wenn ich dort bin, werde in dieses Lob einstimmen. Es wird keine Fragen mehr geben, wenn mir Gott die Augen im Blick auf den Sinn meines Leben geöffnet hat.
Heimat ist dort, wo Menschen getragen werden, so wie ein Hirte sein Schaf, so wie eine Mutter ihr Kind auf den Armen trägt. Heimat, das ist wie die Geborgenheit des Kindes, das sich in den Schoß der Mutter schmiegt.
Wir singen die siebte Strophe des Liedes.

Ins Licht gehen

11. Du aber, meine Freude, du meines Lebens Licht, du ziehst mich, wenn ich scheide, hin vor dein Angesicht ins Haus der ewgen Wonne, da ich stets freudenvoll gleich wie die helle Sonne mit andern leuchten soll.

Und noch ein weiteres Bild Paul Gerhardts: Die Heimat, wo wir die Verstorbenen geborgen wissen dürfen, die Heimat, die auch uns erwartet, ist Licht und Helligkeit. Gott ist Licht und die bei ihm sind, werden auch Licht sein. Sie werden leuchten wie die Sonne.
Sie leben vor Gottes Angesicht. Sie leben mit Gott auf du und du.

Zum Abschluss singen wir die Verse 9-12 und sammeln dazu die Kollekte ein. Wir erbitten sie heute für die Bayreuther Stadtkirche.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de