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predigt[e].de

Die Predigt vom 23. November 2008 (Ewigkeitssonntag):
»Der erste Tag vom Rest des Lebens«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Ewigkeitssonntag, auch als Gedenktag der Entschlafenen (Totensonntag) gefeiert. Sein Thema ist das endgültige Ziel des Lebens. Evangelium (1. Lesung) war das Gleichnis von klugen und törichten Brautjungfern und Epistel (2. Lesung) die Erwartung einer neuen Schöpfung. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war dem 2. Petrusbrief Kapitel 3:
Predigttext
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Der Predigttext
3 Ihr sollt vor allem wissen, dass in den letzten Tagen Spötter kommen werden, die ihren Spott treiben, ihren eigenen Begierden nachgehen 4 und sagen: Wo bleibt die Verheißung seines Kommens? Denn nachdem die Väter entschlafen sind, bleibt es alles, wie es von Anfang der Schöpfung gewesen ist. 8 Eins aber sei euch nicht verborgen, ihr Lieben, dass ein Tag vor dem Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag. 9 Der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es einige für eine Verzögerung halten; sondern er hat Geduld mit euch und will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass jedermann zur Buße finde. 10 Es wird aber des Herrn Tag kommen wie ein Dieb; dann werden die Himmel zergehen mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden ihr Urteil finden. 11 Wenn nun das alles so zergehen wird, wie müsst ihr dann dastehen in heiligem Wandel und frommem Wesen. 13 Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt.
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Die Predigt
Was mache ich aus der Zeit, die mir bleibt?

„Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ So haben wir vorhin aus den Psalmen miteinander gebetet.
Beides bringt der letzte Sonntag im Kirchenjahr mit sich: Als Totensonntag (oder im kirchlichen Sprachgebrauch: Gedenktag der Entschlafenen) erinnert er uns an unsere Verstorbenen. Als Ewigkeitssonntag macht er uns aufmerksam auf die Endlichkeit unseres Lebens.
Die Bibelworte zum Nachdenken für den heutigen Tag sind mehr auf das letztere hin ausgerichtet. Kern der folgenden Worte ist für mich das Weisheitswort: „Der heutige Tag ist der erste vom Rest deines Lebens.“ Oder anders gesagt: Frage nicht so sehr: Wie viel Zeit habe ich noch? Sondern frage besser: Was mache ich aus der Zeit, die mir bleibt?
Aus dem 2. Brief des Petrus im 3. Kapitel:
(siehe oben)

Damals war die Lage anders

Was machen wir aus der Zeit, die uns bleibt? Die Worte aus dem Petrusbrief antworten nicht genau auf unsere Frage: Die ersten Christen richteten sich aus auf das Ende der Welt und das Kommen Gottes. Sie waren auf kurze Zeit eingestellt.
Wenn wir über das Ende nachdenken, dann nicht so sehr über das Ende der Welt, sondern über das Ende unseres eigenen Lebens. Gut, bei manchen ist mit der Finanzkrise oder auch mit dem Klimawandel so eine Art Endzeitstimmung entstanden. Aber dennoch ist den meisten, wenn ich das recht sehe, das Ende des eigenen Lebens näher als das Ende der Schöpfung.

Und: Wer ist wie die ersten Christen wirklich auf kurze Zeit eingestellt? Sie haben so gelebt wie heute nur der, der genau weiß, dass er nur noch kurze Zeit zum Leben hat. sie haben verkauft und verschenkt. Sie haben radikal zwischen Wichtigem und Unwichtigem unterschieden.

Was ist die Zeit?

Aber auch bei den ganz unterschiedlichen Umständen und Lebensgefühlen damals und heute bleibt doch die grundsätzliche Frage: Was mache ich mit der Zeit, die mir noch bleibt? Die Frage ist wichtig, wenn ich, wie ich hoffe, noch lange Zeit habe. Und die Frage ist wichtig, wenn ich, was ich ja nicht weiß, vielleicht nur noch kurze Zeit habe.
Zeit. Was ist Zeit? Zeit ist relativ, lese ich hier:
8 Eins aber sei euch nicht verborgen, ihr Lieben, dass ein Tag vor dem Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag.
Aus dem Psalm 90, den wir miteinander gebeten haben, hat der Petrusbrief diese Erkenntnis genommen: „Tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist.“ Gott andere Vorstellungen von Zeit.

Zeit ist Gnadenzeit

Alles Philosophieren über die Zeit oder die bange Frage: Wie viel Zeit habe ich noch? führen für den Schreiber vom Thema weg: Frage nicht, wie viel Zeit du noch hast, sondern frage, was du aus dieser Zeit machst. Oder noch einmal mit dem Weisheitswort: Der heutige Tag ist der erste vom Rest deines Lebens.
Oder mit den Worten des Petrusbriefs: Die Zeit, die bleibt, ist Gnadenzeit.
„Der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es einige für eine Verzögerung halten; sondern er hat Geduld mit euch und will nicht, dass jemand verloren werde, sondern das jedermann zur Buße finde.“
Die zweite und die dritte Generation von Christen hatten damals damit zu kämpfen, dass das ganz nah erwartete Ende der Schöpfung, das sichtbare Kommen Gottes und die Gerechtigkeit viel länger ausblieben als gedacht. Der Petrusbrief versteht das als Gnade Gottes:
Als einen geduldigen und langmütigen Gott stellt er Gott vor. Absichtlich schiebt Gott sein Kommen hinaus, damit die, die ihr Leben bisher verfehlt haben, weiter eine Chance haben, noch zu der Liebe zu Gott und zum Mitmenschen und damit zu einem Sinn ihres Lebens zu finden.
So ähnlich heißt es in Jesu Gleichnis vom Feigenbaum, das wir am Buß- und Bettag gehört haben. Ein Feigenbaum, der keine Früchte bringt, soll gefällt werden. Und dann bittet der Gärtner den Besitzer des Gartens um Aufschub: „Hab noch ein Jahr Geduld. Ich will noch einmal um ihn herum umgraben und düngen. Vielleicht bringt er doch noch Frucht. Wenn nicht, kannst du ihn immer noch umhauen.“
Gott ist einer, der Geduld hat, sagt Jesus. Gott ist einer, der sich durch Bitten und Gebete erweichen lässt, einer der ein Herz hat.

Keine falsche Sicherheit

Aber: Man könnte Gottes Geduld auch überstrapazieren. Wer fragt: Wie viel Zeit habe ich noch? könnte ja auf die Idee kommen: Ach, ich habe noch viel Zeit.
„Es wird aber des Herrn Tag kommen wie ein Dieb; dann werden die Himmel zergehen mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden ihr Urteil finden.“
Nein, bitte nicht die Frage: Wie viel Zeit habe ich noch? Sie ist in zwei Richtungen verführerisch. Sie kann dazu führen, dass jemand da sitzt wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange: ängstlich und gelähmt. Und sie kann dazu führen, dass sich jemand immer nur beruhigt: Umsteuern kann ich immer noch. Irgendwann.
So führt beides zu Untätigkeit und Gleichgültigkeit. Also noch einmal. Nicht: Wie viel Zeit habe ich noch? Sondern: Was mache ich mit der Zeit, die ich noch habe? Oder mit den Worten aus dem Petrusbrief:

Es gibt verpasste Gelegenheiten

„Wenn nun das alles so zergehen wird, wie müsst ihr dann dastehen in heiligem Wandel und frommem Wesen.“
Heilig sollen wir leben: also so, wie es sich für Menschen gehört, die um ihre Verantwortung vor Gott wissen. Dass nach unserem christlichen Glauben unser Leben einmalig ist und einmal unweigerlich ein Ende hat, bedeutet ja, dass es auch vertane Chancen und Gelegenheiten am Ende geben wird. Fernöstliche Ideen wie die Reinkarnation, die Wiedergeburt, die Vorstellung also, dass ein Mensch öfter lebe, verwässern diesen Ernst wieder. Wer als Christ dieser asiatischen Lehre zuneigt, muss sich dessen bewusst sein: Mein Leben hier und meine Verantwortung vor Gott heute werden gleichgültig, wenn da noch ein oder mehrere Leben kommen, wo ich nachholen kann, was ich hier versäumt habe.
Nein, es gibt vertane Chancen und verpasste Gelegenheiten. Und nicht wenige Angehörige leiden nach dem Tod eines Menschen auch darunter, dass manches Wort nicht mehr gesprochen und manche Vergebung nicht mehr gesagt werden konnte.

Den Tag als Geschenk nehmen

Eine von den Seniorinnen sagt mir einmal so ungefähr: „Jeden Abend, wenn ich ins Bett gehe, bete ich mein Vaterunser und bitte Gott um Vergebung. Ich bringe alles so in Ordnung, auch zwischen mir und Menschen, dass ich jede Nacht mein Leben abschließen könnte. Wenn ich dann am anderen Morgen wieder erwache, bin ich dankbar und freue mich über diesen einen neuen Tag.“ Das hat mich sehr beeindruckt. Ja, so müsste es sein, habe ich mir gedacht, nicht nur bei einem alten Menschen.
Jawohl, dieser eine neue Tag, dieser Tag heute ist der erste vom Rest meines Lebens. Ich darf ihn nutzen, ich soll ihn nutzen, dass es ein wenig gerechter zu geht auf dieser Welt. Die große Gerechtigkeit, die wird ja Gott erst schaffen:
13 Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de