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predigt[e].de

Die Predigt vom 11. Januar 2009 (1. Sonntag nach Epiphanias):
»Töchter und Söhne Gottes«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 1. Sonntag nach Epiphanias. Sein Thema sind die "Kinder" Gottes. Evangelium (1. Lesung) und Predigttext (s.u.) war die Erzählung von der Taufe Jesu und Epistel (2. Lesung) das Leben im Alltag als Gottesdienst.:
Predigttext
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Der Predigttext
13 Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe. 14 Aber Johannes wehrte ihm und sprach: Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir? 15 Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt geschehen! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er's geschehen. 16 Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. 17 Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
Predigt
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Die Predigt
Man sieht nur mit dem Herzen gut

„Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Diese Erkenntnis aus dem Buch „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry gilt auch für die Geschichten vom Beginn des Lebens Jesu. „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Jesus ist ganz Mensch durch und durch. Und nur wer Augen dafür hat, entdeckt hinter dem äußeren Augenschein seine göttliche Natur.
Unsere Bibel erzählt uns von seinen Anfängen nicht viel und so schreitet auch das Kirchenjahr in Riesenschritten voran: An Weihnachten hören wir von seiner Geburt; am Sonntag nach Weihnachten von seiner Darstellung im Tempel und der Begegnung mit Simeon und Hanna; am 2. Sonntag nach Weihnachten schon vom zwölfjährigen Jesus. Epiphanias lenkt mit der Anbetung der Weisen noch einmal auf Weihnachten zurück. Und heute am 1. Sonntag nach Epiphanias geht es um den Beginn seiner Wirksamkeit mit seiner Taufe durch Johannes.

„Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Die Hirten sehen nur ein armseliges Kind, aber sie entdecken in ihm den Retter der Welt. Die Weisen sind im Stall am Ziel ihrer Suche und bringen ihm Geschenke, die nur eines Königs würdig sind. Der alte Simeon kann getrost sterben, weil er in ihm den Heiland entdeckt hat.
Wer keine Augen dafür hat, sieht einen Menschen durch und durch, noch dazu einen, der sich ganz unterordnet: Er wird armselig geboren und schon als Kind verfolgt. Am Ende der Erzählung von zwölfjährigen Jesus im Tempel heißt es: „Und er ging mit ihnen hinab und kam nach Nazareth und war ihnen untertan.“ (Lk 2,51)

[Derselbe Jesus wird dann später seinen Jüngern sagen: „Wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener." (Mt 20,26) Er wird auf einem Esel, dem Reittier der Armen, in Jerusalem einziehen. (Mt 21,5) Er wird bei der Gefangennahme dem Petrus sagen, dass er sein Schwert wegstecken soll und dass er auf die Hilfe von zwölf Legionen Engel verzichtet. (Mt 26,52f)]

Jesus ordnet sich unter

Jesus ordnet sich unter. In diese Reihe gehört auch die Erzählung von seiner Taufe, die sie vorhin als Evangelium gehört haben: Jesus kommt zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen, inmitten einer großen Menge, so als wäre er einer von vielen. Und Johannes, der hinter die Kulissen schaut, der mit dem Herzen sieht, protestiert sofort.
Lange war in der frühen Kirche diese Erzählung gar nicht beliebt: Wenn die Menschen vor Johannes ihren verkehrten Lebensweg bekennen, wenn seine Taufe Vergebung der Sünden zusagt, wie kann der sündlose Jesus sich von ihm taufen lassen? Es passte nicht ins Konzept. Es passte nicht ins Bild. Und was nicht sein darf, das nicht sein kann!
15 Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt geschehen! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er's geschehen.
Johannes vertritt mit seinem Protest sozusagen die menschliche Logik, die sagt: So kann Jesus nicht sein! Wie kann er sich so unterordnen? Eine Logik, die auch heute fragt: Wenn Gott Gott ist, wie kann er nur ... Er müsste doch ...
Und Jesus verweist ihn auf die göttliche Gerechtigkeit, die erfüllt werden soll: Gott hat ganz anderes vor. Er hält einen anderen Weg für gerecht, für recht, für richtig, für angebracht. Er will nicht den machtvollen Weg gehen, sondern den sanftmütigen. Er will nicht den machtpolitischen Weg gehen, sondern den persönlichen.

Gott geht nicht den Weg der Macht

16 Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen.
Und schon wieder: Für Jesus allein tut sich der Himmel auf. Er allein sieht, wie Gott sich zu ihm bekennt. Er allein erfährt, dass Gott ihm die Kraft seines Heiligen Geistes zur Erfüllung seiner Aufgabe schenkt.
Und dann fragt natürlich menschliche Logik wieder: Hätte Gott das nicht ganz anders richten können? Hätte diese machtvolle Demonstration nicht für das ganze Volk sichtbar und hörbar sein können? Dann hätten doch alle gewusst, woran sie mit Jesus sind.
Aber nein: Zweimal werden im gleichen Evangelium die Pharisäer von Jesus ein solches göttliches Beglaubigungszeichen erbitten, und beide Mal bekommen sie es nicht. (Mt 12,39; 16,4)

Jesus ist kein Sozialrevolutionär

Ich kann das alles nicht anders verstehen, als dass der Auftrag Jesu, der da mit seiner Taufe beginnt, nicht in machtvollen öffentlichen Demonstrationen der Macht Gottes bestehen sollte. Jesus hatte offenbar keinen politischen Auftrag. Es ging auch nicht, so enttäuschend das sein mag, um die Herstellung gerechter Zustände in der damaligen Gesellschaft.
Was aber sonst? Wenn ich über Matthäus hinaus das ganze Neue Testament hernehme, dann geht es bei der Sendung Jesu um das persönliche Leben: Er, der geliebte Sohn, ist dazu da, das gestörte oder gebrochene Verhältnis der Söhne und Töchter Gottes zu ihrem Vater im Himmel in Ordnung zu bringen.
Jesus hört zwar: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe." Aber auch alle anderen sind nach Matthäus Kinder Gottes, z.B. wenn sie Frieden stiften. (Mt 5,9) Und Jesus bringt seinen Jüngern das Vaterunser bei und lehrt sie damit, Gott als ihren Vater anzureden. (Mt 6,5ff) Lukas erzählt vom verlorenen Sohn und wie ihn der Vater bei seiner Rückkehr in die Arme schließt. (Lk 15,11ff) Und Johannes und Paulus gehen dann noch weiter und ermutigen alle Getauften, sich als Kinder Gottes zu verstehen.

Das politische Evangelium

Ist das Evangelium also nur eine rein persönliche Angelegenheit? Geht es im Glauben nur um Frömmigkeit und Innerlichkeit, um das Verhältnis zwischen Gott und Mensch im stillen Kämmerlein? Ich glaube nicht, denn: Wer ernsthaft Gott als seinen Vater versteht, entdeckt automatisch in seinen Mitmenschen Schwestern und Brüder.
Und da geht es dann selbstverständlich um die Gerechtigkeit. Ja, da wird es auch politisch. Denn wenn der andere genauso wie ich ein Kind Gottes ist, dann steht ihm dasselbe zu wie mir. Bis hin zu diese unbequemen Sätzen Jesu:
Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. (Mt 5,44f)
und
40 ... Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. (Mt 25,40)

Töchter und Söhne Gottes

Das ist für mich die Botschaft dieser Taufgeschichte, wenn ich sie im Ganzen des Evangeliums anschaue: Auch wir sind wie Jesus durch unsere Taufe geliebte Töchter und Söhne Gottes.
„Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe." Das gilt auch uns. Genauso wie wir Weihnachten gehört haben: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen, an denen Gott Wohlgefallen hat.“

Wenn wir Gott als Vater schon kennen, dann sollen wir dieses Verhältnis im Gespräch mit ihm immer mehr vertiefen.
Wenn wir ihn noch nicht kennen, werden wir eingeladen, ihn kennenlernen.
Wenn wir uns pubertär und trotzig von ihm entfernt haben, sollen wir wieder zu ihm zurückfinden wie der verlorene Sohn, der genauso auch eine verlorene Tochter gewesen sein könnte.
Wenn uns vielleicht der leibliche Vater enttäuscht hat, dürfen wir hören, dass Gott in einem guten Sinne Vater ist und nicht enttäuscht.
Und nicht zuletzt: Wenn wir an einen Vater im Himmel glauben, dann sollen wir in dem Menschen neben uns unsere Schwester oder unseren Bruder erkennen und auch so behandeln.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de