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Die Predigt vom 8. Februar 2009 (Septuagesimä):
»Ist das gerecht?«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Sonntag Septuagesimä. Sein Thema ist: Lohn oder Gnade? Evangelium (1. Lesung) und Predigttext (s.u.) war das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg in Matthäus 20 und Epistel (2. Lesung) das Bild des Paulus vom christlichen Leben als Wettlauf.
Predigttext
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Der Predigttext
1 Denn das Himmelreich gleicht einem Hausherrn, der früh am Morgen ausging, um Arbeiter für seinen Weinberg einzustellen. 2 Und als er mit den Arbeitern einig wurde über einen Silbergroschen als Tagelohn, sandte er sie in seinen Weinberg. 3 Und er ging aus um die dritte Stunde und sah andere müßig auf dem Markt stehen 4 und sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg; ich will euch geben, was recht ist. 5 Und sie gingen hin. Abermals ging er aus um die sechste und um die neunte Stunde und tat dasselbe. 6 Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand andere und sprach zu ihnen: Was steht ihr den ganzen Tag müßig da? 7 Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand eingestellt. Er sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg.
8 Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und fang an bei den letzten bis zu den ersten. 9 Da kamen, die um die elfte Stunde eingestellt waren, und jeder empfing seinen Silbergroschen. 10 Als aber die ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen; und auch sie empfingen ein jeder seinen Silbergroschen. 11 Und als sie den empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn 12 und sprachen: Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und Hitze getragen haben. 13 Er antwortete aber und sagte zu einem von ihnen: Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig geworden über einen Silbergroschen? 14 Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem letzten dasselbe geben wie dir. 15 Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du scheel drein, weil ich so gütig bin? 16 So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.
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Die Predigt
Menschen ohne festen Arbeitsplatz

Wir hören von einem Weinbergsbesitzer in Israel zur Zeit Jesu. Ein Weinbauer. Ein Winzer. Zur Weinlese braucht er zusätzliche Arbeitskräfte. Er holt sie sich unter den sogenannten Tagelöhnern.
In weiten Teilen der Welt gibt es noch heute Männer, die sich am Morgen auf den Markt stellen in der Hoffnung, für diesen Tag eine Arbeit zu bekommen, für diesen Tag ihre Familie ernähren zu können. Oder sie ziehen als Wanderarbeiter in Scharen vom Land in die Städte und sehen ihre Familien manchmal monatelang nicht.
Tagelöhner kennen wir bei uns praktisch nicht, aber die Saisonarbeiter, ohne die in der Erntezeit, z.B. bei der Spargelernte, nichts ginge. Oder die sogenannten Leiharbeiter, die die Firmen zeitlich begrenzt einstellen, wenn es die Auftragslage zulässt.
„Früh am Morgen“, also bei Sonnenaufgang, sagen wir einmal so gegen sechs Uhr, stellt der Weinbergsbesitzer die ersten Arbeiter ein. „Um die dritte Stunde“ nach orientalischer Rechnung, also um 9 Uhr geht er noch einmal. Und dann um 12 Uhr und nachmittags um 3 Uhr und schließlich noch einmal um 5 Uhr, eine Stunde vor Feierabend.

Gerechte Belohnung?

Ein Silberstück, der römische Denar, die griechische Drachme, das war der übliche Tageslohn. Der Lohn, mit dem man so recht und schlecht eine Familie ernähren konnte. Eine Art sozialer Mindeststandard. Zehn bis zwölf Fladenbrote bekam man damals dafür. Ein Lamm kostete schon drei bis vier Denare.
Mit denen, die früh am Morgen ihre Arbeit begonnen haben, hat der Weinbauer diesen üblichen Tageslohn vereinbart. Denen, die später eingestellt wurden, sagt er: „Ich will euch geben, was recht ist.“ Also: Ich will euch gerecht, ich will euch angemessen bezahlen. Was ist nun gerecht, wenn jemand nicht den ganzen Tag arbeitet? Ich vermute, die Männer haben nicht mit einem ganzen Tageslohn gerechnet, sondern nur mit einem Teil.

Nach Feierabend bekommen die Tagelöhner sofort ihren Lohn. So war es im Alten Testament vorgeschrieben. (5. Mose 24,14f; 3. Mose 19,13) Eine Arbeitsschutzmaßnahme, so würden wir heute sagen. Als es also nun ans Auszahlen geht, bekommen die mit einer Stunde Arbeit überraschend den vollen Tageslohn. Wie sie reagiert haben, steht nicht da. Vermutlich haben sie einen Luftsprung gemacht, denn damit rechnen konnte sie nicht. Vielleicht ist ihnen schon die ganze Zeit durch den Kopf gegangen, wie sie es am Abend Frau und Kindern erzählen sollen, dass sie wieder einmal hungern müssen. Sie waren ja nicht faul. Sie haben sich bemüht. Aber sie hatten beim besten Willen nicht genügend Arbeit.
Und genauso ging es denen, die drei, die sechs und die neun Stunden gearbeitet hatten. Jeder bekam den Tageslohn. Beschwert haben sie sich sicher nicht. Es war mehr, als sie hoffen konnten.

Ist das gerecht?

Dass die, die seit dem frühen Morgen auf den Beinen waren, nun damit gerechnet haben, dass sie gerechterweise mehr bekommen, ist doch wohl kein Wunder. Oder? Sie murren, doch der Weinbauer erinnert sie an die Vereinbarung: Ein Tag Arbeit für einen Tageslohn. Sie haben bekommen, was ausgemacht war, nicht mehr und nicht weniger. Dass er den anderen mehr gibt, ist seine Sache, ist sein Geld.
„Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig geworden über einen Silbergroschen? Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem letzten dasselbe geben wie dir. Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du scheel drein, weil ich so gütig bin?“

Zwei verschiedene Verständnisse von Gerechtigkeit: Rechnerisch gerecht war es nicht, mathematisch gerecht, von der Leistung her, von der Arbeit her. Vom gesunden Menschenverstand her war es eher willkürlich. Vor dem Arbeitsgericht hätte so ein Vorgehen heute vermutlich keinen Bestand.
Doch der Weinbauer, der gesagt hat: „Ich will euch geben, was recht ist.“ meint eine andere Gerechtigkeit. Er entscheidet nicht nach Leistung, sondern er entscheidet vom Menschen her. Er entscheidet als sozialer Arbeitgeber, oder wie es hier heißt: als gütiger Arbeitgeber: Jeder dieser Männer hat Familie. Jeder dieser Männer hat sich um Arbeit bemüht. Jeder soll seine Familie ernähren können und nicht mit leeren Händen nach Hause gehen.

Gott belohnt nicht nach Lesitung

Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Jesus will seinen Zuhörern ja nicht in erster Linie etwas von sozialen Beschäftigungsverhältnissen erzählen. Und je länger die Geschichte gedauert hat, haben die Hörer auch gemerkt, dass es um etwas anderes geht. Denn so planlos wie in dieser Erzählung hat sich kein Arbeitgeber verhalten. Jesus spitzt zu. Er übertreibt. Er baut bei seinen Hörern Spannung auf. Er will auf etwas anderes raus.

„Das Himmelreich gleicht einem Hausherrn, der früh am Morgen ausging, um Arbeiter für seinen Weinberg einzustellen."
In einem Vergleich redet Jesus, in einem sog. Gleichnis. Was es mit dem Gott auf sich hat, der „höher ist alle Vernunft“, kann man nur mit Bildern beschreiben. „Hört mir zu: Ich will euch etwas von Gott erzählen, vom Reich der Himmel, vom Reich Gottes, davon, wie es zugeht, wenn Gottes Herrschaft einmal angebrochen sein wird."

Die Zuhörer damals haben’s gemerkt. Auch Sie als Predigthörer, denke ich, haben's entdeckt: Von Gott erzählt Jesus in der Person des Weinbergsbesitzers. Von einem Gott, der eine andere Vorstellung von Gerechtigkeit hat. Der nicht nach Leistung belohnt und urteilt, sondern der den Menschen im Blick hat. Ein Gott mit sozialem Gesicht, ein gütiger Gott, der weiß, was die Menschen brauchen.

Ist das wirklich gerecht?

Wen hatte Jesus damals im Blick? Die Frommen vielleicht, die sich auf ihre Frömmigkeit etwas eingebildet haben, die herabgeschaut haben auf die einfachen Leute, die die Heilige Schrift nicht kannten, und sie alleine deswegen nicht einhalten konnten. Die oft genannten Schriftgelehrten und Pharisäer, die andere als Zöllner und Sündern abqualifiziert und damit auch endgültig abgeschrieben haben. Sie hören am Ende des Gleichnisses: Es könnte sein, dass bei der Abrechnung, dass dann, wenn Gott sein Urteil spricht, die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sind.

Und wir heute, wenn wir dieses Gleichnis hören, wo ordnen wir uns ein? Bei denen vielleicht, die schon viel für Gott getan haben, die zu den regelmäßigen Gottesdienstbesuchern gehören, zu den fleißigen Mitarbeitern? Könnten andere nicht auch mal etwas tun? Könnten andere nicht auch öfter kommen? Warum sieht man sie nur an Weihnachten?
Und was ist mit dem und jenem: Im Alter, so kurz vor Toresschluss wird er plötzlich fromm.
Oder sieht sich jemand eher bei denen, die Gott relativ spät in ihrem Leben entdeckt haben? Die etwas von der Geduld Gottes erzählen können und sehr froh sind darüber.

Gott braucht jeden – früher oder später

Gott braucht Menschen, so wie der Weinbergsbesitzer Arbeiter gebraucht hat. Gott ruft Menschen. Er ruft sie zum Glauben. Und er ruft sie damit in seinen Dienst.
Jeder, der getauft ist, wird auch gerufen, wird auch gebraucht. Gehöre ich eher zu denen, die er am Anfang schon erreicht hat: Als Kind, als Konfirmand oder Jugendlicher. Oder erst später oder ganz spät? Habe ich schon früh in meinem Leben begriffen, was Gott von mir will? Oder erst im Lauf des Lebens? Oder sehr spät, doch nicht zu spät?

Niemand wird getadelt in Jesu Geschichte, dass er faul gewesen wäre oder sich vor dem Ruf gedrückt hätte. Die einen hat der Ruf eher erreicht, die anderen später. Dass es ihre eigene Schuld wäre, oder wer Schuld hat, das ist nicht das Thema. Gott ruft – die einen eher, die anderen später. Es ist seine Sache. Oder er hat gerufen, und ich habe nicht hören können: durch die Erziehung, durch die Familienverhältnisse, wegen Schicksalsschlägen, Eigensinn, dem schlechten Vorbild anderer …

Und wenn dann abgerechnet wird ...

Und wie wird’s dann sein am Feierabend? Am letzten, am endgültigen Feierabend, wenn es ans Lohnauszahlen geht? Dann, so sagt Jesus, werden wir einem Herrn begegnen, der nicht kleinlich vorrechnet. Sondern der uns überraschen wird, so dass die einen Luftsprünge machen und die anderen eher ein Gesicht ziehen. Wenn dann jeder bekommt, nicht was ihm zusteht, sondern was er zum Leben braucht, zum ewigen Leben wohlgemerkt.

„Mancher, der sich vor dem Gerichte Gottes zu sehr gefürchtet hat, wird sich in der Ewigkeit ein klein wenig schämen müssen, dass er dem Herrn nicht noch mehr Gnade zugetraut hat.“ (Johann Albrecht Bengel) (Gesangbuch S. 229)

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de