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Die Predigt |
Eine Geschichten
zum Mitdenken
Der reiche Mann und der arme Lazarus. Eine einfache und klare Geschichte
auf den ersten Blick – auf das erste Hinhören. Wenige Personen,
klarer Ablauf, verständliche Botschaft. Eine Art soap opera aus
alter Zeit unter dem modernen Motto „Gute Zeiten, schlechte
Zeiten". Geschichten von menschlichen Schicksalen wecken Gefühle.
Solche Geschichten wecken beim Zuhören Gefühle. War da vielleicht
ein wenig Befriedigung oder gar Schadenfreude: „Recht geschieht's
ihm, dem Reichen. Hätte er sich doch um den Armen vor der Haustür
gekümmert!"
Vielleicht ist Ihnen unter dem Motto „Gottes Mühlen mahlen
langsam aber sicher." gar irgendein Reicher oder Prominenter
eingefallen, dem Sie ein solches Ende als göttlichen Ausgleich
wünschen würden.
Vielleicht haben Sie aber auch an den letzten Bettler gedacht, der
auf der Maxstraße saß oder vor Ihrer Haustür stand.
Sie hatten ein wenig übrig für ihn. Oder Sie sind achtlos
vorbeigegangen, so als würden Sie ihn nicht sehen.
Vielleicht hat sich auch jemand durch den Ausgang der Geschichte getröstet
gefühlt: einer, dem es jetzt schlecht geht, finanziell, gesundheitlich,
seelisch, und der gehört hat, dass das nicht Gottes letztes Wort
über sein Leben ist.
Vielleicht ist jemand beim Hören aber ganz einfach auch erschrocken,
dass es so etwas geben könnte: ewige Qual im Feuer des Gerichts,
ewige Verlorenheit – als Möglichkeit für andere …
oder gar für uns selbst.
Ganz egal, was Ihnen beim Hören durch den Kopf gegangen ist:
Wichtig ist, dass Sie sich und Ihr Leben in dieser Geschichte heimlich
irgendwo selbst entdeckt haben. Wichtig ist es, weil Gottes Wort keine
unbeteiligten Zuschauer liebt, sondern Menschen, die sich angesprochen
fühlen, so oder so.
Reich und arm in der Bibel
Reich und arm – ein beliebtes Thema im Lukasevangelium: Vielleicht
erinnern Sie sich an den Reichen Jüngling, der Jesus nachfolgen
will, und dem Jesus deutlich macht, dass er sich zuvor erst innerlich
lösen muss von seinem Besitz.
Vielleicht erinnern Sie sich an den Reichen Kornbauern, den selbstzufriedenen,
dem gesagt wird: Für wen hast du all das angesammelt, wenn du
doch morgen dein Leben hergeben musst?
Die Reichen und der Reichtum kommen im Neuen Testament nicht sehr
gut weg. Aber – und das muss um der Klarheit willen gesagt werden:
Nicht Geld oder Reichtum an sich sind einfach schon Sünde oder
gottlos. Sondern einzig und allein die Versuchungen, in die sie Menschen
führen können: Selbstsicherheit, Egoismus, falsche Zufriedenheit,
Gottlosigkeit.
Denken wir an den reichen Kornbauern: Er wird von Jesus nicht dafür
getadelt, dass er viel besitzt. Er wird auch nicht getadelt, dass
er seinen Besitz vernünftig und weitblickend anlegt und sichert.
Jesus nennt ihn deswegen einen Narren, weil der reiche Mann in seinem
Herzen sagt: „Was kann dir in deinem Leben jetzt noch passieren?
Nun hast du endlich ausgesorgt." Und dann die Pointe: „Niemand
lebt davon, dass er viele Güter hat, also dass er viel von dem
besitzt, was er am Ende nicht mitnehmen kann."
Oder denken wir an den Reichen Jüngling: Jesus tadelt ihn nicht
für seinen Reichtum. Es heißt sogar, er gewann ihn lieb
in seiner Art. Aber der junge Mann muss schmerzlich erfahren, wie
ihn sein Reichtum unfrei und ängstlich macht, und ihn hindert,
loszulassen und neue Schritte zu tun.
Das ist auch unsere Geschichte
Ähnlich auch hier in dieser Geschichte vom reichen Mann und armen
Lazarus: Egoistisch und selbstzufrieden machen den Reichen sein Reichtum,
so dass er den übersieht, der vor seiner Tür liegt und nicht
nur mit Resten abgespeist werden möchte wie ein Hund. Er übersieht
ihn und meint, ihn nicht zu brauchen. Ja, wie er ihn braucht, sieht
er erst dann, wie er ihn dann in seiner eigenen Not um Hilfe bittet.
Vielleicht haben Sie inzwischen gespürt: Das hier ist keine alte,
irgendwann einmal geschehene Geschichte von zwei irgendwelchen Männern
zu irgendeiner Zeit mit uns als unbeteiligten Zuschauern. „Ein
reicher Mann" heißt es und es ist kein bestimmter gemeint.
Und genauso auch kein ganz bestimmter Lazarus, wenn man weiß:
Lazarus heißt auf Deutsch „Gott hilft". Lazarus,
das ist zu allen Zeiten und an allen Orten der, der meine Hilfe braucht,
und dem sie von Gott versprochen wird, wenn ich mein Herz verhärte.
Wenn wir also keine Zuschauer sein und uns fein heraushalten können,
wer sind wir dann in dieser Geschichte: Der Reiche oder der Arme?
Wo stehen wir? Inwiefern ist es auch unsere, meine und deine Geschichte?
Sind wir der Reiche: Wir im reicheren Westen unseres wirtschaftlich
immer noch geteilten Landes? Wir im reicheren Westen Europas? Wir
im reichen Norden dieser einen Erde, von dessen Überfluss und
Abfällen die 3. Welt im Süden so recht und schlecht am Leben
bleibt? Wenn es einfach nur um ausgleichende Gerechtigkeit ginge,
dann würden die Entwicklungsländer einmal in Abrahams Schoß
sitzen und wir Europäer allesamt im Feuer schmoren.
Aber was ist dann mit den neuen Armen unter uns: Menschen, die durch
die Wirtschaftskrise, durch einen plötzlichen Arbeitsplatzverlust
auf einmal unverschuldet zu den Armen gehören?
Hier die Reichen, da die Armen. Hier die Bösen, da die Guten.
Hier schwarz, da weiß. So einfach und klar wie die Geschichte,
so einfach und klar wie manche Vorabendserie ist das Leben einfach
nicht.
Ewig in der Hölle schmoren?
Und dann noch die Sache mit dem letzten Gericht: Ist es bei aller
Schadenfreude über die Bösen überhaupt ein erstrebenswertes
Ziel, am Busen Abrahams (so heißt es wörtlich) zu sitzen
und genüsslich auf die Schmorenden zu meinen Füßen
hinunterzublicken? Soll das der Himmel sein, wenn nicht einmal dort
die Schadenfreude aufhört über die anderen, die hier mehr
hatten als ich? Und: Will ich es überhaupt jemand wünschen,
am Ende auf ewig braten zu müssen, ganz abgesehen davon, dass
ich ja vielleicht derjenige sein könnte?
Ewige Pein oder Abrahams Busen. Um seine Hörer aufzurütteln,
trägt der Evangelist Lukas sehr dick auf und beschreibt die Folgen
sehr drastisch. Er greift dabei auf jüdische Vorstellungen und
Bilder seiner Zeit zurück. Aber Lukas ist nicht „die“
Bibel. Wir lesen auch anderes, wenn es darum geht, wie uns am Ende
Gerechtigkeit widerfährt. Es würde zu weit führen,
alle diese verschiedenen Vorstellungen jetzt zusammenzutragen. Eine
nur will ich noch nennen, weil sie ähnlich ist wie diese hier
und doch deutlich verschieden: Auch für den Apostel Paulus gehört
zum Tag des Gerichts über alle Menschen (wohlgemerkt alle) der
Gang durchs Feuer, wenn er sagt:
„Von welcher Art eines jeden Werk ist, wird am Ende das
Feuer erweisen: Wird dann jemandes Werk verbrennen, so wird er zwar
Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs
Feuer hindurch." (1. Korinther 3,15)
Bei Paulus also nur ein zeitlicher, ein läuternder Durchgang
durch das Feuer, nicht ewige Hölle und ewige Pein. Aber genauso
wie bei Lukas die klare Botschaft: Es ist nicht egal, wie du lebst.
Du wirst einmal gerade stehen müssen.
Damit Menschen aufmerksam werden, muss man Dinge manchmal halt sehr
drastisch und übertrieben darstellen. Denken Sie nur an den Struwwelpeter,
dessen Erfinder Heinrich Hoffmann vor 200 Jahren geboren wurde. Wenn
der Suppenkaspar stirbt, wenn die bösen Buben ins Tintenfass
gesteckt werden, wenn der Zappelphilipp alles vom Tisch herunter reißt,
dann ist das ganz schön heftig. Aber eigentlich geht es um die
Botschaft. Ganz moderne Themen übrigens: Magersucht, Ausländerfeindlichkeit,
Hyperaktivität.
Wir haben nur dieses eine Leben
Wenn ich also das einfache Schwarz-Weiß-Denken beim Reichen
Mann und armen Lazarus einmal außen vor lasse, dann bleiben
für mich zwei Botschaften:
Zum einen: Dieses Leben hier ist nur der erste Teil des ganzen Lebens.
Was jetzt ungerecht scheint, ist noch nicht das Ganze. Gott wird Gerechtigkeit
schaffen.
Und zum zweiten: Wie ich jetzt hier und heute mein Leben führe,
ist nicht gleichgültig für das, was aus mir einmal wird.
Nur dieses eine Leben habe ich vor Gott und ich soll es ganz ernst
nehmen. Ich werde einmal dafür gerade stehen müssen.
Das ist ja die größte Gefahr der Vorstellung von der sog.
Reinkarnation, von der Wiedergeburt, von der Vorstellung also, ein
Mensch lebe öfter auf dieser Erde, und hätte dadurch immer
wieder eine neue Chance, sich zu vervollkommnen. Ganz abgesehen davon,
dass diese Vorstellung, nach diesem Leben gar nicht zur Ruhe kommen
zu dürfen, gar nicht so einladend ist; sie nimmt diesem Leben
hier den Ernst und die Einmaligkeit vor Gott. Nein, so betont es die
Bibel unzweifelhaft im Guten und im Bösen: Bei dem, was ich hier
und jetzt tue und nicht tue, will Gott mich behaften. Jetzt schon
und rechtzeitig soll und muss ich meinen Leben eine Richtung geben.
Ich soll nicht wurstig damit umgehen so auf die Art: Dann probieren
wir’s halt ein zweites oder drittes Mal.
Gott meint es ernst mit meinem Leben
Gott meint es ernst mit meinem Leben. Das ist der Kern dieser Geschichte.
Gott meint es ernst mit mir im Guten wie im Bösen. Was hier vom
reichen Mann gesagt wird, gilt mir, und auch was vom armen gesagt
wird. Ich bin beides in den je verschiedenen Situationen meines Lebens:
der arme und der reiche. Gott will mich trösten, aber auch mahnen.
Gottes Wort ist mir Gesetz und auch Evangelium, so sagen es die Theologen.
Es ist mir zugleich Forderung und Trost:
Wenn ich reich bin, zufrieden, glücklich, gesund; wenn ich einmal
alles habe für einen Moment, dann ruft mir Gott zu:
Wiege dich nicht in falscher Sicherheit. Vergiss nicht den Menschen
vor deiner Tür. Denk nicht, du bräuchtest niemand und kämst
alleine aus. Und vor allem: Vergiss nicht, wer dir dies alles schenkt.
Und wenn ich einmal arm, unglücklich, am Boden und verlassen
bin, ruft mir Gott zu:
Denk dran, dass das, was jetzt geschieht nicht das letzte Wort ist.
Sieh nicht neidisch auf den äußeren Reichtum, den andere
haben. Suche den Reichtum, der wirklich zählt. Denke nicht, dass
du endgültig vergessen wärest. Es gibt vor Gott noch eine
Gerechtigkeit.
Gott meint es erst mit mir. Gott sei Dank. |
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