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predigt[e].de

Die Predigt vom 8. Januar 2006 (1. Sonntag nach Epiphanias):
»Gott braucht auch die Schwachen«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 1. Sonntag nach Epiphanias. Sein Thema ist die Taufe Jesu. Evangelium (1. Lesung) war die Taufe Jesu nach Matthäus und Epistel (2. Lesung) der Aufruf des Paulus zu einem christlichen Leben. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war ein Abschnitt aus dem 1. Brief an die Korinther:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
26 Seht doch, liebe Brüder, auf eure Berufung. Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Angesehene sind berufen. 27 Sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zuschanden mache, was stark ist; 28 und das Geringe vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts ist, damit er zunichte mache, was etwas ist, 29 damit sich kein Mensch vor Gott rühme. 30 Durch ihn aber seid ihr in Christus Jesus, der uns von Gott gemacht ist zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung, 31 damit, wie geschrieben steht (Jeremia 9,22.23): »Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn!«
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Die Predigt

Da will jemand etwas Besseres sein

Dem Apostel Paulus ist zu Ohren gekommen, dass in der christlichen Gemeinde in der Stadt Korinth Spaltungen und Parteien entstanden sind. Was genau der Grund war, können wir seinen Briefen nicht entnehmen. Auf jeden Fall meinte wohl jeder der Gruppierungen, sie sei etwas besseres. Mit seinem Brief holt er sie auf den Boden der Tatsachen herunter. Erstens: Dass ihr zur Gemeinde gehört, hat nicht mit eurer Macht oder Intelligenz zu tun, sondern ist Berufung und Erwählung durch Gott. Zweitens: Schaut doch hin. Es gibt keinen Grund zum Stolz anderen gegenüber. Auch in eurer Gemeinde wird deutlich, dass Gott nicht auf Macht oder Kraft oder Intelligenz setzt, wenn er eine christliche Gemeinde baut. 1. Brief an die Korinther Kapitel 1: (siehe oben)

Es geht um den Kern

Es geht Paulus nicht einfach nur darum, dass Frieden in der Gemeinde einkehrt, sondern es geht ums Eingemachte, es geht um den Kern seiner Botschaft. Vor diesen Zeilen steht das sog. Wort vom Kreuz.
18 Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist's eine Gotteskraft. 23 wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit.
Mit dem Gekreuzigten hat Gott deutlich gemacht, dass er in der Welt nicht auftrumpfen will. Nicht durch Macht und Stärke kommt diese Welt entscheidend weiter. Und genauso auch an Weihnachten: Das Kleine und Schwache stellt Gott in den Mittelpunkt.

Sattheit ist ein Hindernis für den Glauben

Ist es bei euch nicht genauso? fragt Paulus:
26 Seht doch, liebe Brüder, auf eure Berufung. Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Angesehene sind berufen.
Offenbar bestand die christliche Gemeinde in Korinth vor allem aus Menschen, die wir heute als Unterschicht bezeichnen würden. Menschen in verantwortlicher Position und Wohlhabende scheint es in der Gemeinde nur wenige gegeben zu haben. Das ist verständlich, denn das Christentum war damals immer noch so etwas wie eine neue Sekte, mit der man erst einmal vorsichtig umgegangen ist. Wer einen Ruf zu verlieren hatte, hat sich wohl erst einmal von ihnen fern gehalten. Andererseits war Korinth eine berühmte, ja berüchtigte große Hafenstadt, in der es manches menschliche Treibgut gegeben hat. An anderer Stelle ist Paulus sehr deutlich:
9 Wisst ihr nicht, dass die Ungerechten das Reich Gottes nicht ererben werden? Lasst euch nicht irreführen! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, Ehebrecher, Lustknaben, Knabenschänder, 10 Diebe, Geizige, Trunkenbolde, Lästerer oder Räuber werden das Reich Gottes ererben. 11 Und solche sind einige von euch gewesen. Aber ihr seid reingewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht geworden ... . (1. Kor 6,9-11)

Interessanterweise sind es meistens die am Rand Stehenden, die offene Ohren für die christliche Botschaft haben: Auch bei Jesus war das nicht anders, wenn wir hören, dass man ihm seine Gemeinschaft mit Zöllnern und Sündern vorhält. Und auch heute wächst der christliche Glaube nicht so sehr unter den Satten, wenn wir in die Welt hinein schauen, sondern unter Armen und Unterdrückten, v.a. in Afrika und Südamerika. Sattheit ist oft genug ein Hindernis für den Glauben. Wer satt ist, braucht oft genug keinen Gott. Und zweitens:

Auch Intelliganz kann ein Hindernis sein

27 Sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache;
Auch Intelligenz und Klugheit ist manchmal ein Hindernis für den Glauben. Dass in dem Gekreuzigten das Heil liegen soll, das war für die Juden z.Zt. des Paulus eine Gotteslästerung und für die griechisch Gebildeten eine eher lachhafte Vorstellung. Und dennoch hat seine Botschaft die Menschen erreicht.

28 das Geringe vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts ist, damit er zunichte mache, was etwas ist, 29 damit sich kein Mensch vor Gott rühme.
Wenn der Glaube abhängig wäre von all dem, von der Intelligenz, vom Äußeren, von den Finanzen, dann bestünde die Gefahr, dass jemand vor Gott stolz wird, die Gefahr, dass manche in der Gemeinde sich für die besseren Christen halten.

In der Taufe sagt Gott Ja zu einem Menschen

Entscheidend ist allein das, was Paulus mit den Worten Erwählung und Berufung zum Ausdruck bringt. Erwählung damals in Korinth, in einer pulsierenden Hafenstadt, in der es eine Menge von Glaubensrichtungen gab. Erwählung war, wenn ein Mensch sich von den Christen dort angesprochen fühlte, sich zu ihnen hielt, und sich dann nach einem Taufunterricht für Erwachsene taufen ließ und sein Ja zu Gott sagte. Erwählung nach Paulus: Nicht der Mensch kann sich eigenmächtig Gott aussuchen, sondern Gott selber geht ihm nach, sucht und findet ihn.

Die Älteren unter Ihnen haben sicher alle noch die Auslegung Luthers zum 3. Glaubensartikel gelernt:
Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten; gleichwie er die ganze Christenheit auf Erden beruft, sammelt, erleuchtet, heiligt und bei Jesus Christus erhält im rechten, einigen Glauben.

Vom Für und Wider der Säuglingstaufe

In unserer sog. Volkskirche sieht das ein wenig anders aus als damals in Korinth: Erwählung durch Gott wird auch bei uns durch die Taufe zum Ausdruck gebracht, die aber in den allermeisten Fällen Säuglingstaufe ist.
Das hat zwei Seiten: Säuglingstaufe bedeutet, dass jemand wirklich überhaupt nichts an Leistung oder Können oder Voraussetzung mitbringen kann, damit Gott Ja zu ihm sagt. Da wird wirklich, wie es Paulus hier sagt, das Törichte, das Schwache, das Geringe ausgewählt. Das Baby kann gar nicht auf die Idee kommen, sich zu rühmen, wie sehr es doch Gottes Ja verdient.
Deswegen stehe ich als lutherischer Pfarrer auch zur Säuglingstaufe. Aber ich sehe natürlich die damit verbundene Kehrseite, dass ein Mensch dann nicht seinerseits nach seinem Ja zu Gott gefragt wird. Sein ja auf Gottes Ja. Es kann einer ein Leben lang allein durch Geburt und Gewohnheit zur Gemeinde gehören.
Theoretisch wird dieses Ja bei der Konfirmation gesagt. Aber ein wirklich echtes ja aus dem Herzen heraus ist es nach aller Erfahrung in diesem Alter bei den wenigsten. Die Pubertät ist ein Alter des Protestes, ein Alter des Zweifelns, ein Alter des Sich-Loslösens. Schlechte Voraussetzungen für ein Ja zu Gott!

Bewusst Ja sagen zu Gott

Für die Festigkeit, die Tiefe und v.a. für die Tragfähigkeit des eigenen Glaubens ist es aber unumgänglich, dass jemand, egal wann in seinem Leben, egal ob im stillen Kämmerlein oder öffentlich, dieses sein ja zu Gott auch ganz bewusst sagt:
Lieber Gott, du hast in meiner Taufe damals zu mir Ja gesagt. Dann bin ich einfach so in den christlichen Glauben hineingewachsen, ja ich bin eher hineingeschlittert ohne großes Nachdenken. Irgendwie gehöre ich einfach so dazu. Hin und wieder habe ich ganz deutlich gespürt, dass es dich gibt: Damals, als ich wieder gesund geworden bin, als du mir mein Leben wieder neu geschenkt hast, als du mir gesunde Kinder geschenkt hast, als mich ein Bibelwort, eine Predigt, eine Abendmahlsfeier ganz tief im Herzen angesprochen hat ... Jetzt will ich aus eigener Entscheidung, aus Dankbarkeit, aus freien Stücken Ja sagen zu dir. Danke, dass du ja zu mir gesagt hast, ja zu mir mit meiner kleinen Kraft, ja zu mir mit allen meinen Fragen und auch Zweifeln.

Gott braucht jeden

Erwählung, so sagt Paulus, ist auch Berufung. Eine Möglichkeit, dieses eigene Ja zum Ausdruck zu bringen, ihm Gestalt zu verleihen, wäre, sich bewusst von Gott gerufen zu fühlen:

Lieber Gott, offenbar hast du mich berufen, eine gute und treue Nachbarin zu sein. Ich will es gerne in deinem Namen sein. Gib mir die nötige Kraft.

Lieber Gott, offenbar hast du mir die Geduld geschenkt und mich berufen, anderen Menschen zuzuhören und ein offenes Ohr für sie zu haben. Ich will es gerne in deinem Namen tun. Mache mich verschwiegen.

Lieber Gott, offenbar hast du mir die Fähigkeit geschenkt, Verantwortung zu übernehmen, in meinem Beruf, in einer Gruppe dieser Kirchengemeinde, in meinem Verein ... Ich will die Verantwortung gerne in deinem Namen tragen. Behüte mich vor Stolz.

Herr, gib uns Mut zum Dienen,
wo's heute nötig ist.
Wir danken dir, dass du dann bei uns bist.

Herr, gib uns Mut zum Glauben
an dich, den einen Herrn.
Wir danken dir, denn du bist uns nicht fern.

Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de