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predigt[e].de

Die Predigt vom 18. Juni 2006 (1. Sonntag nach Trinitatis):
»Passt schon! Oder?«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 1. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema sind die Boten und das Wort Gottes. Evangelium (1. Lesung) war das Gleichnis vom armen Mann und reichen Lazarus und Epistel (2. Lesung) der Aufruf zur Nächstenliebe. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war ein Abschnitt aus dem Propheten Jeremia Kapitel 23
Predigttext
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Der Predigttext
16 So spricht der HERR Zebaoth: Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen! Sie betrügen euch; denn sie verkünden euch Gesichte aus ihrem Herzen und nicht aus dem Mund des HERRN. 17 Sie sagen denen, die des HERRN Wort verachten: Es wird euch wohlgehen -, und allen, die nach ihrem verstockten Herzen wandeln, sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen. 18 Aber wer hat im Rat des HERRN gestanden, dass er sein Wort gesehen und gehört hätte? Wer hat sein Wort vernommen und gehört? 19 Siehe, es wird ein Wetter des HERRN kommen voll Grimm und ein schreckliches Ungewitter auf den Kopf der Gottlosen niedergehen. 20 Und des HERRN Zorn wird nicht ablassen, bis er tue und ausrichte, was er im Sinn hat; zur letzten Zeit werdet ihr es klar erkennen. 21 Ich sandte die Propheten nicht, und doch laufen sie; ich redete nicht zu ihnen, und doch weissagen sie. 22 Denn wenn sie in meinem Rat gestanden hätten, so hätten sie meine Worte meinem Volk gepredigt, um es von seinem bösen Wandel und von seinem bösen Tun zu bekehren. 23 Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der HERR, und nicht auch ein Gott, der ferne ist? 24 Meinst du, dass sich jemand so heimlich verbergen könne, dass ich ihn nicht sehe? spricht der HERR. Bin ich es nicht, der Himmel und Erde erfüllt? spricht der HERR. 25 Ich höre es wohl, was die Propheten reden, die Lüge weissagen in meinem Namen und sprechen: Mir hat geträumt, mir hat geträumt. 26 Wann wollen doch die Propheten aufhören, die Lüge weissagen und ihres Herzens Trug weissagen 27 und wollen, dass mein Volk meinen Namen vergesse über ihren Träumen, die einer dem andern erzählt, wie auch ihre Väter meinen Namen vergaßen über dem Baal? 28 Ein Prophet, der Träume hat, der erzähle Träume; wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen? spricht der HERR. 29 Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der HERR, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?
Predigt
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Die Predigt
Eine schöne Predigt!

Ich freue mich natürlich, wenn sich am Ende eines Gottesdienstes jemand für die Predigt bedankt. Oder wenn ich ganz allgemein gesagt bekomme, es sei schön gewesen. Ich freue mich – rein menschlich gesehen.
Aber geistlich gesehen ist mir nicht ganz wohl in meiner Haut: Es sei schön gewesen, das kann man ja auch so verstehen, dass ich zwar verständlich, aber doch sehr brav geredet habe, dass ich mit meinen Worten niemand gestört, niemand geärgert oder niemand weh getan habe, dass ich getröstet und gestärkt habe, dass alles gut ist und so bleiben kann, wie es ist. Getreu dem Faschingsschlager „Wir kommen alle alle alle in den Himmel, weil wir so brav sind.“
Im Evangelium fragt der reiche Mann: „Müsste man die Menschen nicht viel intensiver vor den Folgen ihres Lebensstiles warnen?“ Oder die Propheten des Alten Testamens haben heftig gewettert über die Geistlichen ihrer damaligen Zeit, die den Leuten gesagt haben: „Passt schon alles.“ Worte des Propheten Jeremia aus dem 23. Kapitel: (Text siehe oben)

Predigt als Beschwichtigung?

Könnte es nicht sein, dass das, was Jeremia über die falschen Propheten und ihre Hörer sagt, uns hier und heute trifft:
17 Sie sagen denen, die des HERRN Wort verachten: Es wird euch wohlgehen -, und allen, die nach ihrem verstockten Herzen wandeln, sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen.
Könnte es nicht sein, dass mich dieses Wort trifft, weil ich eher brav rede und tröste, weil Gerichtsbotschaft und Aufrütteln nicht so sehr meine Sache ist, und ich Sie als Hörer damit in dem Glauben lasse, es sei ja alles nicht so schlimm?
Könnte es nicht sein, dass Sie dieses Wort trifft, weil Sie im Gottesdienst zwar gut zuhören, auch freundlich nicken, aber sich letztlich in Ihrem Leben durch eine Predigt nicht viel ändert?

Besser eine Gerichtspredigt?

Ein anderes Beispiel: Wie geht es Ihnen, wenn Sie einem der altertümlichen Gerichtsprediger begegnen, auf dem Markt oder unten an der Rotmainhalle, vorne ein Plakatkarton, hinten ein Plakatkarton. Er wettert über die verruchte moderne Zeit, über die lasche Kirche, und dass Gott vielleicht morgen schon vor der Tür steht. Hören Sie ihm zu? Nehmen Sie ihn für voll? Und er sagt eigentlich nicht viel anderes als Jeremia:
19 Siehe, es wird ein Wetter des HERRN kommen voll Grimm und ein schreckliches Ungewitter auf den Kopf der Gottlosen niedergehen. 20 Und des HERRN Zorn wird nicht ablassen, bis er tue und ausrichte, was er im Sinn hat; zur letzten Zeit werdet ihr es klar erkennen.
Wenn es also so wäre, dass man einem Pfarrer ganz gern zuhört, weil er schön redet und einen dabei nicht sehr stört, und einem Gerichtsprediger nicht zuhört, ihn nicht ernst nimmt und eher verlacht - wenn es also so wäre, dann müssten wir alle uns überprüfen: die Pfarrer und die Predigthörer.
Als Kennzeichen des Wortes Gottes, und das soll ja in der Predigt zur Sprache kommen, werden hier ja gerade genannt: es ist nicht bequem, es beschwichtigt nicht, es belässt die Menschen nicht beim Alten, es wirkt lebensändernd und aufrüttelnd.

Gottes Wort oder menschliche Ideen?

Wird also in unserer Kirche Wort Gottes verkündigt? Kommt Gott selber zur Sprache oder nur menschliche Gedanken? Das ist die Gretchenfrage des Propheten Jeremia.
Er selber, Jeremia, war ja damals der vollsten Überzeugung, dass er im Gegensatz zu den anderen Propheten im Namen Gottes redet. Er hatte sich diese Aufgabe nicht selbst ausgesucht. Er hat sich nach dem Prophetenamt nicht gedrängt, sondern sich von Gott geradezu überredet gefühlt. Die Worte Gottes überfielen ihn geradezu. Er konnte nicht anders als sie weitersagen. Bei den anderen dagegen fand er nur menschliche Worte und Gedanken, eigene Ideen, Beschwichtigung, kurz gesagt, alles was die Zuhörer gerne hören wollten.
25 Ich höre es wohl, was die Propheten reden, die Lüge weissagen in meinem Namen und sprechen: Mir hat geträumt, mir hat geträumt. 26 Wann wollen doch die Propheten aufhören, die Lüge weissagen und ihres Herzens Trug weissagen 27 und wollen, dass mein Volk meinen Namen vergesse über ihren Träumen, die einer dem andern erzählt. 28 Ein Prophet, der Träume hat, der erzähle Träume; wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen? spricht der HERR.

Wer sagt heute die Wahrheit?

Diese unerschütterliche Gewissheit des Jeremia, dem egal war, was die Leute von ihm sagten, habe ich nicht. Gewiss, ich vertraue darauf, dass der Heilige Geist am Werk ist, wo ich, wo andere Pfarrer heute morgen in dieser Kirche reden. Aber „Gott mit mir“, das können wir doch nur mit einer gewissen Zurückhaltung sagen. Jeremia ganz deutlich:
18 Aber wer hat im Rat des HERRN gestanden, dass er sein Wort gesehen und gehört hätte?
Ich spüre solche Unsicherheit über den richtigen Weg auch bei den Fragen der heutigen Zeit: Wo sind die wegweisenden Botschaften? Auf der Seite der Politiker, Wissenschaftler und Experten, die uns sagen, es sei ja alles gar nicht so schlimm und mit der richtigen Politik und der Freiheit des Marktes könne man es schon in den Griff bekommen? Oder ist das Wort Gottes eher bei denen, die vehement zur Umkehr rufen, sich hungerstreikend für den Erhalt von Arbeitsplätzen einsetzen, sich im Regenwald auf Bäume setzen oder sich bei Giftmüllschiffen an den Bug anketten, sich gegen große Staudammprojekte einsetzen und dafür zum Krüppel geschlagen werden?

Wir brauchen dringend Wegweisung – politisch und im persönlichen Leben. Jede Zeit neu braucht solche Wegweisung. Und wir sind als Christen überzeugt, dass wir sie im Wort Gottes finden. Aber wo ist Gottes Wort? Wo sind wegweisende und hilfreiche Worte eher zu finden sind und wo nicht? Andeutung aus dem Predigttext:

Worte müssen durch und durch gehen

Zum einen: Wort Gottes wird da gesagt, wo Worte bei einem Menschen durch und durch gehen:
29 Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der HERR, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?
Wir brauchen wegweisende und hilfreiche Worte für unser Leben, aber wir können sie nur hören, wenn wir bereit sind, uns von Gott provozieren zu lassen. Gottes Wort ist nicht bequem und unverbindlich.
Deswegen müssen wir die Worte von Menschen, die Predigten der Pfarrer und die Äußerungen der Politiker daraufhin abklopfen: Sind sie nur schön und wohlklingend oder gehen sie zur Sache, treffen sie den Kern, haben sie Überzeugungskraft? Beruhigen sie nur oder beunruhigen sie auch?

Worte müssen kritisch sein

Zum zweiten: Gottes Wort wird da gesagt, wo Menschen auf einen falschen Weg aufmerksam werden:
22 Denn wenn sie in meinem Rat gestanden hätten, so hätten sie meine Worte meinem Volk gepredigt, um es von seinem bösen Wandel und von seinem bösen Tun zu bekehren.
Wir brauchen wegweisende und hilfreiche Worte für unser Leben, aber wir können sie nur dann hören, wenn wir bereit sind, uns von Gott in Frage stellen zu lassen.
Jede Predigt, jede Bibellesung, jedes Gespräch mit einem anderen Christen ist fruchtlos, wenn ich nicht die Frage zulasse: Wo bin ich hier gemeint? Wo muss ich umdenken? Wo muss ich mich vielleicht ändern?

Worte müssen ernst sein

Zum dritten: Gottes Wort wird da gesagt, wo von Gott nicht billig, sondern mit ganzem Ernst geredet wird:
23 Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der HERR, und nicht auch ein Gott, der ferne ist? 24 Meinst du, dass sich jemand so heimlich verbergen könne, dass ich ihn nicht sehe? spricht der HERR.
Wir brauchen wegweisende und hilfreiche Worte für unser Leben, aber wir können sie nur dann hören, wenn wir bereit sind, Gott ernst zu nehmen. Gewiss ist Gott der liebe Gott, der, der mit seiner ganzen Liebe auf uns zukommt und um uns wirbt, aber er ist nicht der Gott, den man einen lieben, guten Mann sein lassen kann. Einer, der einem nichts tut und gefälligst auch nichts tun darf.

Worte müssen ehrlich sein

Zum vierten und letzten: Gottes Wort wird da gesagt, wo Gottes Name in Erinnerung gerufen wird und die Abgötter beim Namen genannt werden:
26 Wann wollen doch die Propheten aufhören, die Lüge weissagen und ihres Herzens Trug weissagen 27 und wollen, dass mein Volk meinen Namen vergesse über ihren Träumen, die einer dem andern erzählt, wie auch ihre Väter meinen Namen vergaßen über dem Baal?
Baal, der Gott der kanaanäischen Ureinwohner, war der große Gegenspieler Gottes zur Zeit der Propheten des Alten Testaments. Ihm haben sich damals viele zugewandt, weil er ihre Bedürfnisse bequemer erfüllte. Ein Gott der Lust, ein Gott der Ausgelassenheit, ein Gott der Lebensfreude war er; aber damit auch ein Gott, der immer nur für den Moment befriedigte.
1. Gebot: „Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben!“ Wo heute die Baale sind, die einen zwar für den Moment befriedigen, aber letztlich keinen tragenden Lebenssinn vermitteln, das muss ein jeder bei sich selbst überprüfen.

Bitten wir also darum, dass in unserer Kirche Wort Gottes verkündigt wird und nicht menschliche Gedanken. Bitten wir auch um Offenheit, damit uns das Wort Gottes auch verunsichern und weiterführen kann.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de