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Die Predigt |
„Befiehl
du deine Wege“
„Befiehl du deine Wege“. Wer kennt, zumindest in der mittleren
und älteren Generation dieses Lied von Paul Gerhardt nicht? Viele
haben es gelernt mit Hilfe des dichterischen Stilmittels, das er verwendete.
Die Anfänge der zwölf Strophen ergeben das Psalmwort Ps
37 Vers 5: „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auch ihn;
er wird’s wohl machen.“ In unserem Gesangbuch sind die
Worte am Strophenanfang kursiv, also schräg, gedruckt.
Paul Gerhardt und sein Lied
Eines der bekanntesten Lieder von Paul Gerhardt. In unserem Gesangbuch
eröffnet es als Leitlied den Abschnitt „Angst und Vertrauen“.
Der Berliner Kirchenmusiker Johann Crüger, der Paul Gerhardt
sozusagen „entdeckte“, gab 1647, also zum Ende des 30jährigen
Krieges ein Gesangbuch heraus. Darin vertonte und veröffentlichte
er die ersten Lieder von Paul Gerhardt. Der hatte sein Theologiestudium
abgeschlossen, musste sich aber als schon 40jähriger immer noch
als Hauslehrer über Wasser halten. 44jährig erst bekam er
seine erste Pfarrstelle in Mittenwalde in der Nähe von Berlin.
Die acht Jahre dort wurden seine produktivste Zeit. Nun entstand auch
„Befiehl du deine Wege“. In dieser Zeit, 1653, man kann
es unter dem Lied lesen, kam die 2. Auflage von Crügers Gesangbuch
heraus, das schon 82 Lieder von Paul Gerhardt enthielt.
Aufruf zum Gottvertrauen
„Befiehl du deine Wege“. Das Lied ist ein Aufruf zu tiefem
und festem Gottvertrauen gegen alle Zweifel und Hindernisse:
1. Befiehl du deine Wege / und was dein Herze kränkt / der
allertreusten Pflege / des, der den Himmel lenkt. / Der Wolken, Luft
und Winden / gibt Wege, Lauf und Bahn, / der wird auch Wege finden,
/ da dein Fuß gehen kann.
Wir sollen Gott anbefehlen, Gott überlassen, was wir nicht aus
eigener Kraft regeln können: Den Weg unseres Lebens mit seiner
unbekannten Zukunft. Und das, was einem auf dem Herzen liegt, das
was das Herz quält und krank macht.
Paul Gerhardt dichtete keine theoretischen Lieder. Sie kommen aus
dem Alltag der Kirchengemeinde heraus. Und sie haben mit seinem Leben
zu tun. Was kränkte sein Herz damals? Die spätere Not mit
dem Tod von vier Kindern und dem frühen Tod seiner Frau ist es
noch nicht. Er heiratet 1655, zwei Jahre nach der Veröffentlichung
der Lieder. Doch was man nicht vergessen darf: Der 30jährige
Krieg mit seinem Massensterben durch Krieg und Seuchen war noch nicht
lange zu Ende. Tod und Not waren den Menschen seiner Zeit unmittelbar
nahe. Mit 12 hatte Paul Gerhardt den Vater verloren, mit 14 die Mutter.
Und noch dazu machte ihm ein Amtsbruder, der die Stelle in Mittenwalde
auch gerne bekommen hätte, das Leben schwer. Mobbing im Beruf
würde man heute wohl dazu sagen.
Gott hat einen Weg für dich
Gerne besingt Paul Gerhardt die Schönheit und den Reichtum von
Gottes Schöpfung. Denken wir nur an „Geh aus, mein Herz,
und suche Freud.“ Die Natur wird ihm zum Gleichnis für
das menschliche Leben. Auch hier: Der Schöpfer, der der Natur
ihre Richtung gibt, der das Wetter in seiner Hand hat, das Wetter,
das der Mensch, Gott sei Dank, nicht machen kann, der gibt auch dem
Leben und dem Weg des kleinsten Menschen Richtung und Ziel. Was ihm
wichtig ist, das betont Paul Gerhardt hier und an anderen Stellen
des Liedes durch bewusste Wiederholung: Weg, Lauf, und Bahn. Ein Wort
schon hätte zum Verstehen gereicht.
Gott, der Schöpfer und Weltenlenker, kümmert sich also nicht
nur um die großen Dinge, sondern auch um die kleinsten. Mit
Du redet Paul Gerhardt seine Hörer an: Gott ist dein Weg, dein
Weg als eines von sechseinhalb Milliarden Menschen nicht gleichgültig.
Auch für dich wird er einen gangbaren Weg finden. Wir singen
die erste Strophe.
Der Blickwechsel
2. Dem Herren musst du trauen, / wenn dir's soll wohlergehn; /
auf sein Werk musst du schauen, / wenn dein Werk soll bestehn. / Mit
Sorgen und mit Grämen / und mit selbsteigner Pein / lässt
Gott sich gar nichts nehmen, / es muss erbeten sein.
Noch einmal mit anderen Worten dieser Aufruf zum Vertrauen wie in
der ersten Strophe. Du bist angeredet. Du wirst zum Gottvertrauen
eingeladen. Wenn dein Leben gelingen soll, brauchst du einen Blickwechsel:
Wegschauen von dir und hinschauen auf Gott. Wenn dir etwas gelingen
soll, wenn dein Tun und Werk Bestand haben soll, dann schau, bevor
du eine Arbeit beginnst, auf Gott. Bevor du etwas anpackst, besinn
dich auf ihn. Und vor allem: Wenn dir etwas gelingen soll, denk nicht,
du könntest es dir bei Gott erkaufen, indem du dich quälst.
Gott lässt sich nicht erpressen, auch nicht auf die fromme Art.
Aber er lässt sich bitten. Wir singen die zweite Strophe.
Gott weiß, was gut für dich ist
Die nächsten drei Strophen, also drei bis fünf, könnte
man zusammenfassen mit dem Ende der fünften: „... was er
sich vorgenommen / und was er haben will, / das muss doch endlich
kommen / zu seinem Zweck und Ziel.“
Also: Gott weiß, was er will. Und er wird damit auch zum Ziel
kommen. Keine Macht kann ihn aufhalten. Wichtig ist: Paul Gerhardt
redet nicht von einem Willkürgott, der macht, was er will. Sondern
Gott meint es gut. Das wird sich am Ende gegen alle Widerstände
erweisen.
Nach dem „Du“, mit dem er in den beiden ersten Strophen
den Hörer ganz persönlich angesprochen und zum Gottvertrauen
eingeladen hat, wendet er sich nun mit seinem Du direkt an Gott:
3. Dein ewge Treu und Gnade, / o Vater, weiß und sieht,
/ was gut sei oder schade / dem sterblichen Geblüt; / und was
du dann erlesen, / das treibst du, starker Held, / und bringst zum
Stand und Wesen, / was deinem Rat gefällt.
Du, Gott, weißt und siehst, was für mich gut und was für
mich schlecht ist, was „schade“ ist, also ein Schaden
ist. Du als der Vater weißt es, weil hinter allem, was du tust,
deine Treu und Gnade mir gegenüber steht. Ich weiß oft
nicht, was wirklich gut ist für mich. Mein Einschätzung
ist begrenzt, weil ich ein Mensch bin. Sterbliches Geblüt. Geschöpf.
Und wenn du weißt, was für mich gut ist, Gott, dann führst
du es, dann treibst du es so, dass du am Ende auch zum Ziel kommst.
So haben es viele schon erlebt: Man hat sich seinen Weg nicht ausgesucht.
Aber im Rückblick erweist er sich als der richtige. Wir singen
die dritte Strophe.
Gott findet einen Weg
4. Weg hast du allerwegen, / an Mitteln fehlt dir's nicht; / dein
Tun ist lauter Segen, / dein Gang ist lauter Licht; / dein Werk kann
niemand hindern, / dein Arbeit darf nicht ruhn, / wenn du, was deinen
Kindern / ersprießlich ist, willst tun.
Paul Gerhardt bleibt beim Du zu Gott: Manchmal weiß ich den
Weg nicht, mein Gott. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.
Ich weiß nicht, wie du in dieser vertrackten Situation überhaupt
noch eine Lösung finden willst.
Aber allerwegen, immer, hast du, findest du einen gangbaren Weg. Du
findest immer ein Mittel zum Ziel. Und vor allem: Du weißt,
was für uns gut ist, was ersprießlich ist, was fruchtbringend
ist. Du weißt es, so wie es Väter mit dem Vorsprung ihrer
Lebenserfahrung wissen, auch wenn die Kinder es aus ihrer eigenen
Sicht manchmal nicht begreifen wollen und können. Wir singen
die vierte Strophe.
Gott lässt sich nicht aufhalten
5. Und ob gleich alle Teufel / hier wollten widerstehn, / so wird
doch ohne Zweifel / Gott nicht zurücke gehn; / was er sich vorgenommen
/ und was er haben will, / das muss doch endlich kommen / zu seinem
Zweck und Ziel.
Den guten Ausgang, das gute Ende, Zweck und Ziel, das Gott mit uns
vor hat, das kann niemand aufhalten. Wenn wir uns auf ihn verlassen,
dann verlassen wir uns auf die stärkste Macht, die es auf der
Welt gibt. Keine andere Macht, und wenn es der Teufel selbst wäre,
kann uns etwas anhaben. Davon war schon Martin Luther in seinem Lied
„Ein feste Burg“ überzeugt. Wir singen die fünfte
Strophe.
Sich durchkämpfen
Bei zwölf Strophen kann man nicht alle auslegen. Es würde
einfach zu lange werden. Wie ist der Aufbau des Folgenden? In den
Strophen sechs bis acht wendet sich Paul Gerhardt wieder bewusst mit
Du an den Hörer: Wenn du das weißt, dass es Gott letztlich
gut mit dir meint, dann halte gegen allen Augenschein die Hoffnung
fest. Lass Schmerz und Sorgen fahren. Lass Gott machen.
In Strophe neun und zehn geht er in einer Art Einschub auf die Zweifel
seiner Hörer ein, die fragen: Ist’s denn wirklich so einfach,
wie du es sagst? Nein, gibt Paul Gerhardt zu: Manchmal ist es so,
als hätte Gott einen vergessen. Manchmal muss man lange auf ihn
warten. Manchmal ist es, als säße man in einer dunklen
Höhle, aus der man nicht mehr herauskommt. Und dann, wenn du
schon nicht mehr mit ihm rechnest, dann ist er da.
Doch wenn du dich bis dorthin durchgekämpft hast, trägst
du sozusagen den Sieg davon, Strophe 11. Und nach den Klageliedern
kannst du wieder Freudenpsalmen singen.
Das gute Ende
Und dann endet Paul Gerhardt in der letzten Strophe mit einer Bitte
um Stärkung:
12. Mach End, o Herr, mach Ende / mit aller unsrer Not; / stärk
unsre Füß und Hände / und lass bis in den Tod / uns
allzeit deiner Pflege / und Treu empfohlen sein, / so gehen unsre
Wege / gewiss zum Himmel ein.
Mit diesen Worten will er nicht einfach auf das Ende des Lebens vertrösten,
sondern auch für dieses Leben trösten. „Mach Ende“
heißt nicht: Mach meinem Leben ein Ende! Sondern: Mach meiner
Not ein Ende! Du kannst es, Gott!
Und so, wie das ganze Lied mit dem Blick auf den Lebensweg beginnt,
„Befiehl du deine Wege“, so endet es: Der Lebensweg eines
Menschen, der auf Gott vertraut und an ihm festhält, der endet
ganz gewiss bei Gott. |
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