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predigt[e].de

Die Predigt vom 6. April 2007 (Karfreitag):
»Die Schulden sind bezahlt«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die christliche Kirche beging den Karfreitag. Sein Thema ist der Tod Jesu und seine Bedeutung für die Welt. Evangelium (1. Lesung) war der Kreuzigungsbericht nach Johannes und Epistel (2. Lesung) der aufruf des Paulus zur Versöhnung mit Gott. Der Predigt lag anlässlich des Jubiläumsjahres ein Passionslied von Paul Gerhardt zugrunde:
Predigttext
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Der Predigttext
(Liedtext siehe in der Predigt unten.)
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Die Predigt
Ein Liebeslied auf den Gekreuzigten!?

„Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld der Welt und ihrer Kinder.“ In eine eher fremde Welt entführt uns dieses Lied von Paul Gerhardt: fremd von der Sprache und ihren Bildern her und fremd vom theologischen Denken. Aus Anlass seines 400. Geburtstages in diesem Jahr lade ich sie immer wieder ein, sich auf seine Lieder tiefer einzulassen. Lieder von Paul Gerhardt sind vom Singen her oft sehr bekannt, ihr Inhalt aber kommt über dem Singen leicht zu kurz.
„Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld der Welt und ihrer Kinder. – Das Lämmlein ist der große Freund und Heiland meiner Seelen. – Mein Lebetage will ich dich aus meinem Sinn nicht lassen. – Ich will von deiner Lieblichkeit bei Nacht und Tage singen.“ Ein Liebeslied für den gekreuzigten Jesus haben wir vor uns. Ein Lob auf seinen Tod.

400 Jahre Paul Gerhardt

Wie kann man so innerlich und glaubensvoll von dem schrecklichen Geschehen der Kreuzigung sprechen? Wir dürfen die damalige Zeit nicht vergessen: 1647, so können Sie es unter dem Lied lesen, sind diese Verse veröffentlicht worden. 1647, kurz vor dem Ende des schrecklichen 30-jährigen Krieges. In diesem Krieg hat Paul Gerhard viel sinnloses und erzwungenes Leiden und Sterben gesehen. In Jesu Leiden dagegen findet er einen tiefen Sinn. Und sein Tod war nicht erzwungen, sondern er hat diesen Weg freiwillig auf sich genommen.
1647 war Paul Gerhardt 40 Jahre alt und verdiente sich sein Geld als Hauslehrer in Berlin, weil aufgrund der Kriegswirren lange keine Pfarrstelle zu bekommen war. 1647 brachte Johann Crüger, Kirchenmusiker an der Berliner Kirche St. Nicolai, eine neue Auflage seines Gesangbuchs heraus und machte damit einige Gedichte des noch weitgehend unbekannten Paul Gerhardt bekannt. 15 Lieder waren es in dieser Auflage. 88 würden es dann am Ende sein. Und insgesamt 134 deutsche Gedichte und Lieder Paul Gerhardts sind uns bekannt.
„Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld der Welt und ihrer Kinder.“ Wir singen und bedenken die Strophen dieses Liedes im Einzelnen.

Auf der Suche nach dem Sinn des Kreuzes

1. Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld / der Welt und ihrer Kinder; / es geht und büßet in Geduld / die Sünden aller Sünder; / es geht dahin, wird matt und krank, / ergibt sich auf die Würgebank, / entsaget allen Freuden, / es nimmet an Schmach, Hohn und Spott, / Angst, Wunden, Striemen, Kreuz und Tod / und spricht: »Ich will's gern leiden.«

Gedichtet sind diese Verse nach dem Propheten Jesaja im 53. Kapitel So ist es auch unter der ersten Strophe zu lesen.
Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der HERR warf unser aller Sünde auf ihn. Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf.

Diese Worte des Jesaja, wiewohl 500 Jahre vor Christus geschrieben, haben die ersten Christen auf Jesus bezogen, als sie versucht haben, seinen Tod zu verstehen. Sein Tod, das war zuallererst eine totale Enttäuschung ihrer Hoffnungen. Erst nach der Auferstehung haben sie zaghaft zu fragen begonnen, wo und wie in diesem auf den ersten Blick unsinnigen und sinnlosen Tod doch ein verborgener Sinn liegen könnte.
Hier bei Jesaja haben sie entdeckt: So wie früher, als es noch einen Tempel in Jerusalem gab, Lämmer geopfert wurden für die Sünden der Menschen, so hat sich Jesus selbst freiwillig als Opferlamm für die Menschen zur Verfügung gestellt. Wie beim Passafest, dem Fest der Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten, ein Lamm geschlachtet wird, so stirbt Jesus zur Befreiung der Menschen.
Und so wie der Sündenbock damals einmal im Jahr am großen Versöhnungstag vom Priester die Sünden des Volkes aufgelegt bekam und mit ihnen in die Wüste geschickt wurde, so hat Jesus freiwillig die Sünden der Menschen auf sich genommen.
„Ich will’s gern leiden.“ lässt Paul Gerhardt Jesus sagen und legt damit die Jesajaworte „litt er doch willig“ aus, aber man darf doch nicht vergessen, wie Jesus im Garten Gethsemane um den Weg gekämpft hat, der da auf ihn zu kam. Ein Weg, in der am Ende einstimmen konnten mit den Worten: „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe.“
Wir singen die erste Strophe des Liedes.

Einem innergöttlichen Gespräch lauschen

2. Das Lämmlein ist der große Freund / und Heiland meiner Seelen; / den, den hat Gott zum Sündenfeind / und Sühner wollen wählen: / »Geh hin, mein Kind, und nimm dich an / der Kinder, die ich ausgetan / zur Straf und Zornesruten; / die Straf ist schwer, der Zorn ist groß, / du kannst und sollst sie machen los / durch Sterben und durch Bluten.«

Paul Gerhardt redet von sich, wie so oft in seinen Liedern. Er bekennt seinen Glauben. Aber er hofft wohl auch, dass Menschen, die seine Lieder singen, seine Worte nachvollziehen und sie zu ihren eigenen Worten machen können. Das kann von Ihnen, die Sie mitsingen, nur jeder im Stillen für sich selbst beantworten: Wie weit singe ich da Worte von Paul Gerhardt? Und wie weit werden sie zu meinen eigenen Worten?
Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. ... er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.
So lesen wir bei Jesaja. Und weil Jesus auch seine, Paul Gerhardts, Sünden gerne auf sich genommen hat, ist er sein Freund und Heiland. Mehr können Freunde füreinander nicht tun, als dass einer für die Schulden des anderen einsteht.
Damit wird Schuld nicht klein geredet. Sie steht als Hindernis zwischen Gott und Mensch. Sie ist wie eine Brücke, die da war und nun abgebrochen ist. Wie kann dieses Verhältnis in Ordnung gebracht werden? Wie finden Gott und Mensch wieder zueinander?
Paul Gerhardt lässt uns sozusagen einem innergöttlichen Gespräch zwischen Gott-Vater und Gott-Sohn lauschen, wo es darum geht, wie die Schuld der Menschen wieder in Ordnung gebracht werden kann. Und sie kann nicht durch die Menschen in Ordnung gebracht werden, sondern durch Gott allein, durch Gott in Jesus.
Einem innergöttlichen Gespräch lässt uns Paul Gerhardt lauschen. Er lebt in einer Zeit, wo die Theologen ganz genau zu wissen meinten, warum Jesus damals hat sterben müssen. Mathematisch-logisch wurde das ganze Geschehen nachvollziehbar begründet. Wir reden heute viel viel vorsichtiger.
Wir singen die zweite Strophe des Liedes.

Jesus geht seinen Weg freiwillig

3. »Ja, Vater, ja von Herzensgrund, / leg auf, ich will dir's tragen; / mein Wollen hängt an deinem Mund, / mein Wirken ist dein Sagen.« / O Wunderlieb, o Liebesmacht, / du kannst - was nie kein Mensch gedacht - / Gott seinen Sohn abzwingen. / O Liebe, Liebe, du bist stark, / du streckest den in Grab und Sarg, / vor dem die Felsen springen.
Die Fortsetzung dieses innergöttlichen Gespräches zwischen Gott-Vater und Gott-Sohn:
Freiwillig, von Herzensgrund, eins mit seinem Vater und dessen Willen, nimmt Jesus den Tod auf sich. Er stimmt ein in die einzige Lösung, die bleibt, denn eine Lösung von menschlicher Seite gibt es nicht.
Paul Gerhardt betont die Freiwilligkeit, mit der Jesus alles auf sich genommen hat, ganz bewusst, um deutlich zu machen, dass allein Liebe als Triebkraft dahinter steht. Jesus war nicht Opfer eines bösen, allmächtigen Vaters im Himmel, sondern freiwillig ist er seinen Weg der Versöhnung gegangen.
Und dann im zweiten Teil der Strophe Paul Gerhardts Reaktion als Zuhörer dieses innergöttlichen Gesprächs: Er kann nur staunen über die Liebe, die dahinter steht. Die Liebe steckt als Triebkraft hinter allem. Die Liebe schafft und erreicht Dinge, die sonst nicht zu schaffen wären.
Der „vor dem die Felsen springen“, also der, den drei Tage später auch das Felsengrab mit dem schweren Stein davor nicht halten kann, der geht freiwillig in den Tod.
Wir singen die dritte Strophe dieses Liedes.

Sich in das Kreuz versenken?

4. Mein Lebetage will ich dich / aus meinem Sinn nicht lassen, / dich will ich stets, gleich wie du mich, / mit Liebesarmen fassen. / Du sollst sein meines Herzens Licht, / und wenn mein Herz in Stücke bricht, / sollst du mein Herze bleiben; / ich will mich dir, mein höchster Ruhm, / hiermit zu deinem Eigentum / beständiglich verschreiben.
Was Jesus für ihn getan hat, empfindet Paul Gerhardt als Liebestat, eine Liebestat, auf die er selber nur mit Liebe antworten kann: Liebe mit Herz und Händen.
So hat man es zur Zeit des Paul Gerhardt ausgelegt: Jesus, der die Arme am Kreuz ausbreitet, der breitet sie zu uns hin aus. Der Gekreuzigte umarmt uns und wir ihn. Man hat sich mystisch-meditativ in das Kreuzesgeschehen hinein vertieft.

Empfangene Liebe weitergeben

5. Ich will von deiner Lieblichkeit / bei Nacht und Tage singen, / mich selbst auch dir nach Möglichkeit / zum Freudenopfer bringen. / Mein Bach des Lebens soll sich dir / und deinem Namen für und für / in Dankbarkeit ergießen; / und was du mir zugut getan, / das will ich stets, so tief ich kann, / in mein Gedächtnis schließen.

Doch es geht nicht nur darum, sich geistlich mit dem Gekreuzigten zu vereinen. Die von ihm empfangene Liebe kann man nicht für sich behalten. Sie muss zur Tat werden. Sie soll weitergegeben werden an andere Menschen: Sich selbst mit den ihm gegebenen Möglichkeiten will Paul Gerhardt als Dank- und Freudenopfer darbringen.

Lebenskraft aus dem Abendmahl

6. Das soll und will ich mir zunutz / zu allen Zeiten machen; / im Streite soll es sein mein Schutz, / in Traurigkeit mein Lachen, / in Fröhlichkeit mein Saitenspiel; / und wenn mir nichts mehr schmecken will, / soll mich dies Manna speisen; / im Durst soll's sein mein Wasserquell, / in Einsamkeit mein Sprachgesell / zu Haus und auch auf Reisen.
Nachdem an dieser Stelle zwei Strophen des Originals wegen ihrer altertümlichen Sprache herausgenommen wurden, kann man nicht mehr auf Anhieb erkennen, dass Paul Gerhardt hier vom Blut Jesu und damit vom Abendmahl redet:
Das Blut Jesu, das Abendmahl, wird ihm zur Lebenskraft: Wenn er das hat, kann ihm niemand schaden. In der Traurigkeit gibt es ihm Grund zur Freude. Ja, wenn ihm kein Essen mehr schmeckt, dann wird ihm das Abendmahl zum Lebensmittel. Es ist ihm so wichtig wie das Wasser für den Verdurstenden und wie ein lieber Gesprächspartner für einen Einsamen.

... und am Ende die Vereinigung mit Gott

7. Wenn endlich ich soll treten ein / in deines Reiches Freuden, / so soll dein Blut mein Purpur sein, / ich will mich darein kleiden; / es soll sein meines Hauptes Kron, / in welcher ich will vor den Thron / des höchsten Vaters gehen / und dir, dem er mich anvertraut, / als eine wohlgeschmückte Braut / an deiner Seite stehen.
Und wenn er dann einmal sterben wird und vor Gott treten darf, verlässt er sich zuallerletzt auf das Blut Jesu im Abendmahl. Mit seinen Sprachbildern erinnert er an Jesus: Ihm haben die Soldaten damals einen purpurgefärbten Königsmantel umgehängt – purpurrot war die teuerste Farbe – und eine Dornenkrone aufgesetzt und ihn als König verhöhnt. Sie meinten, ihn zu verhöhnen, konnten ihm aber seine Würde nicht nehmen. Mit gleicher königlicher Würde darf auch Paul Gerhardt vor Gottes Thron treten, denn durch Jesus sind ihm alle Sünden vergeben und er steht rein vor Gott. Und so ist Sterben am Ende wie eine Art himmlische Hochzeit, eine Vereinigung mit Christus, auf die er sich freut.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

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