|
Die Predigt |
Nachttopf oder
Abendmahlskelch?
Um die souveräne Freiheit Gottes des Schöpfers geht es:
Wie ein Töpfer das Recht und die Freiheit hat, aus dem einen
Lehmklumpen einen Nachttopf und aus dem anderen einen Abendmahlskelch
zu machen, so hat Gott der Schöpfer die Freiheit über seine
Geschöpfe. Und keiner kann daherkommen und Gott zur Rechenschaft
ziehen: „Hey du, ich wollte eigentlich etwas anderes werden.“
Mit jedem hat er etwas anderes vor. Dem einen ist er gnädig,
dem anderen nicht. Über den einen erbarmt er sich, den anderen
verstockt er.
Hat Gott Israel fallen lassen?
Heißt das nun: Wie Gott gerade will, wird der eine von einer
schweren Krankheit gesund, und der andere nicht. Wie Gott gerade will,
kommt der Schuldige bei einem schweren Unfall mit dem Leben davon,
und der Unschuldige stirbt. Wie Gott gerade will, gelingt dem einen
sein Leben und dem anderen halt nicht.
Nein, darum geht es hier nicht. Von Gottes Freiheit und Gottes Erbarmen
wird hier in einem ganz speziellen Zusammenhang gesprochen: Als geborenen
und zum Glauben an Christus gekommenen Juden treibt den Apostel Paulus
die Tatsache um, dass seine ursprünglichen jüdischen Glaubensgeschwister
Jesus als den versprochenen Retter ablehnen. Ohne Christus werden
sie nicht zu Gott finden. Auf der anderen Seite aber sind sie Gottes
auserwähltes Volk. Gilt das nicht mehr? Hat er sie fallen lassen?
Sind sie selber schuld, dass sie nicht glauben können?
Paulus denkt an seinen eigenen Weg: Ein 150-prozentiger Jude ist er
gewesen. Doch alles, worum er sich als Jude bemüht hat, gilt
ihm nun (nach Phil 3,8) als Scheißdreck. Er ist mit seinen eigenen
Bemühungen auf dem völlig falschen Weg gewesen. Allein auf
Christus kommt es an. Das ist ihm bei seiner Bekehrung vor Damaskus
klar geworden. Aber als Geschenk, aus reiner Gnade, nicht aus eigener
Kraft. Im Nachhinein gesehen war er verstockt und verblendet. Doch
Gott hat sich seiner erbarmt und ihm die Augen geöffnet.
Wenn doch Gott seinen jüdischen Glaubensgeschwistern, die blind
sind für Christus, ebenfalls die Augen öffnen könnte!
Doch: Die Augen öffnen, das kann nur Gott. Bei den einen tut
er es. Bei den anderen nicht. Den einen ist er gnädig, den anderen
nicht. Die einen bleiben verhärtet, den anderen werden die Augen
geöffnet.
Glaube ist nicht machbar
So leidet jemand am Werdegang derer, die ihm am Herzen liegen. Das
ist in unserem Alltag vielleicht vergleichbar dem Leiden von Eltern
im Blick auf ihre Kinder: Auch Eltern müssen oft machtlos zuschauen,
in welche Richtung sich ihre Kinder bewegen und was aus ihnen zu werden
droht. Was ist es gerade für Eltern, denen der Glaube am Herzen
liegt, die versucht haben, ihre Kinder zum Glauben zu erziehen, für
ein Schmerz, wenn sie dann ganz andere Wege gehen?
Paulus ganz eindeutig: Es liegt in ihrer Hand und es liegt nicht in
eurer Hand. Ihr könnt euch abstrampeln, wie ihr wollt, und sie
auch. Der Weg zum Glauben ist allein Gottes Sache:
16 So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern
an Gottes Erbarmen. 18 So erbarmt er sich nun, wessen er will, und
verstockt, wen er will.
Glaube ist nicht machbar. Ich kann ihn mir nur schenken lassen. Martin
Luther hat es in seiner Auslegung zum Glaubensbekenntnis im Kleinen
Katechismus in folgende Worte gefasst. Frühere Generationen haben
es noch auswendig gelernt:
Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an
Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern
der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen
Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten.
Doppelte Vorherbestimmung?
Paulus treibt die Frage um. Er versucht zu verstehen und zu erklären.
Was wird denn nun aus seinen jüdischen Glaubensgeschwistern?
Wie steht es denn mit Gottes Verheißungen? Hat er am Ende gar
sein auserwähltes Volk verstoßen und sich ein anderes gesucht?
Wenn man den griechischen Originaltext ansieht, sieht man sein Ringen:
Ein richtiges Wörtergestopsel, ein Schreibgestammel kann man
da lesen. Ein langer Satz, der mittendrin abbricht. So als würde
er spüren, dass er bei seinem Nachdenken in eine problematische
Sackgasse gerät. Im Deutschen kommt es gar nicht richtig raus:
22 Da Gott seinen Zorn erzeigen und seine Macht kundtun wollte,
hat er mit großer Geduld ertragen die Gefäße des
Zorns, die zum Verderben bestimmt waren, 23 damit er den Reichtum
seiner Herrlichkeit kundtue an den Gefäßen der Barmherzigkeit,
die er zuvor bereitet hatte zur Herrlichkeit.
Immer wieder wurden diese Worte so verstanden: Die einen sind von
Anfang an, also praktisch schon vor ihrer Geburt, zum Glauben bestimmt
worden und die anderen zum Unglauben. Und alles das liegt einzig und
allein in Gottes Macht. Die sogenannte doppelte Vorherbestimmung.
Ich kann diese stotternden Verse nur lesen und verstehen von ihrem
Ende her. Das leidenschaftliche Ringen des Paulus um seine Glaubensgeschwister
endet am Ende von Römer 11 mit folgenden Worten:
Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen. 30 Denn
wie ihr zuvor Gott ungehorsam gewesen seid, nun aber Barmherzigkeit
erlangt habt wegen ihres Ungehorsams, 31 so sind auch jene jetzt ungehorsam
geworden wegen der Barmherzigkeit, die euch widerfahren ist, damit
auch sie jetzt Barmherzigkeit erlangen. 32 Denn Gott hat alle eingeschlossen
in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme. 33 O welch eine Tiefe
des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie
unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! 34
Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber
gewesen?« 36 Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle
Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.
Am Ende hat Gott für jeden einen Weg
Also: Versuche nicht, Fragen zu beantworten, die über deinen
Verstand gehen. Tu als Geschöpf das Deine und lass den Schöpfer
das seine tun. Für jeden Menschen hat Gott am Ende einen Weg.
Irgendwie landen alle Wege, alle krummen Wege und alle Umwege auch
nur wieder bei ihm. Jeder ist immer wieder ungehorsam und auf die
Barmherzigkeit Gottes angewiesen.
Und wenn du als Mutter oder Vater das deine getan hast, dann lass
deine Kinder laufen. Sie sind nicht in deiner Hand, sondern in Gottes
Hand. Sie werden ihren Weg gehen, vielleicht einen ganz anderen als
du, aber Gott hat einen für sie.
Und wenn du dir Gedanken machst, dann mach dir nur um dich selbst
Gedanken. Freue dich über Gottes Ja in der Taufe. Freue dich,
wenn Gott dir Glauben geschenkt hat. Aber versuche keine Antwort zu
geben für andere: Warum andere nicht glauben können, ist
nicht deine Sache, sondern allein ihre und Gottes Sache.
Du und die anderen, ihr seid alle vor Gott in der gleichen Lage: Es
ist heute noch nicht das letzte Wort gesprochen. Wer glauben kann,
soll dankbar sein, aber auch wissen, dass sich das leicht einmal ändern
kann. Und wer jetzt noch nicht oder gerade nicht glauben kann, dem
kann es schon morgen geschenkt werden. Mit einem jeden von uns hat
Gott einen Weg.
Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre
in Ewigkeit! Amen. |
|