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predigt[e].de

Die Predigt vom 21. März 2008 (Karfreitag):
»Gott ist ganz anders«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die christliche Kirche beging den Karfreitag. Sein Thema ist der Tod Jesu und seine Bedeutung. Evangelium (1. Lesung) war die Passion nach Johannes und Epistel (2. Lesung) die Botschaft des Paulus von der Versöhnung. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war ein Abschnitt aus Jesaja 53:
Predigttext
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Der Predigttext
1 Aber wer glaubt dem, was uns verkündet wurde, und wem ist der Arm des HERRN offenbart? 2 Er schoss auf vor ihm wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. 3 Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet. 4 Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. 5 Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. 6 Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der HERR warf unser aller Sünde auf ihn. 7 Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf. 8 Er ist aus Angst und Gericht hinweggenommen. Wer aber kann sein Geschick ermessen? Denn er ist aus dem Lande der Lebendigen weggerissen, da er für die Missetat meines Volks geplagt war. 9 Und man gab ihm sein Grab bei Gottlosen und bei Übeltätern, als er gestorben war, wiewohl er niemand Unrecht getan hat und kein Betrug in seinem Munde gewesen ist. 10 So wollte ihn der HERR zerschlagen mit Krankheit. Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, wird er Nachkommen haben und in die Länge leben, und des HERRN Plan wird durch seine Hand gelingen. 11 Weil seine Seele sich abgemüht hat, wird er das Licht schauen und die Fülle haben. Und durch seine Erkenntnis wird er, mein Knecht, der Gerechte, den Vielen Gerechtigkeit schaffen; denn er trägt ihre Sünden. 12 Darum will ich ihm die Vielen zur Beute geben, und er soll die Starken zum Raube haben, dafür dass er sein Leben in den Tod gegeben hat und den Übeltätern gleichgerechnet ist und er die Sünde der Vielen getragen hat und für die Übeltäter gebeten.
Predigt
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Die Predigt
Enttäuschte Hoffnungen

13 Und siehe, zwei von ihnen gingen an demselben Tage in ein Dorf, das war von Jerusalem etwa zwei Wegstunden entfernt; dessen Name ist Emmaus. 15 Und es geschah, als sie so redeten und sich miteinander besprachen, da nahte sich Jesus selbst und ging mit ihnen. 16 Aber ihre Augen wurden gehalten, dass sie ihn nicht erkannten. 17 Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Dinge, die ihr miteinander verhandelt unterwegs? Da blieben sie traurig stehen. 18 Und der eine, mit Namen Kleopas, antwortete und sprach zu ihm: Bist du der einzige unter den Fremden in Jerusalem, der nicht weiß, was in diesen Tagen dort geschehen ist? 19 Und er sprach zu ihnen: Was denn? Sie aber sprachen zu ihm: Das mit Jesus von Nazareth, der ein Prophet war, mächtig in Taten und Worten vor Gott und allem Volk; 20 wie ihn unsre Hohenpriester und Oberen zur Todesstrafe überantwortet und gekreuzigt haben. 21 Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde. ... 25 Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren, zu trägen Herzens, all dem zu glauben, was die Propheten geredet haben! 26 Musste nicht Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen? 27 Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift von ihm gesagt war.
(Lk 24)

So hören wir am Ostermontag von den beiden Jesusanhängern aus dem kleinen Ort Emmaus. Traurig verlassen sie Jerusalem und gehen wieder nach Hause in ihr altes Leben zurück. Jesus ist tot. Alle ihre Hoffnungen sind zerbrochen. Dass dieser Tod einen Sinn haben könnte, das können sie nicht begreifen. Aber Jesus hilft ihnen, ihre Heiligen Schriften, ihr Altes Testament noch einmal mit neuen Augen zu lesen.

Gott lehrt neu sehen

So ging es offenbar den Jüngern nach dem Tod Jesu: Nach der ersten Phase des Schocks, der Resignation und des Nicht-verstehen-könnens lesen sie ihre Bibel noch einmal neu. Sie lesen sie von Ostern her mit neuen Augen. Sie lesen sie mit einer österlichen Brille und fangen an zu begreifen. Sie entdecken auf einmal Worte, die auf Jesus hindeuten und die sie vorher nie auf diese Weise gelesen und verstanden haben. Es fällt ihnen wie Schuppen von den Augen.
Und zu den Worten, bei denen ihnen auf einmal die Augen aufgehen, gehören auch diese aus dem Propheten Jesaja Kapitel 53. Worte des Jesaja vom Knecht Gottes:
(Text siehe oben.)
Wer das Geschick Jesu und seinen Ausgang nicht kennt, wer nichts von Karfreitag und Ostern weiß, der kann in diesen Worten nicht den Retter der Welt entdecken. Wie soll der Tod das Leben bringen? Wie soll ein Verlierer der Sieger sein? Im Alten Testament hatte man ganz andere, gegensätzliche Hoffnungen vom kommenden Messias.
Doch seine Anhänger lernen, ihre Vorurteile abzulegen und sich auf das ganz Neue und Undenkbare einzulassen. Und auf einmal sprechen diese alten Worte ganz neu:

Wir haben etwas anderes erwartet

Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. 3 Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet.
Ja, wir haben uns getäuscht. Wir haben in dem von den römischen Soldaten Gefolterten und Verspotteten den Verlierer gesehen. Hoheit und Majestät haben wir erwartet, einen König. Und nachdem er sich gar nicht königlich und majestätisch erwiesen hat, haben wir ohnmächtig zugehört, als die Menge brüllte: „Kreuzige, kreuzige.“ Ja, manche haben selbst mitgeschrien. Wir haben ohnmächtig zugehört, als sie spotteten: „Steig herab vom Kreuz, dann wollen wir an dich glauben.“ Ja, manche haben selbst mitgespottet.
Aber, wir haben uns getäuscht:

Wir sind selbst schuld

4 Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. 5 Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. 6 Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der HERR warf unser aller Sünde auf ihn.
Der kann nicht der Messias sein, so haben wir gedacht. Sonst hätte sich Gott zu ihm bekannt. Sonst hätte ihn Gott gerettet. Sonst hätte er nicht zugelassen, dass der geplagt, geschlagen und gemartert wird. Gott hat sein Urteil über ihn gesprochen.
Doch jetzt entdecken wir: Da hat freiwillig ein Unschuldiger gelitten. Uns hätte eigentlich die Strafe treffen müssen. Wir sind stur, blind und bockig unsere eigenen Wege gegangen und haben nicht auf Gott geachtet. Wir haben uns verlaufen und verirrt. Wir wollten alleine gehen und haben seine Führung nicht angenommen.
Seine Krankheit ist eigentlich unsere. Seine Schmerzen hätten wir aushalten müssen. Die Strafe die ihn trifft, hätte uns treffen müssen.

Er löffelt unsere Suppe aus

7 Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf.
Freiwillig hat er alles auf sich genommen. An unserer Stelle, stellvertretend hat er das alles auf sich genommen. Für uns hat er die Zeche bezahlt. Er löffelt die Suppe aus, die wir uns eingebrockt haben. Er badet aus, was wir angestellt haben. Er wird freiwillig zum Sündenbock.
Wie die Lämmer, die wir im Tempel opfern, so hat er sich selbst geopfert. Den Lämmern bleibt nichts anderes übrig. Er aber ging freiwillig und ohne Protest seinen Weg. Er hätte noch rechtzeitig fliehen können aus Jerusalem. Gegen die falschen Anschuldigungen hätte er sich verteidigen können. Eine ganze Legion Engel hätte er zu Hilfe rufen können.

Er ist nicht totzukriegen

Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, wird er Nachkommen haben und in die Länge leben, und des HERRN Plan wird durch seine Hand gelingen. 11 Weil seine Seele sich abgemüht hat, wird er das Licht schauen und die Fülle haben.
Sein Tod war also kein Unglück. Gott hatte einen Plan mit ihm. Sein Tod war nicht ein Scheitern, sondern er hat sich in Gottes Plan und Willen gefügt. Doch nun hat sich Gott mit seiner Auferweckung aus dem Tod zu ihm bekannt und ihn wieder das Licht schauen lassen. Er wird Nachkommen haben: Er und seine Jünger sind nicht totzukriegen. Aus einem Häufchen ängstlicher Jünger wird eine mutige Bewegung werden, die sich über die ganze Welt verbreitet.

Er macht sich selbst zum Sündenbock

Und durch seine Erkenntnis wird er, mein Knecht, der Gerechte, den Vielen Gerechtigkeit schaffen; denn er trägt ihre Sünden. 12 Darum will ich ihm die Vielen zur Beute geben, und er soll die Starken zum Raube haben, dafür dass er sein Leben in den Tod gegeben hat und den Übeltätern gleichgerechnet ist und er die Sünde der Vielen getragen hat und für die Übeltäter gebeten.
Bisher haben wir immer gedacht, dass die Ungerechten von Gott bestraft und die Gerechten von ihm belohnt werden. Doch nun hat Gott alles auf den Kopf gestellt. Wir, die wir eigentlich die Ungerechten sind, durften am Leben bleiben. Er, der Gerechte, hat freiwillig unsere Strafe auf sich genommen und getragen. Wie ein Übeltäter ist er behandelt worden.
Er trägt und nimmt auf sich, was eigentlich wir zu tragen hätten. So wie der Sündenbock, dem der Hohepriester zum großen Versöhnungstag einmal im Jahr alle Sünden des Volkes auflegt und ihn damit in die Wüste schickt, so hat er freiwillig alles auf sich genommen. Der Karfreitag ist der große Versöhnungstag zwischen Gott und den Menschen.

Und so haben die Damaligen im Lichte des Lebens und Sterbens Jesu ihre heiligen Schriften ganz neu gelesen. Sie waren bereit, Abschied zu nehmen von ihren alten Vorstellungen von Gottes Gerechtigkeit und vom Kommen des Messias. Und sie haben erkannt: Das hat alles mit uns zu tun. Wir sind nicht Zuschauer, sondern Beteiligte. Es geht um uns.
Das alles schenke Gott uns auch heute.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de