Startseite | Impressum | Kontakt
predigt[e].de

Die Predigt vom 9. Januar 2005 (1. Sonntag nach Epiphanias):
»Wie es nach Weihnachten weiter ging«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 1. Sonntag nach Epiphanias. Sein Thema ist die Taufe Jesu und sein erstes öffentliches Auftreten. Evangelium (1. Lesung) war die Erzählung der Taufe Jesu nach Matthäus und Epistel (2. Lesung) die Aufforderung des Paulus, sein Leben nach Gottes Willen auszurichten. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war der Bericht aus Matthäus 4 von Jesu erstem Auftreten:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
12 Als nun Jesus hörte, dass Johannes gefangengesetzt worden war, zog er sich nach Galiläa zurück. 13 Und er verließ Nazareth, kam und wohnte in Kapernaum, das am See liegt im Gebiet von Sebulon und Naftali, ... 17 Seit der Zeit fing Jesus an zu predigen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
Predigt
Aktuelle Predigten

Gesamtübersicht der Predigten

Stichwortverzeichnis
zu den Predigten

Die Predigt
Wie es nach Weihnachten weiter geht

Heute vor zwei Wochen erst haben wir Weihnachten gefeiert und von der Geburt Jesu gehört. Vor drei Tagen noch waren die drei Weisen an seiner Krippe. Und heute hören wir schon von seiner Taufe durch Johannes. Nach
Lukas war Jesus zu diesem Zeitpunkt um die 30 Jahre alt. Mit Riesenschritten geht es also voran: Die Evangelien und das Kirchenjahr haben kein großes Interesse an der Kindheit und an der Jugend Jesu.

Die Evangelisten Markus und Matthäus

Markus, der nach Meinung der meisten Wissenschaftler das erste und älteste Evangelium geschrieben hat, hat nicht einmal eine Geburtsgeschichte, sondern beginnt mit dem Auftreten Johannes des Täufers. Und dann folgt unvermittelt die erste Erwähnung Jesu mit den
Worten (Mk 1,9): Und es begab sich zu der Zeit, dass Jesus aus Nazareth in Galiläa kam und ließ sich taufen von Johannes im Jordan.

Der Evangelist Matthäus erzählt nach dem Besuch der drei Weisen von der Flucht nach Ägypten, wo die Heilige Familie den Tod des Kindermörders Herodes abwartet. Sie kehren wieder zurück und lassen sich in Nazareth
nieder. Von dort aus kommt Jesus zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen.

Der Evangelist Lukas

Noch ausführlicher schreibt der Evangelist Lukas. Aber er beschreibt auch nicht Kindheit und Jugend, sondern unterrichtet seine nichtjüdischen Leser davon, wie die religiöse Entwicklung eines jüdischen Kindes normalerweise
abläuft: Im Anschluss an die altbekannte Weihnachtsgeschichte folgt Jesu Beschneidung nach acht Tagen, wo er auch den Namen Jesus erhält. Später bringen ihn die Eltern nach Jerusalem, um am Tempel das übliche Dankopfer
für den Erstgeborenen darzubringen. Simeon und Hanna sagen ihnen voraus, dass ihr Sohn einmal eine wichtige Rolle in der Heilsgeschichte einnehmen werde. Und es endet mit den Worten (Lk 2,39-40): Und als sie alles vollendet hatten nach dem Gesetz des Herrn, kehrten sie wieder zurück nach Galiläa in ihre Stadt Nazareth. Das Kind aber wuchs und wurde stark, voller Weisheit, und Gottes Gnade war bei ihm.
Mit zwölf Jahren nehmen sie Jesus zum ersten Mal mit zum Passafest an den Tempel. Vermutlich hat Jesus dort seine Bar Mizwa gefeiert, wo ein
Junge zum ersten Mal aus der Thora lesen darf. Das Fest der Religionsmündigkeit, vergleichbar unserer Konfirmation. Und wieder endet es
zusammenfassend (Lk 2,52): Und Jesus nahm zu an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott und den Menschen.

Die sogenannten Kindheitsevangelien

Es ist viel nachgedacht und spekuliert worden über diese Zeit, von der man nichts weiß: Jesus werde wohl den Beruf seines Vaters erlernt haben. Er sei wohl sehr fromm gewesen und habe gar schriftgelehrten Unterricht gehabt. Und dann entstehen in der frühen Kirche sogar verschiedene sog. Kindheitsevangelien mit Wundergeschichten, die der kleine Jesus
vollbracht hat, und die allesamt einer frommen Phantasie entspringen.
Man konnte sich ganz einfach nicht damit zufrieden geben, dass die Evangelisten v.a. Interesse daran haben, was Jesus in der Öffentlichkeit getan und gepredigt hat.

Das erste Auftreten Jesu in der Öffentlichkeit

So gehört zum heutigen 1. Sonntag nach Epiphanias von alters her die Erzählung von seiner Taufe durch Johannes am Jordan. Und im heutigen Predigttext folgt die Fortsetzung im Matthäusevangelium mit seinem ersten Auftreten in seiner Heimat Galiläa:
12 Als nun Jesus hörte, dass Johannes gefangengesetzt worden war, zog er sich nach Galiläa zurück. 13 Und er verließ Nazareth, kam und wohnte in Kapernaum, das am See liegt im Gebiet von Sebulon und Naftali, ... 17 Seit der Zeit fing Jesus an zu predigen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!

Offenbar gehörte Jesus zu den Anhängern Johannes des Täufers. Aber er tritt erst selbst eigenständig an die Öffentlichkeit, nachdem Johannes von seinem Landesherrn Herodes Antipas, einem Sohn des Kindermörders Herodes, ins
Gefängnis geworfen worden war. Im Gegensatz zu Johannes ist Jesus kein
Asket. Johannes zog sich aus der Zivilisation zurück. Er lebte als eine Art Einsiedler, ernährte sich auch der Natur, und predigte in der Wüste in der Nähe des Jordan. Jesus dagegen ging zu den Menschen. Er verließ Nazareth, die Stadt, in der er aufgewachsen war, und wirkte im Gebiet um den See Genezareth.
Warum wird nicht gesagt. Matthäus berichtet, dass Jesus mit seiner Botschaft in Nazareth nicht auf offene Ohren getroffen ist (Mt 13,53-58):
Woher hat dieser solche Weisheit und solche Taten? Ist er nicht der Sohn des Zimmermanns? Heißt nicht seine Mutter Maria, und seine Brüder Jakobus und Josef und Simon und Judas? Und seine Schwestern, sind sie nicht alle bei uns? Woher kommt ihm denn das alles? Und sie ärgerten sich an ihm. Jesus aber sprach zu ihnen: Ein Prophet gilt nirgends weniger als in seinem Vaterland und in seinem Hause. Und er tat dort nicht viele Zeichen wegen ihres Unglaubens. Aus dieser Geschichte kommt dann auch das
Sprichwort, dass der Prophet im eigenen Land nichts gilt.

Jesus geht zu den Menschen

Im Unterschied zu Johannes dem Täufer, der die Menschen zu sich kommen ließ, zog Jesus dort durch die Dörfer. Im Unterschied zu Johannes predigte er nicht nur, sondern er wandte sich den Menschen auch zu: Der ganze Mensch mit Leib und Seele stand für ihn im Mittelpunkt. Er heilte körperliche Krankheiten. Er machte Menschen, die unter psychischen Belastungen standen, wieder davon frei.

Seine wichtigste Botschaft aber ist nach der Auskunft der Evangelien die gleiche wie bei Johannes. Von Johannes heißt es im Matthäusevangelium (Mt 3,12-2): Zu der Zeit kam Johannes der Täufer und predigte in der Wüste von Judäa und sprach: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
Von Jesus heißt es hier (Mt 4,17): Seit der Zeit fing Jesus an zu predigen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!

Was ist das Himmelreich?

Was haben die Menschen damals darunter verstanden: "Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen." Sie wussten: "Himmelreich" meint "Himmelsherrschaft". Und "Himmel" war eine Umschreibung für Gott, dessen Namen man als frommer Jude nicht in den Mund nahm. "Das Himmelreich ist nahe" hieß also: Gottes Herrschaft bricht bald an. Seit dem Alten Testament erhoffte man sich, dass die ungerechte Herrschaft der Menschen einmal zu Ende gehen und Gottes gerechte Herrschaft beginnen werde. Gerecht im politischen Sinn, dass alle frei sein sollen und es keine Unterdrückung mehr gibt. Gerecht im sozialen Sinn, dass die Güter zwischen Reichen und Armen gleich verteilt sind. Gerecht und heil im leiblichen Sinn, dass keine Krankheiten, Sorgen und bösen Mächte die Menschen mehr bedrängen.

Die Gottesherrschaft braucht Vorbereitung

In dieser neuen gerechten Gottesherrschaft, so glaubte man, hat nur der einen Platz, der auch nach ihren Regeln lebt: der gerecht ist zu seinen Mitmenschen und dessen Verhältnis zu Gott in Ordnung ist. Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen! Das hieß also bei Johannes und bei Jesus: "Kehrt um! Ändert euer Leben, wo es nötig ist, damit euer Leben der Gottesherrschaft entspricht. Wenn Gottes Herrschaft anbricht, müsst ihr vorbereitet sein. Also nützt die verbleibende Zeit, euch darauf vorzubereiten."

Bei Johannes war das eher eine eindringliche Drohbotschaft (Mt 3,7-10):
Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? Seht zu, bringt rechtschaffene Frucht der Buße! Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Darum: jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.
Also: Ändert euch! Wenn ihr euch nicht ändert, seid ihr verloren, habt ihr keine Chance, habt ihr keinen Anteil an der kommenden Gottesherrschaft.

Gott selber kommt zu den Menschen

Bei Jesus ist es eher umgekehrt. Er sagt nicht wie Johannes: Erst müsst ihr euch ändern. Dann kommt die Gottesherrschaft zu euch. Durch seine Taten, seine Zuwendung, seine Heilungen bringt er sozusagen schon einen Vorgeschmack der Gottesherrschaft zu den Menschen. Mt 12,28: Wenn ich aber die bösen Geister durch den Geist Gottes austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen. Lk 17,20-21: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man's beobachten kann; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es! Oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.
Jesus schenkt ihnen das Heil der Gottesherrschaft, unabhängig davon, ob sie nun schon vorbereitet sind oder nicht. Und durch diese Zuvorkommenheit ändern sich die Menschen. Sie ändern sich durch seine zuvorkommende Liebe. Sie ändern sich nicht wie bei Johannes aus Angst. Sie ändern sich auch nicht aus eigener Kraft.

Die entscheidende Botschaft: Gott macht den Anfang.

Das erlebt die Ehebrecherin, die nicht gesteinigt und nicht verdammt wird, die aber hinterher hört (Joh 8,11): Geh hin und sündige hinfort nicht mehr.
Das erlebt der Oberzöllner Zachäus, der wirklich betrogen und ausgebeutet hat, der von Jesus aber dennoch das Heil zugesprochen bekommt, das ihm die Frommen schon lange abgesprochen haben (Lk 19,9): Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn auch er ist Abrahams Sohn.
Und diese Zuvorkommenheit des Gottesreiches krempelt den Betrüger um. Sie bewirkt, was dieser Mann nie aus eigener Kraft und eigenem Willen geschafft hätte (Lk 19,8): Zachäus aber trat vor den Herrn und sprach: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück.

Das erlebten die Zöllner und Sünder, zu denen sich Jesus an den Tisch setzte. Das erlebten die Aussätzigen, vor denen er sich nicht ekelte und fürchtete. Das erlebten die ungebildeten Leute vom Land, die die Heiligen
Schriften gar nicht lesen konnten.

Diese zentrale Botschaft "Die Gottesherrschaft ist nahe." ist aber zugleich immer eine große Anfechtung gewesen. Seit 2000 Jahren hat sich nichts Grundlegendes getan. Hat sich Jesus getäuscht? Das wäre eine weitere Predigt wert. Wir hatten das Thema am Ende des Kirchenjahres.

Fest steht, dass wir heute nicht besser und nicht anders sind als die Menschen damals. Die Menschheit hat in 2000 Jahren nicht viel gelernt. Auch wir sind nicht auf Gott vorbereitet. Auch wir brauchen diese zuvorkommende Liebe Jesu, die uns ändern will und kann. Amen

nach oben

Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de